Rolf Schmiel im DDIM Interview: Schlechte Führungskräfte sind wie schlechte Liebhaber!

Ein Interview mit Rolf Schmiel, Keynote Speaker beim DDIM.kongress // 2024

TV-Psychologe und Keynote Speaker Rolf Schmiel zeigt im exklusiven Interview beim DDIM.kongress // 2024, warum schlechte Führungskräfte wie schlechte Liebhaber sind. Er beleuchtet die Bedeutung von Humor, psychischer Stabilität und Beziehungsmanagement für Interim Manager und Führungskräfte. Schmiel gibt Einblicke in psychologische Strategien, die nicht nur Vertrauen fördern, sondern auch langfristig den Unternehmenserfolg sichern können. Dabei wird deutlich, warum emotionale Intelligenz in einer zunehmend digitalisierten Welt ein unverzichtbarer Erfolgsfaktor ist.

Herr Schmiel, wie oft haben Sie heute schon gelacht? Das soll ja gesund sein.

Absolut, ich lache viel – sowohl im Berufsalltag als auch zuhause. Mit meinem 15-jährigen Sohn und unserem Hund gibt es immer wieder Momente, die uns zum Lachen bringen. Meine Grundeinstellung ist positiv und optimistisch. Und auch wenn es nicht immer ein schallendes Lachen ist, habe ich oft ein entspanntes Lächeln im Gesicht. Heute gab es schon einige schöne Situationen, die mir Freude bereitet haben.

Glauben Sie, dass Führungskräfte mit hohem Leistungsdruck zu wenig lachen – und welche Gefahr sehen Sie darin?

Ja, das glaube ich tatsächlich. In meiner Arbeit führe ich regelmäßig Arbeitsplatzanalysen durch und habe festgestellt, dass ich oft allein durch die Atmosphäre in den Büros bereits abschätzen kann, wie es um Krankenstand und Fluktuation im Unternehmen oder in einzelnen Abteilungen steht. In Bereichen, in denen wenig gelacht wird, herrscht häufig auch eine geringe Arbeitszufriedenheit. Und die Bereitschaft, sich krankschreiben zu lassen oder das Unternehmen zu verlassen, ist höher. Gute Laune mag nicht immer direkt auf hohe Leistung hinweisen, ist aber ein verlässlicher Indikator für Zufriedenheit am Arbeitsplatz.

Auch Interim Manger müssen im Mandat in kurzer Zeit eine enorme Performance abliefern. Was können sie tun, um psychisch stabil zu bleiben?

In der Psychologie gibt es das Konzept der sogenannten „Gegenwelt“: Um in einem Bereich leistungsfähig zu sein, ist es entscheidend, in einem anderen Bereich aufzutanken – und zwar auf eine Weise, die frei von Leistungsdruck ist. Wer im Job vor allem geistig gefordert ist, sollte in der Freizeit körperlich aktiv werden, aber ohne zusätzlichen Druck. Es ist wichtig, dass diese Aktivität entspannend wirkt. Wenn ein Interim Manager seine Freizeit mit intensivem Leistungssport verbringt, etwa mit der Vorbereitung auf einen Marathon oder Triathlon, schadet das der Seele eher.

Was wäre besser?

Zum Beispiel regelmäßig schwimmen gehen – einfach aus Freude an der Bewegung. Das hilft, den mentalen Druck durch körperliche Aktivität auf entspannte Weise auszugleichen.

Stichpunkt Führung: Was verstehen Sie unter Beziehungsmanagement?

Das bedeutet, den Fokus auf die zwischenmenschliche Ebene zu legen. Im digitalen Zeitalter wird das reine Prozess- und Zahlenmanagement zunehmend von KI übernommen, da KI zahlenbasierte Prozesse effizienter und präziser ausführen kann. Alles, was jedoch auf menschlichen Beziehungen basiert, bleibt in den nächsten 10 bis 15 Jahren in unserer Verantwortung. Dazu gehört auch, die Informationsflut sinnvoll zu kanalisieren und auf die Bedürfnisse der Menschen einzugehen. Ein zukunftsorientierter Manager sollte daher kontinuierlich an seiner sozialen und emotionalen Intelligenz – zusammengefasst nenne ich das „psychologische Intelligenz“ – arbeiten.

Kann ein zu starker Fokus auf Beziehungsmanagement nicht dazu führen, dass Führungskräfte objektive Kritik übersehen und sich zu stark auf loyale Beziehungen verlassen?

