Digitalisiert den CFO! – Modernisierung von Reporting, Planung und Analyse und deren Stolpersteine

Ein Beitrag der DDIM.fachgruppe // Finance, Autor: Martin Alkin

Google, Amazon und Co wissen mehr über uns als manche Manager über ihr eigenes Unternehmen. Dort ist es manchmal, gerade in volatilen Zeiten wie COVID19, bereits eine Herausforderung den Kontostand über die nächsten 6 Wochen zu prognostizieren oder die Kostenelastizität bei Absatzschwankungen zu simulieren. Dieser Artikel beleuchtet Corporate Performance Management-Systeme (CPM) als digitale Lösung für solche Fragestellungen.

Das Ziel

Mehr Transparenz! Der CFO benötigt Überblick über die wichtigen Vorgänge im Unternehmen. Wie entwickelt sich die Liquidität? Wie verhalten sich Markt und Kunden? Wie können Working Capital, Produktion oder Supply-Chain optimiert werden? Daraus ergeben sich vielfältige Anwendungsfälle wie tagesaktuelle Frühwarnsysteme (z.B. Liquiditätsüberwachung) bis hin zu intelligenten Prognosesystemen.

Für das Management sind vor allem zeitnahe Soll-Ist-Vergleiche wichtig, um Abweichungen rasch zu erkennen und umgehende Gegenmaßnahmen einzuleiten, damit Zahlungsfähigkeit und Ertrag gesichert bleiben.

Zur Information für das Management sind übersichtliche und interaktive Cockpits gefragt, am besten auch über Smartphones abrufbar, und intuitive Analysewerkzeuge für die Fachanwender.

Die wichtigen Steuerungsinformationen aus diversen Abteilungen und IT-Systemen werden im Unternehmen an einer zentralen Stelle gesammelt, gerne als „single point of truth“ bezeichnet. Um eine Einheitlichkeit zu gewährleisten sind dort auch die Definitionen und Berechnungen der Kennzahlen eindeutig hinterlegt, damit nicht verschiedene Abteilungen mit unterschiedlichen Interpretationen der gleichen Kennzahl arbeiten.

Monatelange „Budget-Orgien“ sollten Vergangenheit sein. Besonders in volatilen Zeiten sind rasche Prognosen nach Bedarf monatlich rollierend oder gar täglich gefragt (Liquidität). Bei kritischen Ereignissen, wie zum Beispiel COVID19, sollen sich Prognosen ad-hoc und integriert anpassen lassen.

Integrierte Planung bedeutet, bei Änderung einzelner Treiber (z.B. Zahlungsverhalten, Rohstoffpreise, Absatzmengen oder Personalstand) berechnet sich automatisch und ohne Wartezeit das ganze Prognose Modell neu bis hin zu Bilanz und Cashflow. Aufgrund der Automatisierung kann die Eingabe der Daten auch dezentral und online von den verantwortlichen Abteilungen erfolgen. Unterstützt durch standardisierte Workflows und Genehmigungsprozesse entsteht dann eine umfassende Planung.

Im Cockpit werden aggregierte Zahlen dargestellt. Zusätzlich gibt es daher die Funktion bequem bis auf die Einzelbelege zugreifen zu können (drill-down), um exakt zu identifizieren, wo die Ursachen liegen, z.B. bei einzelnen Kunden, Absatzmärkten, Produkten, Lieferanten etc.

Diese Systeme sind flexibel aufgebaut. So wie sich die drängendsten Themen der Manager monatlich ändern können, genauso schnell kann das System an diese Themen angepasst werden. Im Idealfall betreuen IT-affine Fachanwender (z.B. Controller) das System. Für neue Datenanalysen, Cockpits oder Forecasts braucht es also nicht das Bottleneck IT-Abteilung.

Die Praxis

In der Praxis gibt es meist Handlungsbedarf. Historisch gewachsene und komplizierte Vorgehensweisen sind zu finden. Die notwendigen Steuerungsinformationen schwirren in unterschiedlichen Abteilungen, unzähligen Excel Dateien und IT-Systemen herum. Ganz zu schweigen von den vielen ineffizienten und manuellen Arbeitsschritten bei den liefernden Abteilungen.

Irgendwie kommen diese Informationen dann gerne verspätet, lückenhaft, nicht zusammenhängend, einander widersprechend oder falsch interpretiert beim CFO an. Mehrere Versionen von ein und derselben Kennzahl sind keine Seltenheit und stiften gerne Verwirrung.

Der qualifizierte Controller verkommt zum stupiden Datensammler und Zahlenkonsistenz-Prüfer, statt seinen eigentlichen Aufgaben nachzugehen wie Analyse, Planung, Steuerung.

