Das Gewerberaummietrecht in der COVID-19-Pandemie

Ein Beitrag von Dr. Daniel W. Hornschuh, Partner der Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Zu der am 12. Januar 2022 veröffentlichten Entscheidung des Bundesgerichtshofes bezüglich der Auswirkungen auf die Mietzahlungspflicht nach behördlicher Schließungsanordnung zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie.

Sachverhalt

Der BGH hatte über einen Fall des OLG Dresden zu entscheiden, in dem der Vermieter vom Mieter, Betreiber einer Einzelhandelskette für Textilien aller Art, sowie Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs, Mieten für den Monat April 2020 begehrte.

Das OLG Dresden hatte einen Mangel der Mietsache und damit einhergehende Minderung der Miete abgelehnt, kam jedoch im Rahmen einer Anpassung der Miete aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage (§  313 BGB) zu einer Absenkung der Miete um 50 %. Zur Begründung führte das OLG Dresden aus, die mit der pandemiebedingten Geschäftsschließung verbundenen Belastungen seien gleichmäßig auf beide Mietvertragsparteien zu verteilen, weil keine der Parteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt habe. Die gegen dieses Urteil eingelegten Revisionen sind begründet.

Entscheidung

Entsprechend der überwiegenden Rechtsauffassungen der Instanzgerichte hat der BGH zunächst klargestellt, dass es sich bei der pandemiebedingten Schließungsanordnung nicht um einen Mangel der Mietsache im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB handelt, der zur Minderung der Miete berechtigt. Auch wird dem Vermieter die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nicht ganz oder teilweise unmöglich, was den Mieter wiederum von der Mietzahlungspflicht befreien würde.

Nach der Entscheidung des BGH kann im Falle einer pandemiebedingten Schließungsanordnung allerdings ein Anspruch auf Anpassung der Miete nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB in Betracht kommen, was jedoch nicht automatisch zu einer Herabsetzung um 50 % führt, sondern stets einer umfassenden Betrachtung und Würdigung des Einzelfalles bedarf.

Entscheidende Kriterien für die Frage einer Anpassung der Miete sind nach der Entscheidung des BGH die Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag, die der Mieter darzulegen und zu beweisen hat. Hierzu sind neben der Darlegung von konkreten Umsatzeinbußen, wobei nur auf das konkrete Mietobjekt, nicht auf einen möglichen Konzernumsatz abzustellen ist, auch finanzielle Vorteile zu berücksichtigen. Bei derartigen finanziellen Vorteilen können neben staatlichen Hilfen auch Leistungen einer einstandspflichtigen Betriebsversicherung des Mieters zu berücksichtigen sein. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die nur auf Basis eines Darlehens gewährt wurden, bleiben hingegen bei der gebotenen Abwägung außer Betracht, weil der Mieter durch sie keine endgültige Kompensation der erlittenen Umsatzeinbußen erreicht. Beruft der Mieter sich darauf, keine staatlichen Hilfen erlangt zu haben, hat er gegebenenfalls zu beweisen, dass er sich hierum vergeblich bemüht hat. Gelingt ihm das nicht, muss er sich so behandeln lassen, als hätte er staatliche Unterstützungsleistungen erhalten. Wendet der Vermieter ein, dass die vom Mieter behaupteten Verluste nicht auf der COVID-19-Pandemie beruhen, trifft ihn hierfür die Darlegungs- und Beweislast.

Ausblick

Die mit Spannung erwartete, höchstrichterliche Entscheidung liefert kaum neue Erkenntnisse, gibt aber eine grobe Richtung für Mietanpassungen bei staatlichen Schließungsanordnungen vor. Die von dem BGH statuierten Vorgaben zum erforderlichen Prozessvortrag und die damit verbundenen Hürden werden viele Mieter schon vor gewisse Herausforderungen stellen. Unbeantwortet bleibt allerdings insbesondere die Frage, wie die jeweiligen Interessen der Parteien bei einer möglichen Mietanpassung im Einzelnen zu gewichten sind. Die von vielen erhoffte „echte“ Rechtssicherheit liefert der BGH mithin nicht.

In der weiteren Beratungspraxis werden sich etwaige einvernehmliche Lösungen nunmehr zwar vermehrt an den groben Leitlinien des BGH orientieren können; die Einzelheiten bleiben aber weiterhin einer abschließenden rechtlichen Beurteilung und kaufmännischen Bewertung vorbehalten.

Warum ist das bedeutsam für Interim Manager?

Für Interim Manager gilt es, dies in der Praxis zu beachten, insbesondere bei der Beratung von Filialisten. Dies dürfte sowohl Altfälle als auch neue Fälle betreffen.

Zudem enthält das Urteil bemerkenswerte allgemeine Ausführungen zur Störung der Geschäftsgrundlage, die auch für andere Bereiche des Wirtschaftslebens von Relevanz sein könnten. Dies könnte insbesondere teilweise exorbitante Kostensteigerungen im Einkauf, aber auch die teils massiv gestiegenen Logistikkosten betreffen. Muss allein eine Partei teils Kostensteigerungen in Höhe von mehreren 100 Prozent sowie hiermit etwaig einhergehende Verluste tragen und deshalb ggf. Insolvenz anmelden müssen? Hier bleibt mit Spannung und einzelfallbezogen abzuwarten, wo auch auf Basis der getroffenen Vereinbarungen jeweils die Grenze zwischen dem althergebrachten Grundsatz „pacta sunt servanda“ und einer jedenfalls teilweisen Möglichkeit der gemeinschaftlichen, auch finanziellen Verantwortung der Vertragsparteien für Derartiges zu ziehen ist.

Der Autor:


Rechtsanwalt Dr. Hornschuh ist Partner bei MKRG und befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Gebiet des privaten Baurechts und der Beratung von nationalen und internationalen Unternehmen in immobilienrechtlichen Fragestellungen.

Herr Dr. Hornschuh konzentriert sich bei der Rechtsberatung auf die Entwicklung von praxistauglichen Lösungen. Sollten außergerichtliche Lösungsansätze nicht zum Erfolg führen, ist er in der Lage, die Position seiner Mandanten auch gerichtlich erfolgreich durchzusetzen. Darüber hinaus ist er als Parteivertreter im Rahmen von Alternative-Dispute-Resolution-Verfahren tätig.

Herr Dr. Hornschuh kam im März 2013 als Associate zu MKRG. Zuvor sammelte er Auslandserfahrung in einem südafrikanischen Notariat.