Aktualisiertes Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes, Berlin, der DRV und der Bundesagentur für Arbeit zur Statusfeststellung von Erwerbstätigen

Ein Beitrag der DDIM Partner Dr. Stefan Krüger und Manuel Schulz // MKRG – Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Am 01.04.2022 erschien ein aktualisiertes Rundschreiben nebst Anlagen des GKV-Spitzen­verbandes, Berlin, der DRV und der Bundesagentur für Arbeit zur Statusfeststellung von Er­werbstätigen. Dieses ist abrufbar unter: https://www.deutsche-rentenversiche­rung.de/DRV/DE/Experten/Arbeitgeber-und-Steuerberater/summa-summarum/Rundschreiben/rundschreiben.html.

Der nachfolgende Artikel bietet allen Interim Managern (m/w/d), Providern und sonstigen mit Interim Management befassten Personen einen Überblick über die wesentlichen Aspekte des Rundschreibens.

Definition der Beschäftigung

Zentrales Thema des Rundschreibens ist die Definition der Beschäftigung, insbesondere deren Kriterien und Relevanz.

§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV definiert die Beschäftigung als nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Für die Einordnung, ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, ist das Gesamt­bild aus den vertraglichen Vereinbarungen und der tatsächlichen Durchführung maßgeblich.

Im Folgenden zeigen wir einzelne Kriterien für die Einordnung im Rahmen der Gesamtabwä­gung auf nebst Kurzanmerkungen der Autoren.

  • Aufsatzpunkt sind zunächst „Arbeitsbedingungen aus der Natur der Sache“, also sol­che, die ihrer Eigenart nach typisch für nichtselbständige Tätigkeiten sind.

Bei diesem Kriterium wird auf die Einzelfallbezogenheit verwiesen und als Beispiel u.a. der „klassische Fabrikarbeiter“ genannt, der überhaupt nicht mit einem Interim Mana­ger vergleichbar ist.

Dieser Punkt hat für das Interim Management kaum Relevanz.

  • Der „individuellen Schutzbedürftigkeit“ soll keinerlei Bedeutung zukommen.

Somit soll der freiberufliche „Pizzabote“ genauso gestellt werden wie ein Top-Interim-Manager, der ein Vielfaches erhält und somit genug, um sich selbst abzusichern und individuell gerade nicht schutzbedürftig ist. U.E. „passt“ diese Erwägung nicht.

  • Ein mögliches, aber keinesfalls maßgebliches Abgrenzungskriterium stelle die Hono­rarhöhe dar. Dies gelte auch bei einem hohen Honorar.

Dementsprechend verbleibt es dabei, dass ein hohes Honorar gemäß Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil vom 31.03.2017 – B 12 R 7/15 R) zwar ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit ist, dem tatsächlich aber von den Sozialversicherungsträgern eine untergeordnete Bedeutung beigemessen wird. Gleichwohl ist es zu berücksichti­gen.

  • Ein weiteres Indiz für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist die arbeitsrecht­liche Beurteilung.

Auch wenn es sich um zwei unterschiedliche Rechtsgebiete handelt, geht es inhaltlich im Wesentlichen um dasselbe. Daher ist es wichtig, auch die arbeitsrechtliche Einord­nung in behördlichen und gerichtlichen Verfahren gut herauszuarbeiten.

  • Das Vorliegen eines Unternehmerrisikos und der Einsatz von eigenem Kapital sollen ein prägendes Merkmal der selbständigen Tätigkeit darstellen.

Dieses Argument „passt“ u.E. nur teilweise. Richtig ist, dass der Selbständige ein Un­ternehmerrisiko tragen muss. Dies tut ein Interim Manager bereits dadurch, dass er auf die Eigen-Akquisition von Projekten angewiesen ist und mit diesen so viel Geld verdie­nen sollte, dass er sich auch in „projektfreien“ Zeiten und im Alter finanzieren kann. Im Übrigen erfolgt eine erhebliche Risikotragung durch den Interim Manager regelmäßig durch kurze Kündigungsfristen in Verträgen und/oder Verdienst des Interim Managers nur im Fall von abgerufenen Tagen.

