#generationinterim – mehr Selbstständigkeit wagen
Ein Debattenbeitrag von DDIM Partner Tilo Ferrari (CEO Deutsche Interim AG) – Redaktion: Charly Kahle
Fachkräftemangel betrifft längst auch Führungskräfte und Management. Der demografische Wandel bedroht die Leistungsfähigkeit und den Wohlstand unserer Gesellschaft. Es braucht einen Nachfolger für das Erfolgsmodell Babyboomer: Das kann die Generation Interim sein.
Die Generation Babyboomer geht in Rente. Gleichzeitig kommen weniger junge Arbeitnehmer nach. Die Bundesagentur für Arbeit prognostiziert, dass 2035 bis zu 7 Millionen Arbeitskräfte fehlen werden, sollte sich nichts ändern. Das wirkt sich massiv auf die Wettbewerbsfähigkeit und den Unternehmenserfolg aus.
Wenn von Fachkräftemangel die Rede ist, denken die meisten Menschen an Pflege, industrielle Produktion, Handwerk oder Handel. Das ist aber zu kurz gedacht, wie die folgenden Zahlen beispielhaft verdeutlichen:
- Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen (BDU) verzeichnet eine starke Nachfrage nach Führungskräften, Expertinnen und Experten. Laut Branchenstudie „Personalberatung in Deutschland 2022“ stieg der Umsatz in diesem Segment 2021 um mehr als 20 Prozent – und der Trend ist trotz aller aktuellen Krisen stabil. Headhunter besetzten demnach 16 Prozent mehr Stellen als im Vorjahr – mit einem Umsatz von 2,7 Milliarden Euro (Plus von 17 Prozent).
- Der Dachverband Deutsches Interim Management (DDIM) geht für 2023 davon aus, dass die etwa 11.500 deutschen Interim Managerinnen und Interim Manager einen Umsatz von 2,75 Milliarden Euro erwirtschaften werden.
Interview: Wie wir den „war for talents“ durch intelligente Flexibilität ersetzen.
Tilo Ferrari ist CEO der Deutschen Interim AG – und seit vielen Jahren im Interim Management aktiv – als Interim Manager und Interim Service Provider. Im Interview beschreibt er seine Vision von der Generation Interim als Ansatz für flexible Personallösungen der Zukunft.
Frage // Herr Ferrari, als CEO eines erfolgreichen Interim Service Providers liegt es nah, dass Sie flexible Personallösungen nach dem Modell des Interim Managements als besonders erfolgversprechend betrachten. Warum brauchen wir jetzt einen Begriff wie Generation Interim? Reicht der Begriff des Interim Managements nicht mehr?
Ferrari // Unter dem Begriff Interim Management werden vor allem Einsätze von Fach- und Führungskräften zusammengefasst, die in befristeten Missionen meist heikle Projekte umsetzen, für die aus der Belegschaft niemand beauftragt werden kann oder soll. Mit Generation Interim gehe ich einen Schritt weiter. Ich suche Wege, dem Arbeitsmarkt Menschen zuzuführen, für die das klassische Modell der Festanstellung nicht mehr passt.
Frage // Was meinen Sie damit genau?
Ferrari // Das klassische Modell der Festanstellung löst sich immer weiter auf. Den „Arbeitgeber auf Lebenszeit“ gibt es kaum noch. Das liegt nicht nur an den Unternehmen, sondern auch an den Arbeitnehmenden. Menschen aller Altersklassen suchen Alternativen, die ihnen mehr Raum für persönliche und berufliche Lebensziele geben. Ich bin fest davon überzeugt, dass berufliche Selbstständigkeit mehr Raum für eine solche Work-Life-Balance bieten kann – wenn wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Generation Interim steht für eine Weiterentwicklung der beruflichen Selbstständigkeit – weg von der reinen Dienstleistung und hin zu einer neuen Form flexibler Personallösungen.
