Mit dem kritischen Blick eines Externen: Interim Manager optimiert Prozesse bei einem Mineralwasserbetrieb

Ein Beitrag von Thomas Vogel, kommissarischer Leiter der DDIM.fachgruppe // Food, zuerst veröffentlicht auf www.prozesstechnik.industrie.de | 27.04.23

Interim Manager sind selbstständige Führungskräfte, die auf Zeit von Unternehmen eingesetzt werden, um komplexe Probleme zu lösen. Wie ein Mineralwasserbetrieb seine Geschäftsprozesse mit Unterstützung eines solchen Experten optimieren konnte, lesen Sie hier. Viele mittelständische Getränkehersteller leiden unter steigenden Kosten infolge von Inflation und gestörten Lieferketten. So auch ein Mineralwasserbetrieb mit rund 800 Mitarbeitern.

Ineffiziente Prozesse verursachten Kosten

Ein Hauptproblem war die mangelnde Produktivität aufgrund ineffizienter Prozesse, die einen hohen Kostenanteil verursachte. Eigene Anstrengungen, das Problem zu beheben, schlugen fehl. Auch fehlten das Know-how und die notwendigen Ressourcen im Unternehmen, den Prozessen wirklich auf den Grund zu gehen und herauszufinden, welche Effizienzreserven es an welchen Stellen im Prozess gibt. Dazu muss man wissen, dass in vielen Unternehmen Effizienzpotenziale in Höhe von rund 25 %Prozent noch nicht gehoben sind. Diese zu erkennen und darauf aufbauend zielführende Maßnahmen zur stetigen Prozessverbesserung abzuleiten, zählt zum Kerngeschäft von Interim Managern mit Schwerpunkt Restrukturierung.

Komplexe Probleme mit externem Know-how lösen

Interim Manager sind selbstständige Führungskräfte, die auf Zeit von Unternehmen eingesetzt werden, um komplexe Probleme zu lösen, für die Festangestellte im Tagesgeschäft oft keine Zeit haben. Vor allem mittelständische Unternehmen können von dem Einsatz eines erfahrenen Interim Managers profitieren, der mit dem kritischen Blick eines Externen auf das Unternehmen schaut. Aufgrund wechselnder Mandate in verschiedenen Unternehmen und Branchen haben sie einen anderen Zugang zu den Themen als ein mitunter „betriebsblinder“ festangestellter Manager. Da sie keine Karriere in dem jeweiligen Unternehmen verfolgen, können sie sich vollkommen auf ihre Aufgabe konzentrieren.

Führungskräftemangel führt zu steigender Nachfrage

Die Dienstleistung erfreut sich steigender Nachfrage, denn nahezu alle mittelständischen Unternehmen kämpfen derzeit mit einem großen Fach- und Führungskräftemangel. Unterstützung von außen kommt ihnen daher wie gerufen.

Interim Manager über Provider anheuern

Wie kommen Unternehmen an einen erfahrenen Experten? Laut der Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e.V. (DDIM) gibt es aktuell rund 11 500 Interim Manager in Deutschland. Im Netz zu suchen und jemanden anzufragen, ist bei dieser Fülle wenig aussichtsreich. Denn diese Manager auf Zeit sind laut DDIM derzeit sehr gut gebucht. Sinnvoller kann es daher sein, einen Interim Management Provider einzuschalten. Das sind Vermittlungsagenturen, die über einen Pool an Experten verfügen und geeignete Kandidaten für das jeweilige Mandat kurzfristig vermitteln können.

Aufgaben und Anforderungen genau definieren

Der Erfolg eines Mandats hängt neben der Qualifikation und den Erfahrungen des jeweiligen Interim Managers von dessen Passung ab. Erfolgsentscheidend hierfür ist, wie gut Provider die spezifischen Aufgaben und Anforderungen mit ihrem Auftraggeber definieren und diese mit dem Kompetenzprofil des Interim Managers abgleichen. Neben fachlicher Kompetenz spielt die Anschlussfähigkeit eine große Rolle, denn als Führungskraft auf Zeit muss er schnell einen Draht zu den Mitarbeitenden bekommen, mit denen er zusammenarbeitet.

Optimierung der Prozesse beim Mineralwasserbetrieb

Zurück zum Projekt mit dem Mineralwasserbetrieb: Der Interim Manager wurde im Rahmen des einjährigen Mandats in der Rolle als Chief Restructuring Officer beauftragt, Kostensenkungen durch die Optimierung von Prozessen zu erreichen. Konkret ging es unter anderem darum, die Hürden in den internen Prozessen im Einkauf und der Buchhaltung zu beseitigen, die die Prüfung, Buchung und Archivierung der Kreditorenrechnungen stark verzögerten. In der Folge dauerte der Rechnungsdurchlauf trotz großer Personalressourcen zirka drei bis fünf Wochen, und es wurden viele Vorgänge erst nach Ablauf der Skontofrist ausgeglichen. Durch die überhöhten Personalkosten und den Skontoausfall entstand jährlich ein Schaden in Höhe eines sechsstelligen Betrags.