Verwechseln Sie das nicht mit „Klüngelei“. Ein starker Fokus auf Beziehungsmanagement bedeutet nicht, dass objektive Kriterien vernachlässigt werden. Es geht vielmehr darum, Performance und andere messbare Faktoren ebenso zu berücksichtigen und gleichzeitig den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Wer ausschließlich nach Zahlen, Daten und Fakten führt und die individuellen Bedürfnisse der Menschen vernachlässigt, wird langfristig weniger Leistung aus seinem Team herausholen als Führungskräfte, die auch emotionale Aspekte berücksichtigen. Dissoziale Führung hat ausgedient und wird in Zukunft kaum bestehen können. Die Digitalisierung hat den Führungsalltag transparenter gemacht – cholerisches Verhalten oder Wutausbrüche sind nicht mehr tragbar, da sie schnell gefilmt und öffentlich gemacht werden können.

Beziehungsmanagement setzt Vertrauen und Offenheit voraus. Wie sollte eine Führungskraft vorgehen, wenn Mitarbeitende diese Offenheit nicht erwidern? Kann dieser Führungsstil dann trotzdem erfolgreich sein?

Die meisten männlichen Führungskräfte verhalten sich wie schlechte Liebhaber: Sie denken, es kommt auf die körperliche Technik an und verstehen nicht den psychologischen Moment. Führungskräfte müssen sich zunächst Zeit für die Menschen nehmen, damit sie sich wirklich wahrgenommen fühlen. In meinen Seminaren vermittle ich Gesprächsstrategien, die Führungskräften helfen, auch in schwierigen Momenten – wie bei einem persönlichen Verlust der Mitarbeitenden – echte Unterstützung zu bieten. Ein entscheidender Faktor ist hier die Zeit. Alles, was „zwischen Tür und Angel“ geschieht, wirkt oft oberflächlich und wenig vertrauensbildend. Wirkliches Interesse am Menschen, nicht nur an seinen Leistungen, ist notwendig, um ein vertrauensvolles Arbeitsumfeld zu schaffen.

Eine Studie von Deloitte zeigt, dass jeder Euro, der ins Beziehungsmanagement investiert wird, sich fünffach auszahlt – das spricht deutlich für die langfristigen Vorteile auf Beziehungsaufbau bedachten Führungsstils. Mein Rat ist daher: Seien Sie präsent, ansprechbar und zeigen Sie auch Ihre menschlichen Seiten. Viele Interim Manager sind sehr darauf bedacht, alles perfekt zu machen und erscheinen dadurch oft unnahbar. Dabei kann es für das Team sehr wertvoll sein, wenn Führungskräfte ihre eigenen Schwächen eingestehen und zeigen, dass niemand perfekt ist – das schafft Nähe und Vertrauen. Ein guter Vergleich ist der zwischen einem guten und einem perfektionistischen Gastgeber: Der perfektionistische Gastgeber verliert seine Gäste aus dem Blick, weil er nur auf Perfektion achtet. Ein guter Gastgeber hingegen kümmert sich zuerst um seine Gäste – und dann um die Abläufe. Wir befinden uns mittlerweile in einem Arbeitnehmermarkt, schlechte Führung ist für Unternehmen ein großes Risiko. Schlechte Führungskräfte riskieren, dass Talente das Unternehmen verlassen. Und das kann sich kein Unternehmen leisten!

Rolf Schmiel ist „einer der bekanntesten Psychologen Deutschlands“ (WDR). Er ist wöchentlich
als Experte in TV & Radio zu erleben (u. a. ARD, RTL, Sat. 1, WDR & ZDF). Internationale Konzerne und traditionsreiche Mittelständler schätzen ihn als begeisternden Keynote Speaker. Sein einzigartiger Vortragsmix aus Psychologie, Motivation und Spaß inspiriert seit vielen Jahren die Kunden und Mitarbeiter renommierter Unternehmen, wie Audi, Coca-Cola, Daimler, Lufthansa, Shell, Würth und Xerox. Als Redner gewann er 2015 beim „1. Deutschen Speaker Slam“ den Gesamtsieg, den Publikumspreis und den Award der Redner-Agenturen. Außerdem wurde ihm der Medienpreis „Speaker of the year 2015“ und der „Coaching Award 2020“ verliehen.