Frage // Eine Arbeitswelt voll von glücklichen Selbstständigen, die sämtliche Probleme der Unternehmen lösen: Ist das nicht eine unrealistische Utopie? Und wie sollen diese Selbstständigen denn die mit dem demografischen Wandel einhergehenden Herausforderungen lösen?
Ferrari // Wenn wir heute von demografischem Wandel und Fachkräftemangel sprechen, sind wir im nächsten Schritt beim vielzitierten „war for talents“. Das ist nicht nur ein hässlicher Begriff, sondern ein Ansatz, den wir überdenken sollten. Wir brauchen keinen Krieg, auch keinen um Talente. Wir brauchen einen Wandel – hin zu flexiblen Lösungen der Personalbeschaffung. Wir brauchen Unternehmen und Arbeitsorganisationen, die sich Kandidaten nicht gegenseitig streitig machen, sondern Kompetenzen effizient und flexibel nutzen.
Spezialistinnen und Spezialisten sollten nicht gehortet werden, sondern ihr Wissen an viele Unternehmen weitergeben können. Das ist eine der Leitideen von Generation Interim. Die andere:
Wir sollten zur Selbstständigkeit ermuntern und Modelle schaffen, mit denen mehr Menschen als Selbstständige nach ihren Vorstellungen am Arbeitsmarkt teilhaben können. Ich denke dabei beispielsweise an junge Menschen, Erziehende oder Menschen, die mit 60+ noch im Arbeitsmarkt integriert sein wollen. Wenn wir es schaffen, diese Gruppen nach ihren Vorstellungen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist schon viel gewonnen.
Frage // Wirtschaft ist Wettbewerb. Warum sollten Unternehmen Interesse daran haben, Kompetenzen nach dem Modell der Generation Interim zu teilen?
Ferrari // Was wir zunächst brauchen, ist ein Bewusstsein dafür, dass sich der Arbeitsmarkt in den nächsten 10 bis 20 Jahren komplett drehen wird. Der demografische Wandel sorgt dafür, dass sich Menschen nicht mehr bei den Unternehmen bewerben, sondern Unternehmen bei den Menschen. Das Blatt dreht sich also um 180 Grad. Wir sehen doch schon heute, dass viele Kompetenzen nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehen. Das wird sich verschärfen, deshalb müssen wir umdenken: Das ist keine Frage des Wollens, sondern schlicht eine Notwendigkeit. Wir werden die vorhandenen Kapazitäten flexibler teilen müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu erhalten.
Das werden wir sicher erst einmal lernen müssen; insofern steht Generation Interim auch für ein neues Mindset. Es spricht doch nichts dagegen, wenn Spezialistinnen und Spezialisten nach einem Projekt zu einem anderen Unternehmen gehen und dort das nächste Problem lösen. Es ist ein bisschen wie beim Carsharing: Autos stehen zu 90 Prozent leer auf dem Parkplatz. Mit zehn Prozent der Fahrzeuge ließe sich theoretisch die Nachfrage an Mobilität befriedigen – wenn die Autos (Kompetenzen) immer dort wären, wo sie gebraucht werden (in den Unternehmen). Übertragen auf die Arbeitswelt bedeutet das: Generation Interim ist ein Modell, das mit deutlich kleinerem Headcount die Bedürfnisse von Unternehmen und Märkten kompetent bedienen kann.
Frage // Unternehmen müssen also umdenken. Gilt das nicht auch für die Menschen und den Staat?
Ferrari // Die Generation Interim spannt sich vom Berufseinsteiger bis zum Rentner. Für viele Studierende ist das Leitbild des Unternehmers heute schon präsenter denn je. Viele Bildungseinrichtungen haben ihr Curriculum angepasst und formen Menschen, die sich bereits in der ersten Phase ihres Berufslebens als Start-up-Unternehmer sehen. Auch zahlreiche Unternehmen
haben das erkannt und fördern den Unternehmer im Unternehmen mit speziell darauf abgestimmten Programmen.
