Ehrbarer Interim Manager und ehrbarer Auftraggeber | Teil 2 – Ethical Due Diligence in Recruitment

Ein Beitrag von Rudolf X. Ruter // Experte für Corporate Governance

Ethical Due Diligence in Recruitment

Das Institute für Business Ethics in London hat 2010 ein Business Ethics Briefing mit dem Thema ‚Ethical Due Diligence in Recruitment’ herausgegeben mit zahlreichen Anleitungen und Praxisbeispielen. Es soll während des Einstellungsprozesses mit hoher Wahrscheinlichkeit sichergestellt werden, dass der Kandidat die vorhandenen Unternehmenswerte verstärkt und unterstützt und als positives Beispiel diese Werte weiterentwickelt. Damit keine durch den Interims Manager getätigten Geschäfte und Handlungen die Werte-Orientierung des Unternehmens untergraben oder sogar die Reputation gefährden.

Wie erkennt der Auftraggeber einen ehrbaren Interim Manger? Hilfreich können spezifische Fragen des potenziellen Auftraggebers sein. Die Antworten der zukünftigen (Interim-) Führungskraft u. a. in den folgenden ethischen Bereichen sollten dann ausführlich besprochen werden:

  • Nationale und internationale Steuervermeidungspraktiken (z.B. Steuer-Oasen wie Holland etc.)
  • Diskriminierung von Beschäftigten (z.B. Gender, Kultur, Alter)
  • Bestechung und Korruptionspraktiken (z.B. in Vertriebsländern mit anderen Kulturen)
  • Mut zum Ansprechen von „Negativ-Ereignissen“ und unternehmerischen Falschentwicklungen (z.B. keine Desinformationen)
  • Faire und transparente Preisgestaltung für Produkte und Leistungen (z.B. access to medicine, Tarifwirrwarr, Provisionsschinderei)
  • Verschwiegenheits- und Vertraulichkeits-Maßstäbe (z.B. „Durchstechen von Informationen“)
  • Belastungsgrad der Mitarbeiter (z.B. work-life-balance, Handy-Erreichbarkeit im Urlaub)
  • Behandlung der Lieferanten (z.B. Pricing) und Wissen über die Lieferanten (z.B. Bangladesch)
  • Akzeptierung und Unterstützung eines Compliance- und Integritätsmanagements.

In einem Projekt „Ethical Leadership Assessment“ der gemeinnützigen Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik, das die Relevanz ethischer Kriterien bei der Rekrutierung von Führungskräften untersucht und nach der Eignung einer werteorientierten Personalauswahl und -entwicklung als ein Instrument der Unternehmenssteuerung fragt, hat ergeben, dass ein Ethical Leadership Assessment ohne eine verankerte Unternehmenskultur mit Sicherheit nicht funktionieren wird.

Wie kann sich der ehrbare Auftraggeber vorbereiten?

Einen ehrbaren Menschen erkennt man am besten mit dem Grundsatz „Look more in the eyes than in the files“. Natürlich sind Referenzen und schriftliche Unterlagen und Angaben zur Person Bestandteil jeder Interview Vorbereitung. Eine Mithilfe durch erfahrene Personaldienstleister mit ihren unterschiedlichen profunden und in der Praxis bewährten Systemen und Techniken zum Treffen einer ersten Vorauswahl von möglicherweise geeigneten Kandidaten ist immer zu empfehlen. Die umfangreiche Erfahrung von auf das Suchen und Finden von geeigneten Interim Managern fokussierten Personaldienstleistern ist nicht zu unterschätzen.

Weitere finale Informationen und Einstellungen zur Beauftragung müssen aber immer mit Hilfe eines persönlichen und ausführlichen Gesprächs des Auftraggebers mit dem Kandidaten gewonnen werden. Hierbei sollte der Auftraggeber das eigene Bauchgefühl und das eigene „emotionale Radarsystem“ zur Grundlage seiner finalen Entscheidung machen. „Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“ wusste schon Antoine de Saint-Exupéry.

Aber mit welchen Fragen kann der Interviewer erreichen, dass der Kandidat ‚vertrauensvoll’ und ‚offen’ von sich selbst erzählt und es erlaubt, einen ‚Blick in seine Seele’ zu werfen? Wie kann der ehrbare Auftraggeber erkennen, dass gesprochene Worte nicht soziale Erwünschtheit sind, sondern tatsächlich verinnerlichten Werte und Tugenden des Kandidaten?

Letztendlich landen wir dann immer wieder bei den ‚bewährten, offenen W-Fragen’ wie zum Beispiel

  • Welche Tugenden sind Ihnen besonders wichtig?
  • Welche Probleme hatten Sie als Sie erfuhren, dass …
  • Wann haben Sie zum letzten Mal einen ‚Business Ethics Course“ besucht?
  • Wie können Sie mit Hilfe eines konkreten Beispiels Ihre wichtigsten Werte beschreiben?
  • Was ist für Sie eine angemessene Steuerquote?
  • Wann haben Sie sich zum letzten Mal gegen eine Diskriminierung von Beschäftigten eingesetzt?