Bestandsaufnahme vor Ort

Im ersten Schritt galt es, die einzelnen Prozessschritte unter die Lupe zu nehmen und diese mit dem Ressourcenbedarf strukturiert zu bewerten. Die Aufnahme der Prozesse geht am besten vor Ort. Im Zuge des Shopfloor-Managements begleitete der Interim Manager den Schichtleiter in die Abteilungen, sprich Einkauf, Warenannahme und Buchhaltung. Durch die Ist-Analyse wurden zwei zentrale Prozessbarrieren ermittelt.

Verzögerte Freigabe der Lieferung

Im Lager wurden die Waren geprüft und übernommen. Die Freigabe der Lieferung lag jedoch in der Hand des Werkleiters, der dies aufgrund seiner sonstigen Aufgaben nicht zeitnah durchführen konnte. Demzufolge war der Lieferschein nicht im System erfasst und die darauf beruhende Rechnungsprüfung wurde nicht gestartet.

Dadurch, dass die Teilprozesse nicht synchron liefen, gab es permanente Klärungsschleifen, die den Prozess erheblich verzögerten.

Mit Unterstützung des Interim Managers wurde folgende Lösung erarbeitet: Die Freigabe der Lieferungen erfolgt nun direkt durch den dafür geschulten Mitarbeiter in der Wareneingangsqualitätskontrolle. Die von ihm freigegebenen Lieferungen stehen dadurch kurzfristig der Buchhaltung zur Verfügung.

Manuelle Prüfung der Rechnungen

Die Rechnungsprüfung erfolgte überwiegend händisch, das heißt ein Mitarbeiter verglich sorgsam die Angaben auf Bestellung und /Lieferschein mit der Eingangsrechnung. Einige große Lieferanten für Glas beispielsweise waren zwar bereits über EDI (Electronic Data Interchange) mit dem Unternehmen verknüpft, aber auch wenn wertmäßig dadurch ein großer Teil der Rechnungswerte bearbeitet wurden, bleibt der mühsam zu vergleichende Anteil an Klein- und Kleinstrechnungen, die den Großteil des Rechnungseingangs ausmachen. Diese Papier- oder PDF-Rechnungen beanspruchten den Hauptanteil der Arbeitszeit.

Auch hier fand der Interim Manager eine Lösung: Infolge der EDI-Lösung stand bereits ein elektronischer Rechnungsprozess zur Verfügung, der allerdings nicht für jeden B- oder C-Lieferanten gangbar war. Mithilfe einer geeigneten Software zum Auslesen von Daten aus einem PDF-Dokument (OCR-Texterkennung wie z.B. ABBYY) und dem anschließenden Abgleich von Lieferschein- und den dazugehörigen Rechnungsdaten konnte der Anteil an zu prüfenden Dokumenten drastisch reduziert werden.

Insgesamt wurden durch diese Maßnahmen ca. 55 % der Durchlaufzeit reduziert, und der Anteil an realisierten Skontofällen konnte verdreifacht werden.

Partizipation und Kommunikation sind Erfolgsfaktoren

Um die Prozesse im Sinne des Kunden effizienter zu gestalten, führte der Interim Manager unter anderem Workshops mit den Mitarbeitenden der Abteilungen durch. So konnten Schnittstellen in den Prozessen identifiziert werden, die auch das vernetzte Arbeiten förderten. Ein wichtiger Erfolgsfaktor war die Erarbeitung einer gemeinsamen Projektlösung, wobei eine leitende Funktion – in diesem Fall der Geschäftsführer – Teil des Teams sein sollte. Sind Veränderungen für Interim Manager Tagesgeschäft, lösen diese bei den betroffenen Mitarbeitenden oft Verunsicherung aus. Zum Beispiel das Digitalisieren und Eliminieren bestimmter Prozesse kann dazu führen, dass sich Verantwortungsbereiche und Aufgaben verschieben oder ganz entfallen. Eine transparente und ehrliche Kommunikation und die Beteiligung der Mitarbeitenden am Prozess sind daher wichtige Erfolgsfaktoren.

Dieser Beitrag ist erstmalig erschienen bei Prozesstechnik Online.

Thomas Vogel verfügt über langjährige Restrukturierungspraxis als Interim Manager und Unternehmensberater bei mittelständischen Unternehmen und Tochtergesellschaften internationaler Konzerne bzw. Beteiligungsgesellschaften. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Geschäftsführer oder Projektleiter liegt in der Konzeption und Umsetzung von Maßnahmen zur Kosten-, Prozess- und Organisationsoptimierung in der Lebensmittelindustrie.

In den DDIM.fachgruppen haben sich Mitglieder zusammengeschlossen, die in gleichen Branchen und Funktionen oder an vergleichbaren Aufgabenstellungen und Sonderthemen arbeiten. Die Mitglieder sind auf ihren Gebieten Experten, sie tauschen ihr Wissen und ihre Erfahrungen aus. Eines ihrer Ziele ist es, das Interim Management in den einzelnen Disziplinen bekannter zu machen und eine Nähe zur Industrie, zu Verbänden und zu Fachmedien herzustellen.

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