Der mit Abstand beste Vertrieb in der Corona-Krise (1/6): Diese 10 Kunden-Fragen sollte der Vertrieb stellen

Ein Beitrag der DDIM.fachgruppe // Vertrieb & Marketing. Autor: Uwe Brüggemann

Die aktuelle Zeit ist für den meisten Kundenunternehmen schwierig. Manche fürchten um die Existenz, viele machen sich Sorgen, wie sie die aktuelle „Zeit“ finanziell überbrücken können. Besonders für den Vertrieb, der oft von der Mobilität seiner Mitarbeiter abhängt, ist diese Zeit eine Herausforderung. Was sind also die wichtigsten Aufgaben vom Vertrieb in der Corona-Krise? Wo sollte der Fokus liegen, um gestärkt wieder aus der Krise zu kommen? Diese Miniserie gibt Anregungen.

Der mit Abstand beste Vertrieb in der Corona-Krise

In dieser Miniserie wollen wir zeigen, welche besondere Herausforderungen auf dem Vertrieb zukommen und wie diese gemeistert werden können.

Diese Miniserie wird angepasst an die aktuelle Situation. Wir hoffen alle das der Vertrieb „mit Abstand“ nur eine kurze Zeit andauert – Ihre jetzigen Aktivitäten können aber entscheidend für die Zukunft Ihres Unternehmens sein.

Miniserie Teil 1: Diese 10 Fragen sollte der Vertrieb in der Corona-Krise stellen

Die Geschäftsführung möchte selbstverständlich, dass ihre Vertriebler den Kontakt mit bestehenden Kunden aufrechterhalten. Die Vertriebsmitarbeiter*innen selbst haben gerade in der Krise die Sorge, dass ihre Anrufe belästigend wirken. Deswegen sollte der Vertriebsleiter ihnen Prozesse und Instrumente geben, wie sie mit den richtigen Fragen den Kunden helfen – und nicht belästigen.

Wie Vertriebler immer noch Kontakt mit den Kunden aufnehmen, ist derzeit der wichtigste Punkt. Oft wollen Menschen in diesen schwierigen Zeiten nicht unbedingt gestört werden. Der Stress mit den Problemen im privaten Umfeld und im beruflichen Alltag ist hoch, die Grenzen durch das Home-Office fließend. Es ist heikel, Menschen in dieser Situation zu kontaktieren. Damit Vertriebsmitarbeiter*innen es doch tun können, müssen ihre Anrufe von den Kunden als sinnvoll empfunden werden.

Wir empfehlen immer gutes Zuhören. Das ist die wichtigste Eigenschaft für den Vertrieb. Wer sich verstanden fühlt, ist eher bereit, den Anruf positiv in Erinnerung zu behalten. Und zum Zuhören gehören einfühlsame Fragen:

Diese 10 Fragen sollte der B2B Vertrieb in der Corona-Krise kennen und stellen.

Frage 1: „Wie geht es Ihrem Geschäft – brandaktuell?“

Diese Frage mag sehr banal erscheinen. Doch stellen Sie sie trotzdem als erste – und geben Sie selbst keine Stichwörter für die Antwort. Denn Sie könnten über die Auskünfte erstaunt sein. Es mag sein, dass alles so ist, wie Sie es erwartet haben. Dem Kunden tut es in diesen Zeiten trotzdem gut, das erzählen zu können.

Es kann aber auch sein, dass einige Antworten Sie überraschen. Vielleicht kaufen momentan – auch im B2B – die Kunden mehr, weil sie Lieferengpässe fürchten. Vielleicht sorgen gerade die veränderten Umstände für unerwartete Nachfrage.

Drei Beispiele:

  • In den noch offenen Baumärktenin Berlin wird für die Jahreszeit untypisch viel Material zum Eigenheim-Renovieren gekauft.
  • Unser Essenslieferant für gefrorene Fertiggerichte: „Wir haben 100% Steigerung in den Auslieferungen. Jeden Tag klemmt es an einer anderen Stelle“.
  • Ein Maschinebau-Kunde: „Aufträge haben wir genug, aber unsere Integratoren (VAR) können unsere Produkte nicht beim Kunden installieren, so dass auch wir zwei Wochen Pause einlegen müssen“.