Die Lösung

Diese Herausforderungen lösen CPM-Systeme. Obwohl nicht immer deckungsgleich werden synonym auch Bezeichnungen wie BI (Business Intelligence), MIS, EPM, Business Warehouse, Data Warehouse usw. verwendet.

Übrigens, das immer noch mit Abstand am meisten genutzte CPM-System ist Microsoft Excel, CPM ist also in jedem Unternehmen schon im Einsatz, mit den bekannten Vor- und Nachteilen (flexibel, etabliert aber ein Excel-Chaos…).

Die theoretischen Möglichkeiten solcher Systeme sind fast unbegrenzt, es stellt sich also nicht die Frage, ob etwas implementiert werden kann, sondern es ist eine reine Kosten-/ Nutzenabwägung, was (!) implementiert werden soll und die Frage, wie die beste Vorgehensweise ist. Dieser Artikel fokussiert auf Finanzthemen, dazu einige Beispiele, welche Funktionen in diesem Bereich implementiert werden können:

  • Monatsabschluss und -reporting mit G&V, Bilanzen, Cashflow, Legal-Konsolidierung
  • Budgetierung, Prognosen, Simulationen, treiberbasierte Planung, integrierte Planung
  • Liquiditätsmanagement, Working Capital Management
  • Ergebnisrechnung mit Produkt-/ Kunden- oder Konzerndeckungsbeiträgen
  • Angebotskalkulation, Fertigungskalkulation, Break-even Analyse
  • Human-Resources-Management, -Controlling und -Reporting

Neben Finanzthemen gibt es viele weitere Anwendungsfelder für BI-Systeme im weiteren Sinne (nicht nur für CPM), dies würde den Rahmen hier sprengen, daher nur einige Beispiele: Vertriebssteuerung, elektronische Kundenakte, Fertigungssteuerung, Supply-Chain-Management inkl. Vernetzung mit Lieferantendaten u.v.a.m.

Der Vollständigkeit halber: Weitere mögliche Ausbaustufen umfassen dann „den letzten Schrei“ der Digitalisierung, wie zum Beispiel statistische Methoden, Machine Learning, künstliche Intelligenz, Predictive Maintenance u.v.a.m., um die Vorhersagequalitäten und Mustererkennungen zu verbessern.

Herausforderungen bei der Einführung

Hört sich gut an? Warum sind solche Lösungen nicht längst schon überall umfassend integriert, die dahinter liegenden Technologien gibt es im Prinzip seit über 30 Jahren? Aus Sicht des Autors gab es dafür in der Vergangenheit viele berechtigte Gründe aber auch schlicht Unwissenheit oder schlechte Erfahrungen. Aus der Sicht des Autors wird kein Unternehmen mittelfristig um die Modernisierung herumkommen, wenn man die dynamische Wirtschaft, disruptive Märkte oder steigenden Effizienzdruck betrachtet.

Entschließt sich ein Unternehmen nun zur Einführung oder Modernisierung solcher Lösungen, gibt es immer noch einige Hürden. Gerade für den Mittelstand sind die Investitionen nicht unerheblich, Erfahrung und Fachwissen sind begrenzt, der Return on Investment manchmal schwer zu beziffern (weil oft indirekt) und der Markt für diese Lösungen ist unübersichtlich.

Um nur einige Technologien und Anbieter beispielhaft zu nennen: Microsoft Power BI, Microsoft SSAS, SAP Analytics Cloud, SAP BI, SAP BPC, SAP BO, SAP Lumira, IBM Cognos Analytics, IBM Cognos MT1, Jedox, Infor BI, Infor Birst, Infor d/EPM, Tableau, Qlik, CoPlanner, Anaplan, SAS BI, Board, Lucanet, Tagetik, Prevero, MicroStrategy, Pentaho, Bissantz, Corporate Planning, Arcplan Longview, Prophix, IDL, Tibco, Cubeware, evidanza, Sisense, Oracle Analytics Cloud, Oracle Essbase, Yellowfin BI, Domo, Looker, InsightSquared, Charito, Mode, Klipfolio, Information Builders, ThoughtSpot, Amazon QuickSight, Microsoft Azure, Amazon WS, Periscope Data, Grow.com, Dundas BI, Talend, Crystal Reports, u.v.a.m.

Wie erfolgreich einführen? Praxisbeispiele aus dem Mittelstand

Ratschläge zum Projektablauf aus IT-Sicht sind genug zu finden und sollen hier nicht wiederholt werden. Von Praktikern für Praktiker möchte der Fachbereich Finance einige Beispiele aus der Sicht des Managements beisteuern. Großangelegte 4mio Euro Projekte mit 2 Jahren Laufzeit sind keine Seltenheit in Großkonzernen, es geht aber auch anders.

