Kreuzfahrtschiff in Not! Finanzierer in Not? Interim Experte hilft!
Ein Beitrag von DDIM Interim Manager Arne Wölper und Andreas Lau, Geschäftsführung HANSE Interim Management
Die Lage
Über Jahrzehnte war die Kreuzfahrt eine hochprofitable Branche. Die spezialisierten Werften konnten sich vor Aufträgen kaum retten. Eine Schiffbaufinanzierung galt als ausgesprochen sicher. Mit Corona kam die gesamte Kreuzfahrtindustrie in wenigen Tagen zum kompletten Stillstand. Den Werften brach das gesamte Geschäft weg und ihre Kunden, vormals „Cash Cows“, kamen selbst in Liquiditätsschwierigkeiten. Diese Entwicklungen brachten eine etablierte Werft im Top-End Markt in Liquiditätsschwierigkeiten. Zur Auslieferung eines noch nicht fertiggestellten Schiffes und dem damit verbundenen Cash-In bedurfte es weiterer Unterstützung durch den Bauzeitfinanzierer in deutlich zweistelliger Millionenhöhe. Da eine Insolvenz der Werft nicht auszuschließen war, stellte sich der Finanzierer die Frage, ob die Freigabe weiterer Mittel sinnvoll wäre.
Im Falle einer Insolvenz stellte das Asset „Kreuzfahrtschiff“ die Sicherheit der Finanzierung dar. Ein bereits vorab erstelltes Gutachten testierte dem Schiff eine absolute Alleinstellung im Markt. Vor diesem Hintergrund stellte sich für den Investor die Frage, ob das Schiff auch in einem zusammengebrochenen Markt noch einen Wert darstellt und wie im Falle einer Insolvenz der Werft die Verwertung am günstigsten wäre.
Mehrere Alternativen, von einer Verschrottung bis zur Fertigstellung durch eine andere Werft und anschließende, befristete Vercharterung sollten in Bezug auf Vorgehen, Terminierung, wirtschaftliche Folgen und Bandbreiten geprüft und bewertet werden.
Die Herausforderung für den Interim Experten Kreuzfahrtschiff – eine realistische Lageeinschätzung
Um eine solche anspruchsvolle Aufgabenstellung unter dem gegebenen Zeitdruck zu bewerkstelligen reicht es nicht, wie bereits vorab erfolgt, einen möglichen Verkaufserlös zu pre-Corona-Zeiten über ein Vergleichsschiff zu ermitteln. Folgende Aspekte müssen in eine Bewertung einbezogen und miteinander verknüpft werden:
- Der Schrottwert bzw. die Fertigstellungskosten
- Vorgehen und Kosten einer Vermarktung
- Der Bedarf im B2C Markt dieses vermeintlich einmaligen Schiffes
- Der daraus resultierende, realistische Verkaufspreis
- Die Einschätzung des potenziellen Käufermarktes
Die Ermittlung des Schrottwertes gestaltete sich relativ einfach. Da aber die Werft nicht alle Informationen zu Fertigstellungsgrad, offenen Rechnungen und Abgrenzungen vollständig oder in sich nicht konsistent zur Verfügung stellte, erforderte die Abschätzung der Fertigstellungskosten tiefgehendes Experten-Know-how. Diesbezüglich waren die Erfahrungen des Interim Experten aus anderen maritimen Projekten in den Bereichen Fertigung und Sanierung Gold bzw. Geld wert.
Ohne diese praktischen Erfahrungen wäre es auch unmöglich die Kosten und Zeiträume einer Vermarktung zu ermitteln.
Aus der Summe der o.g. Bewertungen konnten die Kosten bis zu einem möglichen Verkauf ermittelt werden. Zur Risikoermittlung für den Finanzier war es jedoch notwendig diesen Kosten einen möglichen Verkaufserlös gegenüberzustellen.