Allerdings: In den meisten Antworten, die Sie von Ihren Kunden hören, wird wohl eine Herausforderung skizziert. Dies gibt die Möglichkeit nachzufragen:

Frage 2: „Wie verhalten sich Ihre Kunden?“

Merkt man im Vertrieb in der Corona-Krise eine verminderte Nachfrage, Verschiebung oder sind gar Stornierungen von Bestellungen an die Tagesordnung? Vielleicht gibt es da Möglichkeiten, als Lieferant zu helfen (Bsp. siehe unten), ohne selbst in die Bredouille zu kommen.

Außerdem sollte man die nächste Frage dann ins Positive wenden:

Frage 3: „Welche Kunden laufen noch weiter?“

Es kann sein, dass einige Kunden den Lichtblick des Vertriebs darstellen – der eine Schutzkleider-Ausrüster kauft momentan viel, was der Ausfall für andere Berufsbekleidungs-Einkäufe etwas mildert. Solche Lichtblicke können Sie vielleicht zum eigenen Lichtblick machen.

Frage 4: „Wie kann ich Sie bei Ihrem noch laufenden Geschäft unterstützen?“

Es gibt Bereiche, die nach wie vor gut laufen. Und sie würden noch besser laufen, wenn man das Personal finden würde, die Fläche zum richtigen Abstandhalten zur Verfügung hätte oder die richtigen Schutzmaterialien vorrätig hätte.

Ein Beispiel dazu ist der Lebensmittel-Einzelhandel. Diejenigen Supermärkte, die schnell ihre Kassen mit Schutzausrüstungen ausstatten konnten, haben zur erhöhten Motivation bei ihren Mitarbeitern beigetragen. Außerdem haben sie auch einen Schritt gemacht, dass diese durch verminderte Exponierung weniger krank werden.

Vielleicht kennen Sie durch Ihre eigenen Kontakten Lösungen, die Sie anbieten können. Vielleicht haben Sie von anderen Betrieben oder durch Ihre Erfahrung Ideen, die noch nicht durchgespielt wurden. Jede Unterstützung ist momentan für ihren Kunden Gold wert.

Ein Beispiel: Oft stellen Kunden ihre aktuellen Produktlinien jetzt auf neue Serien um und phasen die alte Serie aus. Dies kann Ihr Ansatz für Neuumsatz sein. Dies wirkt nicht kurzfristig, aber bestimmt dann, wenn die neue Serie anläuft. Hier kann es sein, dass Ihr Unternehmen gerade das Richtige ist, weil Sie in der Lage sind, den Kunden lokal zu unterstützen, z.B. wenn Lieferanten außerhalb von Europa nicht mehr liefern können. Schon das Potenzial, eine reibungslose Umstellung über die Bühne zu kriegen, kann für Sie den Zuschlag bedeuten.

Oder: Ein bekannter Konzern hat viele Verwaltungsprozesse offshore verlagert. Aktuell sind aber alle indischen Mitarbeiter im Homeoffice. Notebooks kann der indische Dienstleister seinen Mitarbeiter oft nicht anbieten. Somit müssen viele zeitkritischen Prozesse wieder in der EU abgewickelt werden. Es gibt also neue Chancen für den Vertrieb in der Corona-Krise.

Frage 5: „Sind unsere Logistikprozesse für Sie noch passend?“

Es kann sein, dass ihre Kunden die Produktion umgestellt haben. Einerseits muss man auf die veränderte Nachfrage reagieren. Andererseits müssen die Abstandsregeln eingehalten werden. Vielleicht sind dadurch einige von den bisherigen Standards hinderlich statt hilfreich geworden. Wie ist es zum Beispiel mit den Verpackungsgrößen? Wie ist es mit dem Just-in-Time-Verfahren? Womöglich müssen jetzt oder perspektivisch einige bislang übliche Prozesse adaptiert werden.