Die Empfehlung lautet: Pain Points identifizieren, Ineffizienzen aufdecken, Nutzen bewerten, Prioritäten setzen, BI Strategie definieren, quick-wins pragmatisch umsetzen und dabei den nötigen strategischen Weitblick behalten. Dringende Einzelthemen lassen sich auch mal in zwei Wochen lösen und größere Projekte mit (nur) 3 Monaten Laufzeit und überschaubaren Investitionen sind möglich. Hier einige konkrete Projekte aus dem Mittelstand, wo dies gelang:

Aufbau einer Produkt- und Kundendeckungsbeitragsrechnung mit 25 Beratertagen inkl. Anschaffung eines schlanken CPM-Systems. Lessons learned: Ein erfahrener Data-Analyst findet unentdeckte low-hanging-fruits in den Systemen mit hohem Nutzen.

Definition einer Architektur für ein CPM-System inkl. Budgetierung. Konnte danach von einem IT-affinen Azubi betreut werden, jahrelang kein großer Anpassungsbedarf. Lessons learned: Mit Erfahrung eine flexible und zukunftssichere Architektur definieren, das hält dann auch einige Jahre und nicht alle Lösungen benötigen eigene IT-Spezialisten in der Betreuung.

Ein Unternehmen kündigte ein überdimensioniertes und schlecht laufendes BI-System. Die Angebote für die „Reparatur“ lagen bei 100.000 Euro. Stattdessen Freeware installiert, 15 Beratertage investiert und das Monatsreporting von 5 Tagen manueller Arbeit auf 3 Stunden verkürzt und die Qualität erhöht (keine Abschreibfehler). Lessons learned: Ineffizienzen finden, ein passendes System anschaffen und damit Kosten sparen und Qualität erhöhen.

Eine Unternehmensgruppe ist überzeugt mit Dienstleistung A höhere Margen zu erzielen als mit Dienstleistung B. Nach Aufsetzen eines Reportings war klar, es ist genau umgekehrt. Lessons Learned: Selbst wer glaubt sein Unternehmen gut zu kennen, erlebt mit transparenten Zahlen noch Überraschungen.

Ein Unternehmen schwankt bei der Einführung zwischen A) einem flexiblen CPM-Werkzeug und B) einer fertigen BI-Branchenlösung allerdings unflexibler und teurer. Der Interim Manager empfahl ursprünglich A) und es wurde Variante B) gewählt. Lessons Learned: Jedes Unternehmen hat spezielle Anforderungen und es gilt diese im Projekt individuell zu erarbeiten.

Anhang zur weiteren Vertiefung: Typische Stolpersteine bei der Einführung

Kein Projekt ohne Risiko. Zur Risikominimierung möchte der Autor dem Leser zum Abschluss noch einige typische Stolpersteine aufzeigen. Wenn interne Ressourcen oder Know-how hierbei begrenzt sind, können Interim Manager eine wertvolle Unterstützung darstellen. Sie bringen Erfahrung und Best-Practice Ansätze mit, außerdem sind sie gewohnt, sich rasch und tief in die Prozesse des Unternehmens einzuarbeiten ohne Abteilungsdenken oder Scheuklappen.