Die Idee der Generation Interim adressiert aber noch viele andere Personengruppen. Ich denke beispielsweise an Arbeitnehmende über 50, die nicht mehr im klassischen Raster der Erwerbstätigkeit landen können oder wollen. Eine andere Personengruppe: Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr arbeiten müssten, ihre Kompetenzen aber gerne noch einbringen möchten. Als Deutsche Interim AG arbeiten wir schon heute daran, diese Gruppen für die Selbstständigkeit zu begeistern und auf dem Weg in die Selbstständigkeit zu begleiten. In diesen Gruppen steckt enormes Potenzial. Um das Potenzial zu heben, stehen wir alle in der Pflicht – auch der Gesetzgeber.
Frage // Warum der Gesetzgeber?
Ferrari // Um den Herausforderungen des Arbeitsmarkts gerecht zu werden, muss die bestehende Regulierung angepasst werden. Das ist meine feste Überzeugung. Ich meine damit nicht, dass die Rechte von Arbeitnehmenden beschnitten werden sollten. Es geht auch nicht darum, den Sozialstaat zu hintergehen. Ich denke da beispielsweise an die Scheinselbstständigkeit. Unternehmen wie Selbstständige schrecken wegen des unzureichenden regulatorischen Rahmens vor dem Einsatz von selbstständig Berufstätigen zurück. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, mit einem einfachen System Klarheit zu schaffen.
Frage // Und was ist Ihre persönliche Agenda in Sachen Generation Interim?
Ferrari // Als CEO der Deutschen Interim AG führe ich ein Unternehmen, das flexible Personallösungen für eine sehr große Anzahl betriebswirtschaftlicher Problemstellungen anbietet. Gerade in dieser Rolle sehe ich die Notwendigkeit, mit neuen Ideen auf den demografischen Wandel zu reagieren – deshalb Generation Interim. Als Unternehmer setze ich mich in diversen Verbänden und auf zahlreichen Events dafür ein, mehr Menschen für Selbstständigkeit und mehr Unternehmen für flexible Personallösungen mit selbstständig Berufstätigen zu begeistern.
Herr Ferrari – vielen Dank für das Gespräch.
Tilo Ferrari ist Gründer und CEO der Deutschen Interim AG. Er besetzt mit seinem Team Interim Projekte mit selbstständigen Fach- und Führungskräften und hilft Unternehmen bei Personal-Engpässen und Transformationsprozessen. Tilo Ferrari ist dem Interim Management seit mehr als 10 Jahren eng verbunden. Seinen Einstieg fand er als Vertriebsleiter bei den Management Angels in Frankfurt und wurde dort später Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma und der darüberliegenden Schweizer Holding Magnalia AG. Von Hause aus ist Tilo Ferrari Diplom-Betriebswirt und Wirtschaftsinformatiker mit einem MBA in International Management von der American Graduate School of International Management. Tilo Ferrari engagiert sich ehrenamtlich als Beirat des Intra-Labs für mehr Intrapreneurschip in der Sozialwirtschaft und in seiner Freizeit schätzt er Ausdauersportarten wie Laufen, Fahrradfahren und Schwimmen.
Die Deutsche Interim AG agiert seit 2019 als unabhängiger Provider für die Vermittlung von Führungskräften im Interim Management und für Projekteinsätze. Zuvor firmierte das Unternehmen erfolgreich als Franchisenehmer der Management Angels. In der Vermittlung von Führungskräften auf Zeit konzentriert sich die Deutsche Interim AG auf die Bereiche Human Resources, Finanzen, Produktion und Digitalisierung – mit folgenden Leistungsversprechen: Kandidatenauswahl in 48 h: Die Deutsche Interim AG ist die kürzeste Verbindung von der Anfrage zur Vermittlung von passenden Fach- und Führungskräften auf Zeit. In der Regel stellen wir spätestens nach 48 Stunden drei passende und verfügbare Kandidatinnen und Kandidaten vor.