Hinsichtlich des Kapitaleinsatzes ist zunächst festzuhalten, dass Interim Manager – wie jeder Dienstleister – regelmäßig keinen sehr hohen Kapitaleinsatz benötigen. Es geht regelmäßig um ein Büro nebst Ausstattung, IT, Telefonie, Arbeitsmittel, Literatur/Zugriff auf Datenbanken, Fortbildung, PKW etc. Zudem sind Interim Manager häufig Gesell­schafter einer eigenen Gesellschaft, über die auch die Verträge abgeschlossen wer­den. Auf Maschinen, Einkauf von Waren u.ä. kann bereits denklogisch nicht abgestellt werden.

  • Weitere Indizien sind der Einsatz von eigenem Personal und die dadurch vorhandene Möglichkeit, die Arbeitsleistung nicht höchstpersönlich erbringen zu müssen.

Auch dies sollte vertraglich ermöglicht und – soweit erforderlich – auch umgesetzt wer­den.

  • Im Hinblick auf agile Arbeitsmethoden und Projektarbeit sei maßgebend, ob dadurch die Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation gegeben ist und der Erwerbstätige Weisungen unterliegt, die seine freie Gestaltungsmöglichkeit erheblich einschränken.

Daher ist es an diesem Punkt in praxi sehr wichtig, sowohl vertraglich als auch im tat­sächlichen Bereich „sauber“ zu arbeiten, zumal auch in der sozialgerichtlichen Recht­sprechung Projekttätigkeiten als Indiz gegen eine Scheinselbständigkeit akzeptiert werden.

  • Eine selbständige Tätigkeit könne sich aber auch daraus ergeben, dass für die Tätig­keit eine besondere amtliche Genehmigung oder Zulassung benötigt wird.

Dieser Punkt mag im Einzelfall relevant sein, betrifft aber nicht den „Regelfall“ im Interim Management.

  • Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum Auftraggeber ist im Hinblick auf die Ge­sellschaftsform sowohl für Kapital- als auch Personengesellschaften in der Regel aus­geschlossen. Auch insoweit sei aber der Einzelfall entscheidend.

Insoweit ist vom Grundsatz her zu empfehlen, dass Interim Manager am Markt nicht „persönlich“, sondern über eine Gesellschaft agieren.

Merkmale abhängiger Beschäftigung

Im Folgenden wird auf die – aus Sicht der involvierten Sozialversicherungsträger – entschei­denden Merkmale einer abhängigen Beschäftigung mit einigen Kurzanmerkungen eingegan­gen. Als da sind:

  • Weisungsgebundenheit

Weisungsgebundenheit ist zu vermeiden. Gleiches gilt im Übrigen auch für Weisungs­befugnis gegenüber Arbeitnehmern des Kunden.

  • Eingliederung in den Betrieb

Diese ist ebenfalls zu vermeiden.

  • Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft

Der Interim Manager muss vertraglich und tatsächlich in der Lage sein, hierüber allein zu bestimmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn er in mehreren Projekten gleichzeitig tätig ist.

  • Im Wesentlichen freigestaltete Arbeitstätigkeit

Der Interim Manager muss seine Tätigkeit im Wesentlichen selbst bestimmen können. Dass er dabei im gewissen Umfang auf den Kunden „angewiesen“ ist, versteht sich von selbst. Dies ist aber auch bei einem Handwerker oder Dienstleister wie einem Rechtsanwalt nichts anderes. Ohne Information, was gemacht werden soll und Zu­gangsermöglichung kann kein Handwerker z.B. Sanitärarbeiten vornehmen. Auch ein Rechtsanwalt kommt insbesondere ohne Aufbereitung des Sachverhaltes durch den Mandanten selten weit. Daher ist die Formulierung „im Wesentlichen“ hier u.E. zutref­fend.

  • Eigene Betriebsstätte

Regelmäßig haben Interim Manager ihr eigenes Büro und arbeiten auch teils „remote“ aus diesem, so dass dieser Punkt regelmäßig kein „Thema“ darstellen sollte.

  • Vereinbarung von Urlaub sowie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Diese beiden Punkte verbieten sich in Verträgen von Interim-Managern.

Merkmale selbständiger Tätigkeit

Nachfolgend werden typische Merkmale einer selbständigen Tätigkeit aufgeführt, zu denen wir einige Anmerkungen hinzugefügt haben:

  • Honorar bzw. die Vergütung

Dies liegt regelmäßig über dem „Arbeitslohn“, den Arbeitnehmer des Kunden erhalten.