  • Fokus auf das Software-Produkt statt auf die ganze OrganisationCPM-Systeme sind ein Management-Thema und kein IT-Projekt!
  • Zu ambitionierte, semioptimale oder zu kleine Ziele – Steve Jobs sah das Potential vom iPhone. Hätte man die Anwender gefragt, wäre das nicht rausgekommen. So erreichen manche Projekte nur 50% des theoretisch möglichen Potentials und werden schon als Erfolg gefeiert. Auf der anderen Seite scheitern auch zu ambitionierte Projekte manchmal an Akzeptanz, Kosten oder Komplexität.
  • Architektur und Anforderungsdefinition unterschätzen – Die IT gibt sich selbst gerne den Ruf, jede Eierlegendewollmilchsau individuell und flexibel bauen zu können. Es gilt jedoch auch in der IT: Ist das Haus einmal fertig gebaut, noch mal schnell irgendwo ein zusätzliches Gästezimmer mit eigenem Bad und Balkon dran zu bauen, ist machbar, wird aber teuer und kompliziert.
  • Geringer Return on Invest und zu lange Projekte – zur Vermeidung siehe Praxisbeispiele
  • Projektteam falsch besetzen – Zur Einführung ist sowohl internes Prozesswissen gefragt wie auch Managementpraxis und IT-Know-how. Es braucht Personen, die noch nicht gedachte Lösungen erarbeiten können oder mögliche externe Dienstleister steuern. Im Zweifel ist das Argument des Dienstleisters: „Das stand so nicht in den Anforderungen.“
  • Passgenaue IT-Lösungen fehlen – Bei CPM-Systemen handelt es sich um komplexe und damit erklärungsbedürftige Produkte. Eine Fußballmannschaft mit einem Sportwagen (Äpfel) zu transportieren ist ebenso ineffizient, wie einen Autobus (Birnen) zur Feldarbeit zu verwenden. Aus der Beobachtung des Autors sind im Finanzbereich oft weniger geeignete Systeme im Einsatz. Gute Erfahrungen konnten mit reinrassigen, rückschreibefähigen MOLAP-Systemen gemacht werden.
  • Unternehmensprozesse & notwendiges Change Management fehlen – Mangelnde Daten(qualität) aufgrund lückenhafter Unternehmensprozesse und ERP-Systeme sind die größten Zeit- und Kostenrisiken! Ohne tagesaktuelle Daten von Vertrieb, Einkauf, Treasury, Buchhaltung, Produktion, Lager und Banken wird es einfach schwierig mit der Liquiditätsvorschau egal wie gut das Cockpit-Design ist. Solche Projekte sind viel Change-Management und nicht nur Software Implementierung!
  • Eindeutige IT-Strategie fehlt – Nicht noch ein zusätzliches stand-alone IT-System! Digitalisierung als Kernkompetenz braucht eine klare Strategie und Verantwortliche auf Executive-Level (CIO, CDO) mit dem langfristigen Blick fürs Ganze.
  • Know-how fehlt im Unternehmen – Die Digitalisierung ändert die Anforderungen an ganze Berufsbilder, es braucht Fachanwender (z.B. Controller, Treasurer, CFO), welche die Management Seite („die BWL“) täglich erleben und eine hohe IT-Affinität besitzen, eine Herausforderung an die Personalentwicklung.
  • Fehlendes „Kompetenz Team“ aus Fachanwendern – Damit neue Prozesse und Systeme gelebt werden, ist ein internes Kompetenz Team aus Fachanwendern für Betreuung, Weiterentwicklung und Schulungen der Idealfall, zusätzliche IT-Fachkräfte und externe Unterstützung sind häufig zu sehen. Die Managementrolle Leitung-BI (bzw. CPM, Informationsmanagement, Datenanalyse, Data Science, Reporting, Planung…) ist noch viel zu selten etabliert in Unternehmen.

Über den Autor

Martin Alkin unterstütztals seit 2003 als Interim Manager Unternehmen in den Themen Finance, IT und Change-Management. Dabei wurden internationale Mandate aus unterschiedlichen Branchen abgeschlossen, meist im Mittelstand oft mit Private Equity Beteiligung. Kommend aus den klassischen kaufmännischen Projekten wie Controlling, Budgetierung oder Bilanzierung begleitet er immer mehr Kunden an der Schnittstelle zwischen Finanzen und IT mit dem Anspruch: Transparency for Investors and Shareholders: Connecting Finance with IT. Von Anforderungsanalyse über Ausschreibungen bis zur Implementierung wurden bereits Projekte in diesem Bereich umgesetzt. Dabei wird breite kaufmännische Erfahrung mit umfangreichen IT-Kenntnissen kombiniert. Die Arbeitsaufgaben reichen vom hands-on Daten-Analyst als Fachexperte bis zur CFO-Funktion.

Tel. +43 699 11443646
Email: office@alkin.at
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Über die Fachgruppe

Die Fachgruppe Finance bei der Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e.V. besteht aus erfahrenen Interim-Finanzmanagern. Sie bietet die geballte Expertise von krisenerprobten Managern mit langjährigen Erfahrungen in allen Finanzbereichen an. Wir sehen uns als Business Partner, die im Interim Management Unternehmen schnell und effizient unterstützen und Fragen zu komplexen Sachverhalten im Finanzbereich beantworten können. Das Expertenteam arbeitet inhaltlich an ausgewählten Fragestellungen aus den Bereichen Finance & Accounting, Controlling, Finanzierung, Treasury, interne Revision und Steuern.

Wenn Sie Fragen zu diesen oder anderen finanzbezogenen Vorgängen haben, steht Ihnen ein Ansprechpartner aus der Fachgruppe Finance zu einem unverbindlichen Informationsgespräch, auch als Sparringspartner, zur Verfügung. Schreiben Sie uns über finance [at] ddim.de. Wir werden uns schnellstmöglich mit Ihnen in Verbindung setzen.

Darüber hinaus werden wir in den nächsten Wochen regelmäßig Veröffentlichungen über finanzrelevante Themen in dieser Krisenzeit vornehmen.

Wir freuen uns auf Ihre Nachricht.

Paul Stheeman
[Fachgruppenleiter Finance]
Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e.V.

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