Frage 6: „Wie läuft bei Ihnen die Logistik (und können wir Sie dabei unterstützen)?“

Logistik ist momentan eine heikle Aufgabe. Die Fahrer, z.B. aus Polen, fallen zum Teil weg. Einige Transport-Unternehmen haben gar den Betrieb eingestellt. Auch in diesem Bereich hat Ihr Kunde Herausforderungen, weil seine gewohnten Logistikprozessen nicht mehr funktionieren. Vielleicht kann Ihr eigenes Unternehmen helfen – sei es, mit Lagerkapazitäten, sei es, mit guten Kontakten bei einem der bisher nicht beachteten Fracht-Gesellschaften. Gerade jetzt boomt der Schienengüterverkehr: Vielleicht hat Ihr Unternehmen da Erfahrungen, die Sie teilen können.

Frage 7: „Welche Produkte haben Sie Schwierigkeiten zu besorgen?“

Auch Cross-Selling gehört zum Vertrieb in der Corona-Krise. Denn es kann sein, dass die üblichen Lieferanten wegfallen: Wer in seiner Lieferkette Unternehmen aus Norditalien oder Spanien hat, wo die Produktion eingebrochen ist, sieht vielleicht da Engpässe. Es kann sein, dass der Kunde nicht weiß, dass unser Schwesterunternehmen genau diese Produkte erstellen kann. Da sollten wir Nachhilfe geben.

Ein Beispiel: Bei einem von unseren Kunden kann die Produktion trotz Aufträge nicht mehr fertigen, da keine Gewindestangen mehr in Deutschland zu finden sind. Können wir hier helfen?

Frage 8: „Wie können wir beim volatilen Bedarf unterstützen?“

Die Zyklen der Bestellabläufe sind gerade ganz anders. Es wird sich ein Zieh-Harmonika-Effekt in den Lieferketten einstellen. Momentan ist womöglich bei den Kunden unserer Kunden in der Produktion nichts los. Sobald es wieder aufwärts geht, werden sie dann mit gesteigerter Geschwindigkeit produzieren müssen. Doch es kann sein, dass der Kunde sich in unsicheren Zeiten außerstande sieht, eine Bestellung aufzugeben. Möglicherweise kann er jedoch Hinweise geben, welche Bestellungen er in dem Moment aufgeben wird, wenn die Produktion wieder durchstartet. Und dann können Sie genau die Produktsorten und -mengen vorrätig haben, die Ihr Kunde braucht. Vorausgesetzt, Sie haben rechtzeitig die richtige Frage gestellt.

Frage 9: „Was haben Sie vor, längerfristig herunterzufahren?“

Manche Unternehmen nehmen diese Krise wahr, um zukünftig überflüssige Bereiche zu schließen. Auch eine Bereinigung erfolgt oft in der Krise. Denn auch Ihr Kunde wird strategische Entscheidungen treffen, wie es „danach“ weiter geht. Manche Bereiche, die Ihr Kunde die weniger zukunftsträchtig betrachtet, wird das Unternehmen opfern. Dies ist für Ihr eigenes Unternehmen wertvolle Information. Denn auch Ihr Unternehmen muss in der Krise strategisch entscheiden.

Ein bekanntes Beispiel für das langfristige Herunterfahren: Die Lufthansa wird ihre Tochter Germanwings einstellen. Dies hat auch Auswirkungen auf den Mutterkonzern. Stichwort ist hier eine reibungslose Integration bzw. Abwicklung.

Frage 10: „Kann ich sonst irgendetwas für Sie tun?“

Mit dieser letzten Frage signalisieren Sie, dass Ihr Anruf darauf ausgerichtet war, hilfreich zu sein. Sie müssen zeigen, dass Sie in der Krise Ihren Kunden unterstützen möchten.

Und zum Schluss den Standard: Bringen Sie die menschliche Seite ins Spiel, denn auch der härteste Einkäufer oder Ingenieur hat so eine Situation noch nicht erlebt.