Durch kurze Kündigungsfristen und häufig Verdienst nur für abgerufenen Tage trägt der Interim Manager ein entsprechendes unternehmerisches Risiko (siehe oben).

  • Einkaufs- und Verkaufspreise

Interim Manager haben regelmäßig keine „Einkaufspreise“, sondern erhalten – wie je­der Dienstleister – Vergütung für von ihnen erbrachte Dienstleistungen.

Regelmäßig haben Interim Manager Preisvorstellungen, die aber im Einzelfall verhan­delt werden (mitunter auch „hart“), und zwar im Hinblick auf Angebot und Nachfrage. Dies gilt insbesondere in Zeiten des „Fachkräftemangels“ als Gesamtproblem der deut­schen Wirtschaft.

  • Warenbezug

Der Warenbezug spielt bei Interim Managern regelmäßig keine Rolle.

  • Einstellung von Personal, der Einsatz von eigenem Personal anstatt der persönli­chen Leistungserbringung (siehe oben),
  • Einsatz von Kapital, Maschinen und sonstiger eigener Betriebsmittel (siehe oben),
  • Zahlungsweisen von Kunden (z.B. sofortige Bezahlung, Stundungsmöglichkeit, Einräu­mung von Rabatten) (siehe oben),
  • Art und Umfang der Kundenakquisition und von Werbemaßnahmen für das eigene Un­ternehmen (z.B. Benutzung eines eigenen Briefkopfs)

Regelmäßig haben Interim Manager ein eigenes Netzwerk, Kontakte über Verbände, Personaldienstleister/Provider und sonstige Mandatszuträger wie Steuerberater, Wirt­schaftsprüfer, Rechtsanwälte und Unternehmensberatungen, über die sie akquirieren.

Zudem erfolgt regelmäßig eigenes Marketing, auch über soziale Netzwerke wie LinkedIn und Xing. Hilfreich ist, wenn Interim Manager eine eigene Website unterhal­ten.

Einzelfallentscheidung

Im Ergebnis handelt es sich stets um eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung sämt­licher Umstände.

Daher ist es wichtig, mit „sauberen“ Verträgen zu arbeiten und sich auch in der tatsächlichen Umsetzung hieran zu halten.

Im Fall von behördlichen und/oder gerichtlichen Verfahren gilt es, den Sachverhalt gründlich aufzuarbeiten, sämtliche Argumente aufzuführen und diese rechtlich zu „unterfüttern“.

Einarbeitung der „neuen“ Regelungen zum Statusfeststellungsverfahren

Insoweit wird auf den DDIM Beitrag von Dr. Stefan Krüger und Nils Möhring verwiesen: Beabsichtigte Änderungen des Statusfeststellungsverfahrens und mögliche Auswirkungen auf das Interim Management, abrufbar unter: https://ddim.de/beabsichtigte-aenderungen-des-statusfeststellungsverfahrens-und-moegliche-auswirkungen-auf-das-interim-management/

Besonderheiten bei GmbH-Geschäftsführern

Für Interim Manager können die Ausführungen zum Fremdgeschäftsführer maßgeblich sein.

Bei Fremdgeschäftsführern, die nicht am Stammkapital der GmbH beteiligt sind, liegt nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich ein abhängiges und damit sozialversicherungspflich­tiges Beschäftigungsverhältnis vor, weil sie den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegen.

Dies ist keine Neuigkeit, sollte aber in praxi auch beachtet werden (vgl. hierzu bereits den DDIM Beitrag von Dr. Stefan Krüger: Der Geschäftsführer und das Thema Scheinselbständig­keit, abrufbar unter: https://ddim.de/der-gmbh-geschaeftsfuehrer-und-das-thema-schein­selbstaendigkeit/; dort auch zu den praktischen Auswirkungen auf das Interim Management).

Abgerundet wird dieser Aspekt durch eine Rechtsprechungsübersicht auf den S. 12 bis S. 56.

Katalog bestimmter Berufsgruppen zur Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäfti­gung und selbständiger Tätigkeit (Anlage 5 des Rundschreibens)

Anlage 5 des Rundschreibens enthält einen Katalog bestimmter Berufsgruppen zur Abgren­zung zwischen abhän­giger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit.