Die fachkundige Analyse zeigte, dass das Schiff keineswegs so einmalig war, wie vorher angenommen. Es gab bereits verschiedene Anbieter mit ähnlichen Produkten und mehrere Schiffe im Bau, die in dieses Kundensegment passten. Für den Finanzierer hatte dies Vor- und Nachteile: Einerseits gab es offensichtlich einen guten Markt für den Schiffstyp, andererseits auch viel Konkurrenz im Markt. Dies wurde durch entsprechende Bandbreiten in der Bewertung abgebildet.
In Verbindung mit einer detaillierten Betriebskostenkalkulation, basierend auf den langjährigen Erfahrungen aus Mandaten sowie der beruflichen Laufbahn des Interim Experten, ließ sich so eine aus Käufersicht wirtschaftlich sinnvolle Kaufpreisspanne ermitteln. Betriebswirtschaftlich sinnvoll bedeutet aber noch nicht, dass ein interessierter Käufer einen Kauf in deutlich dreistelliger Millionenhöhe auch finanzieren kann. Drei der fünf potenziellen Käufergruppen hatten dank Corona und dem damit verbundenen Stillstand der Kreuzfahrtindustrie über mehr als 12 Monate massive Liquiditätsprobleme. Entsprechend wurde ein Charter-Modell entwickelt, dass die Cash-Situation eines Käufers bei Bedarf entlastet, ohne dem Finanzierer weitere Risiken aufzuerlegen.
Das Ergebnis
Eine Verschrottung erwies sich sehr früh als so nachteilig für den Finanzierer, dass sie verworfen wurde.
Aus den drei weiteren, scheinbar nebeneinanderstehenden Alternativen, wurden ein für den Finanzierer sehr sinnvolles, sequenzielles Vorgehen und eine Vermarktungsstrategie abgeleitet, die die Erfolgsaussichten erheblich erhöhten und mit großer Sicherheit ein für den Finanzierer sehr positives Ergebnis erzielen würden.
Fazit
Der fachkundige Einsatz eines Interim Experten für Werft und Schifffahrt gab dem Kunden schnell und zeitgerecht die notwendige, sichere Basis für weitreichende Finanzentscheidungen.
Die Handlungsempfehlungen zum strategischen Vorgehen im Insolvenzfall stellten die Basis zum Vorgehen im Worst Case dar.
Die Autoren
DDIM Interim Manager Arne Wölper blickt auf 25 Jahre Berufserfahrung als Geschäftsführer, Vice President und Unternehmensbereichsleiter zurück. Der Interim Experte überzeugt vor allem durch seine umfassende theoretische und Praxiserfahrung im Bereich Change Management, speziell Unternehmensentwicklung, M&A sowie PMI. Wölper ist vor allem im Mittelstand in den Schwerpunkten Maritime Industrie & Schifffahrt, Anlagenbau und Industrieservice zu Hause. Seine größte Stärke ist der 360°-Blick auf das Unternehmen. Auf der Basis langjähriger Führungserfahrung agiert er fundiert, direkt und pragmatisch. Sein Erfahrungsportfolio weist u. a. mehrere erfolgreiche Transformationen von der Top-Management-Ebene bis hin zur operativen Ebene auf. Nachhaltige Umsetzungen entscheidet Wölper vor allem in der Praxis.
Andreas Lau ist langjähriger geschäftsführender Partner in der HANSE Consulting Gruppe. Er ist seit Gründung standortübergreifend für die HANSE Interim Management GmbH zuständig und darüber hinaus für den Standort Düsseldorf der HANSE Management Consulting GmbH verantwortlich. Andreas Lau ist als Projektleiter in den Bereichen Restrukturierung, Ertragssteigerung, Interim Management und M&A tätig und verfügt über rund 20 Jahre Erfahrung in der Beratung und 7-jährige Erfahrung im Linienmanagement überwiegend mittelständischer Unternehmen. Er ist zuständig für die Vermittlung von Interim Managern, insbes. CROs, CEOs und CFOs. Er betreut die Interim Management Projekte von der Auswahl über die Vertragsgestaltung bis zum erfolgreichen Abschluss und Begleitung der Mandanten und Interim Manager während der gesamten Projektlaufzeit. Er verfügt über mehrjährige Erfahrung als interimistischer CRO.