Nach der Krise ist dann die Zeit, wo der Kunde Sie positiv in Erinnerung hat und zuerst bei Ihnen anrufen wird.

Bleiben Sie gesund, mit dem mit Abstand bestem Vertrieb.

Weitere Beiträge zu diesem Thema finden Sie hier:

Teil 2 – Den menschlichen Kontakt halten – Zeit für digitale Nähe

Abstand: Das ist im Q2 2020 das Wort der Stunde. Es ist nicht einfach, in Zeiten von Social Distancing den Kontakt aufrechtzuhalten. Doch genau das ist die hohe Kunst des Vertriebs. Jetzt ist also die Zeit für digitale Nähe. Wie das geht, wird im zweiten Artikel der Miniserie erklärt. Link

Teil 3 – Schnelle Digitalisierung – Die Zeit nutzen vor dem zweiten Tsunami

Die Coronakrise forciert eine schnelle Digitalisierung des Geschäftslebens. Rasch werden Prozesse implementiert, die vor Kurzem noch undenkbar waren. Dass mehr digitale Prozessen entstehen, versteht sich von selbst. Doch es geht jetzt darum, proaktiv statt reaktiv zu werden – und die Zeit zu nutzen, bevor die zweite Welle der Krise kommt. Wie realisiert man die Potentiale am besten? Dies wird im dritten Artikel der Miniserie erläutert. Link

Teil 4 – Strategische Entscheidungen treffen – Das Wichtige vom Dringenden unterscheiden

In der Corona-Krise muss in jedem Unternehmen strategische Entscheidungen getroffen werden. Es bedürfen Entscheidungen für das zeitlich nahes Agieren. Was ist aber für die Zeit nach der Krise? Für die Zukunft muss die Unternehmensleitung auch jetzt strategisch denken – und das Wichtige vom Dringenden unterscheiden. Wieso die Krise die beste Zeit für strategische Entscheidungen ist, wird im vierten Artikel der Miniserie klar. Link

Teil 5 – Richtungsänderung für Ihr Unternehmen? – Umstellung des Business Modells meistern

Die Corona-Krise ändert für viele Unternehmen die Geschäftsgrundlage. Die Zeit der strategischen Entscheidungen ist gekommen. Doch wie wird das Business Modell nach der Krise aussehen und wie gelingt die Umstellung des Business Modells? Wir beleuchten einige Aspekte und erklären ein Tool, um Ideen zu generieren und zu begutachten. Link

Über den Autor

Uwe Brüggemann ist Interim Manager, Buchautor und Keynote-Speaker. Zu seinen Stärken zählt die Fokussierung des Vertriebs auf Kundenbedürfnisse. Seit über 20 Jahren im B2B-Management bringt er reellen Mehrwert besonders da, wo neues Denken erforderlich ist: in der digitalen Transformation, bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle oder bei der erfolgreichen Einführung neuer Produkte.

Bei diesen Themen brilliert, überzeugt und begeistert er – immer mit Sales Excellence im Fokus.

Uwe Brüggemann ist seit 2007 DDIM Mitglied, er engagiert sich in der DDIM.fachgruppe // Vertrieb & Marketing und ist Leiter der DDIM.regionalgruppe // Berlin-Brandenburg.

www.bm-experts.de

Über die Fachgruppe

Die DDIM.fachgruppe // Vertrieb & Marketing sieht sich als das Rückgrat der Interim Manager für Vertrieb & Marketing innerhalb der Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e.V.. Das Expertenteam arbeitet inhaltlich an ausgewählten Fragestellungen aus Vertrieb und Marketing. In den Vertriebshygiene-Fachimpulsen werden verschiedene Blickwinkel eingenommen, die den Nutzen des Interim Managements an gezielten Einzelthemen für Vertriebsleiter aufzeigen. Unternehmer werden darüber aufgeklärt und sensibilisiert, welche Potenziale sich mit Interim Managern erschließen lassen.