  • Leider findet man dort auch weiterhin keine Ausführungen zum Interim Management.
  • Hinsichtlich der Einordnung von Beratern wird auf die Bereiche der freien Berufe und der IT-Berater/Spezialisten verwiesen.
  • Zu den freien Berufen heißt es:

„Die Bezeichnung freier Mitarbeiter sagt noch nichts über den sozialversicherungs­rechtlichen Status aus und stellt für sich kein Kriterium für die Annahme einer selbstän­digen Tätigkeit dar. Die Beurteilung ist im Wege der Gesamtbetrachtung vorzuneh­men.“

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die allgemeinen Ausführungen gelten und sich allein aus der Bezeichnung „freier Mitarbeiter“ nichts zum tatsächlichen Status herleiten lässt.

  • Auf den Bereich der IT-Berater/Spezialisten wird auf ca. drei Seiten eingegangen, ins­besondere im Hinblick auf die Projektausgestaltung.

Am Ende bleibt es allerdings auch hier dabei, dass es bei einer Einzelfallentscheidung auf die konkrete Abwägung der oben dargestellten Abgrenzungskriterien ankommt.

Fazit

In dem Rundschreiben werden im Wesentlichen die bereits bekannten Punkte zum Thema Scheinselbstständigkeit aus Sicht der beteiligten Sozialversicherungsträger zusammenge­fasst. „Neu“ ist die Einarbeitung der teils neugefassten Regelungen zum Statusfeststellungs­verfahren.

Das Rundschreiben bietet einen guten Überblick über die Sichtweise der beteiligten Sozialver­sicherungsträger, auf die man sich einstellen sollte. Daher ist seine Lektüre allen mit Interim Management befassten Personen zu empfehlen.

Es zeigt zugleich, dass es bei der Beurteilung der Beschäftigung stets auf den Einzelfall an­kommt. Ein jeder tut gut daran, sich hier an die entsprechenden „Regeln“ zu halten, und zwar vertraglich als auch tatsächlich.

Dass es bei der Bewertung des Einzelfalls zu unterschiedlichen Ansichten kommen kann, liegt in der Natur der Sache. Hier muss die Einwertung durch die Sozialversicherungsträger nicht zwingend die „Wahrheit“ sein. Mitunter lohnt sich eine gründliche Aufbereitung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, vor und während behördlichen Verfahren, aber im „Fall des Falles“ auch in gerichtlichen Verfahren.

Dr. Stefan Krüger ist Partner der Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (MKRG) in Düsseldorf. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind die Sanierungsberatung, Insolvenz-, Gesellschafts-, Arbeits- und Finanzierungsrecht, insbesondere Factoring und Leasing. Dr. Krüger berät zudem in allen Fragen rund um das Interim Management. Er publiziert und referiert regelmäßig zu diesen Themen.

Manuel Schulz ist Rechtsanwalt bei der Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und in den Bereichen Corporate & Entrepreneurship sowie Banking & Finance tätig. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind die Beratung von Gesellschaften, Gesellschaftern und Geschäftsführern sowie alle Rechtsfragen rund um das Interim Management und das Finanzierungsrecht, insbesondere Factoring. Neben der Vertragsgestaltung vertritt Herr Schulz die Interessen seiner Mandanten bei gerichtlichen sowie außergerichtlichen Rechtsstreitigkeiten. Zudem berät er in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts.

Die Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (MKRG) ist eine unabhängige Wirtschaftskanzlei. Von dem Düsseldorfer Standort aus berät die MKRG nationale und internationale Unternehmen, Unternehmer sowie die öffentliche Hand bei allen wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen. Die Rechtsanwälte der MKRG bieten eine sachorientierte juristische und wirtschaftliche Beratung. Ziel ist es, die für den Mandanten beste Lösung und Strategie zu finden und umzusetzen. Die MKRG versteht die Rechtsberatung nicht als Selbstzweck, sondern orientiert sich an ihren wirtschaftlichen Zielen. Die Rechtsanwälte zeigen eine hohe zeitliche Präsenz und ein großes Engagement. Im Bedarfsfall sind sie für Mandanten ständig erreichbar. Dies ist Zeichen der starken Identifikation mit dem Mandat bzw. dem Projekt.