Maks Giordano im DDIM Interview: Me, Myself & AI. Die wichtigsten Trends in der KI und wie wir im beruflichen Alltag davon profitieren können
Ein DDIM Interview mit Maks Giordano, Keynote Speaker beim DDIM.kongress // 2023
Über KI wird schon lange geredet und geforscht. Was hat sich verändert durch ChatGPT & Co.?
KI ist kein neues Konzept, es begann bereits in den 1950er Jahren mit Alan Turings Überlegungen zu maschineller Intelligenz. Wir beschäftigen uns also schon seit über 70 Jahren mit dem Thema und haben auch schon einige Durchbrüche erlebt: Zum Beispiel 1964 mit dem ersten Chatbot ELIZA oder 1997, als mit Gary Kasparov erstmals ein Schachweltmeister gegen einen Schachcomputer verlor. Oder 2011, als die KI „Watson“ von IBM in der Frageshow „Jeopardy“ 1 Millionen Dollar gewann.
Was wir durch ChatGPT erleben, ist ein weiterer bahnbrechender Fortschritt, der durch eine Kombination verschiedener Faktoren ermöglicht wurde: verbesserte Trainingsdaten, kostengünstiges Cloud Computing, und ein besseres neuronales Netzwerk-Design. Diese Durchbrüche machen generative KI (GenAI) nun für jeden zugänglich. KI fungiert als Vermittler zwischen Mensch und Maschine, übersetzt komplexe Daten verständlich und bietet neue Möglichkeiten, besonders im Unternehmenskontext. ChatGPT ermöglicht es, eigene Datensätze hochzuladen und analysieren zu lassen, was zu einer neuen Ebene der Zugänglichkeit und Interpretationsmöglichkeiten führt.
Generative AI macht manchen Unternehmen Angst. Gleichzeitig erahnen viele, dass sie ohne sie zurückbleiben werden. Wie nehmen Sie Unternehmen die Berührungsängste von generativer KI?
Ich muss gestehen: Auf Bedenken, dass KI bestimmte Berufe überflüssig macht, bin ich in meinem beruflichen Alltag noch nie gestoßen. Vielmehr empfinden die Menschen in meinem Kundenumfeld GenAI als Produktivitätssteigerung und unterstützend. Mir fällt kein Unternehmensbereich ein, in dem ChatGPT nicht bei der Effizienzsteigerung helfen könnte. Bei dem Thema „Berührungsängste“ geht es eher um die Frage: Wie können Verantwortliche die Menschen dazu bewegen, sich mit diesen Tools auseinanderzusetzen? Denn: Nur wer diese Innovation praktisch erlebbar macht, kann Use Cases kreieren und deren Möglichkeiten nutzen. Hier sind auch die HR-Abteilungen gefragt, Anreize zu schaffen, Schulungen anzubieten und Aufklärung zu betreiben, um Berührungsängste abzubauen.
Mit welchen konkreten Anliegen kommen Kunden auf Sie zu, die Beratungsleistung benötigen?
Die Anfragen sind vielfältig. Manchen Unternehmen geht es um Inspiration und Impulse in der Führungsetage. Sie wollen wissen: Welche Relevanz hat GenAI für unser Unternehmen – und für unser Leadership? Und welche Anwendungsmöglichkeiten bietet es uns? Viele Kundenanfragen drehen sich auch um HR-Themen bei der Einführung von KI-Tools: Wie können wir Mitarbeitern die Tools näherbringen? Wie können wir sie darauf fortbilden? Anderen Kunden geht es eher um die Begleitung konkreter KI-Projekte. Hier unterstütze und berate ich bei der Auswahl passender Partner. Weitere typisches Kundenanliegen beziehen sich auf Innovationsentwicklung und deren Umsetzung in konkrete Geschäftsmodelle.
In welchen Bereichen kann KI, vor allem Generative KI, Unternehmen schon heute weiterbringen?
In nahezu jedem Unternehmensbereich lassen sich Use Cases kreieren. Naheliegend ist der Einsatz in Marketing und Kommunikation, sei es bei der Content-Erstellung, Übersetzungen oder der Steigerung des Outputs in sozialen Medien. Besonders spannend ist auch der Bereich HR: Hier kann GenAI Bewerbungen vorqualifizieren, Onboarding-Prozesse erleichtern oder lebenslanges Lernen fördern – zum Beispiel, um mit den vorhandenen Ressourcen und Daten zielgerichtete Entwicklungsprogramme für die Belegschaft zu entwickeln. Ein weiteres Beispiel wäre Prozessoptimierung. Wir sollten nicht vergessen, dass KI aus dem Bereich der Datenanalyse kommt. Mit den passenden Daten kann GenAI Prozesse und Abläufe verbessern – und für eine sicherere und ressourcenfreundlichere Produktion sorgen.
Interim Manager sind einerseits selbständige Unternehmer und übernehmen andererseits befristete Aufgaben in Unternehmen. Wie können sie heute oder in Zukunft ChatGPT & Co. nutzen?
