Herabsetzung der Vorstandsbezüge wegen Verschlechterung der Lage bei der Aktiengesellschaft

Der BGH hat sich einer viel beachteten Leitentscheidung mit der Herabsetzung der Vorstandsbezüge bei Verschlechterung der Lage einer Aktiengesellschaft beschäftigt. Das Urteil nebst praktischen Konsequenzen für Interim Manager soll im Folgenden dargestellt werden.

Text: Dr. Stefan Krüger

I. Sachverhalt

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger war als CFO Mitglied des Vorstandes der Aktiengesellschaft. Nach dem Anstellungsvertrag betrug seine Vorstandsvergütung EUR 15.666,67 pro Monat. Im Laufe des Jahres 2011 geriet die Gesellschaft in eine Schieflage. Auf Drängen der Banken berief der Aufsichtsrat den Kläger am 31.12.2011 als Vorstand ab und stellte ihn unter widerruflicher Ankündigung der Fortzahlung seiner Bezüge frei. Ab Januar 2012 zahlte die Gesellschaft dem Kläger keine Bezüge mehr.

Auf einen Eigenantrag der Gesellschaft vom 03.02.2012 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde der Beklagte am 06.02.2012 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 07.03.2012 forderte er die Aufsichtsratsmitglieder unter Hinweis auf deren Verpflichtung gemäß § 87 Abs. 2 AktG auf, die Vergütung der Vorstände zu begrenzen, und zwar in Höhe eines Maximalbetrages pro Vorstand von EUR 2.500,00 ab Insolvenzeröffnung.

Mit Aufsichtsratsbeschluss vom 15.03.2012 kam der Aufsichtsrat dem Begehren des Insolvenzverwalters nach. Der Kläger fordert vom Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Aktiengesellschaft das ausstehende Entgelt.

2. Rechtliche Würdigung

a) Der BGH hat wie folgt tenoriert (vgl. BGH, DStR 2016, 681):

„1. Das Recht zur Herabsetzung der Bezüge gemäß § 87 Abs. 2 AktG ist ein einseitiges Gestaltungsrecht der Aktiengesellschaft, das durch eine Gestaltungserklärung ausgeübt wird, die der Aufsichtsrat in Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied abgibt.

2. Eine Verschlechterung der Lage der Gesellschaft im Sinne von § 87 Abs. 2 AktG tritt jedenfalls dann ein, wenn die Gesellschaft insolvenzreif wird. Die Weiterzahlung der Bezüge ist unbillig im Sinne des § 87 Abs. 2 Satz 1 AktG, wenn der Vorstand pflichtwidrig gehandelt hat oder ihm kein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist. Die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft jedoch in die Zeit seiner Vorstandsverantwortung fällt und ihm zurechenbar ist.

3. Die Herabsetzung der Bezüge muss mindestens auf einen Betrag erfolgen, dessen Gewährung angesichts der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft nicht mehr als unbillig angesehen werden kann.

Die Vorschrift erlaubt andererseits keine Herabsetzung der Bezüge des Vorstandsmitglieds, die weitergeht, als es die Billigkeit angesichts der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft erfordert.“

b) Im Einzelnen hat der BGH (vereinfacht dargestellt) Folgendes ausgeführt:

aa) Auch in einer Insolvenz bleibt der Aufsichtsrat für die entsprechenden Entscheidungen zuständig. Die Umsetzung einer Aufsichtsratsentscheidung ist im Außenverhältnis wirksam und von Nichtigkeitserwägungen im Innenverhältnis unabhängig.

bb) Materiell rechtlich dreht sich die Entscheidung um die Norm des § 87 Abs. 2 AktG. Dieser lautet wie folgt:

„Verschlechtert sich die Lage der Gesellschaft nach der Festsetzung so, dass die Weitergewährung der Bezüge nach Abs. 1 unbillig für die Gesellschaft wäre, so soll der Aufsichtsrat oder im Falle des § 85 Abs. 3 das Gericht auf Antrag des Aufsichtsrates die Bezüge auf die angemessene Höhe herabsetzen. Ruhegehalt, Hinterbliebenenzüge und Leistungen verwandter Art können nur in den ersten 3 Jahren nach Ausscheiden aus der Gesellschaft nach Satz 1 herabgesetzt werden. Durch eine Herabsetzung wird der Anstellungsvertrag im Übrigen nicht berührt. Das Vorstandsmitglied kann jedoch seinen Anstellungsvertrag für den Schluss des nächsten Kalendervierteljahres mit einer Kündigungsfrist von 6 Wochen kündigen.“

cc) Im Ergebnis hat der BGH entscheidend darauf abgestellt, dass dem Aufsichtsrat bei der Entscheidung über die Herabsetzung der Bezüge kein Ermessen zusteht. Gleichwohl hat der BGH hinsichtlich des Herabsetzungsbetrages eine uneingeschränkte gerichtliche Kontrolle zugelassen. Dreh- und Angelpunkt ist, ob die Herabsetzung angemessen war.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass zunächst einmal der Grundsatz „Verträge sind einzuhalten“ gilt und hier in den Besitzstand des Vorstandes eingegriffen wird. Mithin bedürfe es der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und eines Abwägungsprozesses. Da hier ausweislich des Urteils vom Aufsichtsrat allein auf das Schreiben des Insolvenzverwalters abgestellt wurde, war dies nach Ansicht des BGH nicht geschehen. Daher wurde das Urteil aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Für das Vordergericht (und die Praxis) hat der BGH vorsorglich in dem Urteil ausgeführt, dass Gehälter von leitenden Angestellten keine rechtliche Untergrenze bilden, unterschiedliche Vergütungsherabsetzungen bei einzelnen Vorstandsmitgliedern möglich sind und ein Vorstandsmitglied auch bereits durch Wegfall des variablen Teils der Vergütung Gehaltseinbußen erleiden kann.

Wie das Vordergericht auf diese Basis entscheidet, bleibt abzuwarten.

3. Konsequenzen

a) Letztendlich stellt die Herabsetzung einer Vorstandsvergütung eine Einzelfallentscheidung dar, die vom Aufsichtsrat gut begründet sein muss. Sie ist von den Gerichten voll überprüfbar. Somit besteht sowohl für Vorstände als auch Aktiengesellschaften bzw. deren Insolvenzverwalter in Streitfällen derzeit keine hinreichende Rechtssicherheit.

b) Es muss sich um eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage handeln. Daher kann eine Herabsetzung der Vorstandsvergütung z.B. bei einem CRO dann nicht in Betracht kommen, wenn dieser in einer Krisensituation bestellt wird und sich die wirtschaftliche Lage gegenüber dem Stand bei Bestellung später nicht verändert.

c) Interim Manager, die in Krisensituationen als Vorstände bei Aktiengesellschaften tätig sind, sollten sich dessen bewusst sein, dass „im Fall der Fälle“ die Vergütung nicht mehr sicher sein kann. Dies sollte auch bei der Verhandlung des Tages- oder Stundensatzes zugunsten des Interim-Managers berücksichtigt werden.

d) Im „Fall der Fälle“ kann es sinnvoll sein, mit allen Beteiligten kurzfristig zu einer einvernehmlichen Regelung zu kommen.

Auch kann es für Interim Manager ebenso wie für Unternehmen eine Handlungsoption sein, ihre Tätigkeit dann zu beenden.

Dr. Stefan Krüger

Dr. Stefan Krüger

Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Dr. Stefan Krüger ist Partner der Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Assoziierter Partner der DDIM) in Köln und Düsseldorf. Schwerpunkt seiner Tätigkeit sind die Sanierungsberatung, Insolvenz-, Gesellschafts- und Finanzierungsrecht, insbesondere Factoring, Leasing und Arbeitsrecht.

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