Allerdings muss sich der Interviewer immer daran erinnern, dass manche Menschen solche werte-orientieren Gespräche noch gar nicht geführt haben und demzufolge bei den Antworten unsicher wirken. Vielleicht sogar versuchen, die soziale Erwünschtheit des Fragenden vorwegzunehmen. Es wird daher mit einem evtl. noch aus der Hektik und unter Zeitnot geführten Gespräch nicht möglich sein, auf ‚Augenhöhe’ sich dem wahren ‚Wertekern’ zu nähern.

Wie kann sich der ehrbare Interim Manager vorbereiten?

Interim Manager sind meist erfolgreiche und „gestandene“ Persönlichkeiten mit einem großen Wissens- und Erfahrungsschatz. Wichtig ist aber nicht, was der Interim Manager früher erfahren und ertragen musste, sondern welche Werte er heute lebt und praktiziert. Wie kann er dies aber in noch so ausführlichen, aber trotzdem zeitlich sehr begrenzten „Einstellungs- oder Beauftragungsgesprächen“ seinem potenziellen Auftraggeber vermitteln? Wie weist er seine „Ehrbarkeit“ nach? Wie erscheint er seinem Interviewer gegenüber auf Augenhöhe sympathisch und gleichwertig‘?

Auf alle Fälle durch Kenntnis der veröffentlichten Unternehmenswerte des Auftraggebers und eventueller „Negativ-Abweichungen“ des möglichen Auftraggebers in der Vergangenheit. Nur so kann er einen Abgleich mit seiner eigenen Wertorientierung vornehmen. Durch sein klares Bekenntnis zur persönlichen Haftung für Pflichtverletzungen im Rahmen seiner Verantwortung und seines Handeln und jederzeitigen Bereitschaft, sich beurteilen und evaluieren zu lassen.

Konkret bedeutet dies

  • Überprüfung ob die Angaben im eigenen Lebenslauf ausreichend die eigene Wertorientierung und Einstellungen widerspiegeln
  • Ergänzung der Referenzen und beigefügten Unterlagen und Nachweise zur Verdeutlichung, dass diese Werte auch gelebt wurden bzw. werden
  • Erweiterung der eigenen Homepage um diese Unterlagen und Nachweise; möglicherweise mit Schilderung einer spezifischen Situation, wo die eigene Integrität und Reputation evtl. gefährdet war
  • Herausarbeitung, warum ich als Interim Manager mich von der Masse und von anderen Kandidaten unterscheide
  • Verweise auf akzeptierte „Werte-Kanons“ wie z.B. DDIM-Ehrenkodex
  • Angabe von Mitgliedschaften in entsprechende Vereinigung wie ‚Deutsches Netzwerk Wirtschaftsethik’, ‚Ethics in Business’‚Versammlung eines ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg’
  • Anwendung sonstiger ‚Emotionales’ (Grafiken, Fotos, Geschichten, Texte), die das Bauchgefühl und die emotionale Entscheidungsebene des Auftraggebers positiv und sympathisch beeinflussen.

Auf alle Fälle sollten die Antworten von der eigenen Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit geleitet sein. Die ‚Vorspiegelung falscher Tatsachen und Einstellungen’ sind nur Rollentheater und werden in der Regel schnell entlarvt und sind kein Zeichen von Ehrbarkeit und Selbstvertrauen. „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten“.

Die vorstehenden Gedanken sind dem im Juni 2015 erschienen Buch „Tugenden eines ehrbaren Aufsichtsrats“ aus dem Erich Schmidt Verlag entnommen.

Rudolf X. Ruter, ist Wirtschaftswissenschaftler, Autor, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Finanzexperte im Sinne des AktG und Unternehmensberater und gilt als einer der anerkanntesten Fachexperten für das Thema Corporate Governance in Deutschland. Er ist derzeit u. a. Mitglied der Expertenkommission des Deutschen Public Corporate Governance – Musterkodex und Mitglied des Beirats Financial Experts Association e.V. (Berufsverband für Aufsichtsräte), der Beiräte Baden-Württemberg und Mitglied der Deutschen Digitalen Beiräte. Er hat zahlreiche Publikationen u. a. zum Thema Nachhaltigkeit, Corporate Governance, Compliance, Aufsichtsrat/Beiräte und Unternehmensführung veröffentlicht und moderiert den zweiwöchigen Livestream / Video / Podcast „Aufsichtsrats-Talk“ bei Directors Academy.

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