Interim Manager können KI schon heute auf vielfältige Weise nutzen: Angefangen in der Kommunikation mit Stakeholdern, über Ideen-Sparring und Template-Erstellung und Automatisierung bestimmter Dokumente. GenAI ist kann Meetings planen und zusammenfassen sowie bei der Einarbeitung in neue Themenbereiche helfen. Das ist ein absoluter Produktivitätsboost. Es wird erwartet, dass Tools wie Microsoft Copilot die Effizienz weiter steigern werden. Auch bei der Ideensuche und Entscheidungsfindung ist GenAI ein idealer Sparringspartner für Interim Manager: Sie analysiert bereitet Unternehmensdaten auf, die als Entscheidungsgrundlage für Manager dienen. Einen weiteren Produktivitätsschub werden wir wohl erfahren, wenn Microsoft seine GenAI „Copilot“ in Office365 integriert.
Glauben Sie, dass generative KI in Zukunft in der Lage sein wird, die Aufgaben eines Interim Managers eigenständig auszuführen? Wie könnte dies die Rolle des menschlichen Interim Managers verändern?
Die menschlichen Qualitäten eines Interim Managers, wie Kreativität, Kommunikationsfähigkeit und Empathie, werden nicht von KI abgelöst, sondern durch sie unterstützt. KI agiert als Sparringspartner, regt Ideen an und verstärkt die menschlichen Fähigkeiten. Ich betrachte die Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI als Tandem betrachtet, das sich ergänzt und verstärkt. So wie KITT und Michal Knight aus der 1980er-Serie „Knight Rider“.
Welche Fähigkeiten und Kompetenzen sollten Interim Manager entwickeln, um die Chancen von KI effektiv zu nutzen und sich in einem sich verändernden Umfeld zu behaupten?
Zunächst sollten Interim Manager Berührungsängste abbauen, indem sie sich regelmäßig mit den Tools beschäftigen. Die klassischen 10.000 Stunden sind dafür nicht notwendig. Schon in wenigen Stunden kann man ein Grundverständnis von ChatGPT entwickeln und die Möglichkeiten erfahren. Das ist ja das Schöne an diesen Tools. Meine Empfehlung lautet, die Tools in den Arbeitsalltag zu integrieren, um ihre Vielseitigkeit zu verstehen und von ihnen zu profitieren. Wer das regelmäßig macht und etwas Experimentierfreude mitbringt, hat in wenigen Wochen schon einen sehr guten Umgang damit und spürt die Effizienzsteigerung.
Wenn Sie in die Zukunft sehen könnten: In welchen Bereichen wird der Einfluss von KI am stärksten zu beobachten sein?
Der Blick in die Zukunft gestaltet sich schwierig, da die Innovationen exponentiell zunehmen. ChatGPT ist gerade mal seit einem Jahr für die breite Masse zugänglich – und schauen Sie sich dessen rasante Entwicklung an. Wenn ich denke, was in 10 Jahren alles möglich sein könnte, geht mir wirklich die Fantasie aus. Für die nächsten drei Jahre würde ich vom Bauchgefühl her behaupten: GenAI wird noch mächtiger und etabliert sich fest in den operativen Alltag, beruflich und privat. Neben „Copilot“ für Microsoft-Anwendungen arbeiten andere große Tech-Unternehmen ebenfalls an eigenen Lösungen. Und sobald GenAI zum festen Bestandteil in den Betriebssystemen der Endgeräte geworden ist, beginnt eine neue Ära der Mensch-Maschine-Interaktion. Es wird beispielweise normal sein, mit seinen Endgeräten zu sprechen. Die zunehmende Digitalisierung des Gesundheitswesens wird weitere immense Fortschritte bringen – jetzt bewegen wir uns in der 10-Jahres-Perspektive: Immer bessere und genauere Gesundheitsdaten kombiniert mit GenAI könnte zu unzähligen Meilensteinen in der Krankheitsbekämpfung führen.
Maks Giordano ist kreativer Digitalstratege und arbeitet seit mehr als 25 Jahren mit der kompletten Bandbreite an Unternehmen, vom Familienunternehmen und Mittelstand bis hin zu Apple, Lego, Red Bull und Mercedes. Er begann seine Karriere bei der ID Media AG in der Digitalen Steinzeit der 90er Jahre und wurde mehrfach international für seine Projekte ausgezeichnet. 2000 wurde Maks Mitglied der Geschäftsleitung der MetaDesign AG, bevor er 2003 Iconmobile mitgründete, eine der ersten mobilzentrierten Agenturen weltweit. Nach Stationen in Sydney, New York, London und Tokyo und dem Verkauf an WPP war Maks Head of Innovation, Games & Mobile bei ProSiebenSat.1. Seit dieser Zeit ist die nachhaltige Transformation und „Corporate Innovation“ seine große Passion. Maks unterrichtet u. a. Innovation Management, gab zwei Bücher heraus und verzweifelt an diversen Yoga-Posen.
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