Das Gewerberaummietrecht in der COVID-19-Pandemie

Ein Beitrag von RA Dr. Daniel W. Hornschuh, Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Zu dem „Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrechts sowie im Miet- und Pachtrecht“, das am 31. Dezember 2020 in Kraft getreten ist.

Kernaussage des Gesetzes für Mieter und Pächter

Der Gesetzgeber demonstriert weiter seine Handlungsfähigkeit in der Krise: Nachdem der Bundestag im März 2020 zunächst das Gesetz zur Beschränkung der Kündigung vom Miet- und Darlehensverträgen wegen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf den Weg brachte, hat er fast unbemerkt und etwas versteckt kurz vor Weihnachten 2020 auch noch den etwas sperrig formulierten „Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrechts sowie im Miet- und Pachtrecht“ (BT-Drucks. 19/21981 und 19/22773, mit den Beschlüssen des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz BT-Drucks. 19/25251) durchgewunken.

Aus immobilienrechtlicher Sicht soll das Gesetz die Position der gewerblichen Mieter/Pächter stärken, die anlässlich der staatlichen Beschränkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie besonders betroffen sind. Die Auswirkungen sollen ausdrücklich nicht mehr nur noch von den Mietern/Pächtern geschultert werden, sondern auch zulasten der Vermieter gehen. Das Gesetz enthält in dem Zusammenhang die Regelung, dass die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage in der besonderen Situation der COVID-19-Pandemie – anders als bisher in Rechtsprechung und Literatur mehrheitlich vertreten – grundsätzlich anwendbar sind (vgl. Art. 10 des Gesetzes). Der zu Beginn der Pandemie im März 2020 durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie eingefügten Art. 240 EGBGB wird dazu um den neuen § 7 ergänzt indem es heißt:

„(1) Sind vermietete Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend geändert hat.

(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.“

Führen staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie also zu erheblichen Einschränkungen des Betriebes des gewerblichen Mieters/Pächters, so vermutet das Gesetz darin künftig einen Umstand, der zu einer Anpassung des Miet-/ Pachtvertrages aufgrund der Störung der Geschäftsgrundlage führen kann (§ 313 BGB).

Dies zieht jedoch nicht per se die Rechtsfolge der Vertragsanpassung nach sich. Die gesetzliche Vermutung gilt nur für das Tatbestandsmerkmal des § 313 Absatz 1 BGB, dass sich ein Umstand, der zur Grundlage des Mietvertrages bzw. Pachtvertrages geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 313 Absatz 1 BGB, also (1) die Hypothese, dass bei Kenntnis dieser Veränderung die Vertragsparteien den Vertrag nicht oder nicht so geschlossen hätten (hypothetisches Element) und (2) einer Partei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (normatives Element), bleiben unberührt; Im Streitfall ist ihr Vorliegen also durch die Partei, die sich auf die Regelung beruft, darzulegen und zu beweisen.

Bisherige Rechtsprechung betont Einzelfallbezogenheit

Der Gesetzgeber hat sich zu dieser klarstellenden Regelung veranlasst gesehen, nachdem ein großer Teil der Rechtsprechung die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage in Bezug auf die COVID-19-Pandemie für nicht anwendbar erachtet hatte.

Es ist mit Spannung zu erwarten, wie die Gerichte mit der neuen Gesetzeslage umgehen werden.

Das Landgericht München I (LG München I, Urteil vom 12. Februar 2021, Az. 31 O 11516) hatte erst kürzlich über die Anpassung der Miete der Modehauskette C&A wegen Einschränkungen deren (Einzelhandel-) Betriebes als Folge von COVID-19-Maßnahmen während der ersten Corona-Welle zu entscheiden und wendete das hier vorgestellte Gesetz bereits an.

Das Gericht hält die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB für anwendbar. Gleichzeitig wird aus dem Urteil deutlich, dass die Entscheidung, ob und inwiefern ein Mietvertrag an die veränderten Umstände anzupassen ist, für jeden Einzelfall isoliert zu betrachten ist, mithin eine Einzelfallentscheidung darstellt.

Andererseits lässt das Landgericht München I durchblicken, dass es die Verteilung des Risikos der Pandemie zwischen Vermieter und Mieter im Ausgangspunkt mit einer Quote von 50:50 bewertet. Begründet wird diese Verteilung damit, dass das wirtschaftliche Risiko der Nutzbarkeit grundsätzlich beide Parteien trifft. Denn „der Mieter kann nicht oder nur sehr eingeschränkt Gewinn erzielen, der Vermieter wird die Mietsache kaum zum vertraglich vereinbarten Mietpreis an jemand Dritten vermieten können. Eine bloße Stundung ist nicht angemessen, vielmehr bedarf es einer Aufteilung des Verlustes über die Risikotragung.

Erst im nächsten Schritt bedarf es der Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles, so dass sich das im Ausgangspunkt mit 50:50 angesetzte Risiko sowohl in die eine oder die andere Richtung verschieben kann. Zu den zu berücksichtigenden Umständen können beispielsweise zählen: anderweitige Verwendbarkeit der Mietsache durch den Mieter; zwischenzeitliche Umbauarbeiten während der Pandemiemaßnahmen durch den Mieter; Umsatzerlöse aus dem Handel über das Internet; Größe und wirtschaftliche Stärke des Mieters auf dem Markt; Erhalt von Kompensationsleistungen, Bildung von Rücklagen von Mieter oder Vermieter usw. Im Ergebnis ging diese Abwägung zulasten von C&A aus, so dass das Modekaufhaus die einbehaltene Miete für eine Filiale in der Münchner Innenstadt nachzahlen musste.

Prozessuale Beschleunigung vorgesehen

In prozessualer Hinsicht hat der Gesetzgeber flankierend noch ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot für Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke und Räume eingefügt, um den von staatlichen Maßnahmen betroffenen Mietern/Pächtern schnell Rechtssicherheit zu verschaffen. Mit Artikel 1 des Gesetztes wurde demgemäß folgende neue Regelung als § 44 EGZPO eingefügt:

„§ 44 Vorrang- und Beschleunigungsgebot

(1) Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie sind vorrangig und beschleunigt zu behandeln.

(2) Im Verfahren nach Absatz 1 soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.“

Das Beschleunigungsgebot soll auch für solche Rechtsstreitigkeiten gelten, in denen Mieter/ Pächter die Anpassung der Miete/Pacht als Einrede gegen die Zahlungsklage des Vermieters/Verpächters erheben oder andere Anspruchsgrundlagen wie etwa die Mietminderung für die Anpassung der Miete im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie herangezogen werden. In diesen Verfahren soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden und es sollen auch während des Prozesses grundsätzlich enge Fristsetzungen erfolgen.

Die Vermutungsregelung und das Beschleunigungsgebot traten am 31. Dezember in Kraft (vgl. Art. 14 Abs. 2 des Gesetzes). Wichtig: Die Vermutungsregelung gilt ausweislich der Gesetzesbegründung ausdrücklich auch für vergangene Sachverhalte aus der „ersten Welle“ der Pandemie, die noch nicht durch Urteil entschieden oder individualvertragliche Vereinbarung geregelt worden sind.

Die Vermutungsregelung tritt mit Ablauf des 30. September 2022 wieder außer Kraft. Dies folgt aus Artikel 6 Absatz 6 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (BGBl. I, S. 569), nach dem Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche befristet bis zum Ablauf des 30. September 2022 gilt.

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