Transformation als Notwendigkeit für Geschäftserfolg: Beispiel Autovermieter

Ein Beitrag der DDIM.fachgruppe // Automotive
Autor: Rafael Apélian [Interim Manager & Executive Consultant]

Automobile Mobilität: Bedeutsam für mehr als nur einer Branche

Autovermieter operieren an der Schnittstelle von Automobil, Mobilitäts- und Reisebranche. Die großen Vermieter, im Fachjargon als „Major Daily Rentals“ oder „MDR“ bezeichnet, sind große Flottenkunden der Automobilhersteller. In Einzelmärkten und für einzelne Fahrzeugmarken sind sie volumenmäßig oft die größten Neuwagenkunden überhaupt. Das Mobilitätsangebot ist umfassend und erstreckt sich über Kurz- und Langzeitmieten für Geschäfts- und Privatreisende oder als Partner von anderen Mobilitätsanbietern, z. B. bei der Bereitstellung von Unfallersatzfahrzeugen für Leasingfirmen.

Insofern kommt diesem Marktsegment eine besondere Bedeutung zu. Gerade auch in der jetzigen Zeit, in der internationale Reisen langsam wieder in Fahrt kommen.

Wachstumsdekade: Es lief so gut und jetzt ist alles anders

Seit 2010, und bis in die ersten Wochen dieses Jahres, lief es rund für die Autovermieter. Getragen von dem kontinuierlichen Wirtschaftswachstum in diesem Zeitraum und einigen für die Branche positiven Megatrends, insbesondere die zunehmende Bedeutung von Sharing und Ökologie in den Ballungsräumen, erreichten die großen Autovermieter in 2019 Rekorde bei Absatz, Umsatz und Ertrag. Auch der Jahresstart 2020 verlief für die MDR positiv.

Durch den Corona-Schock im März kam dann unerwartet und unverschuldet der brutale Absturz in die Verlustzone. Aufgrund der Lockdowns in nahezu allen Kernmärkten sind die Prognosen für das zweite Quartal desaströs. Größtes Opfer dieser dynamischen Entwicklung bisher ist der Branchenpionier Hertz Corporation, der Ende Mai Insolvenz und Gläubigerschutz nach Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts anmelden mußte. Eine Besserung für die Vermietbranche wird erst für das zweite Halbjahr 2020 prognostiziert. Diese ist eng verbunden mit dem Aufheben von Reisebeschränkungen und Wiederanlauf der wirtschaftlichen Aktivität. Ob und wann die Nachfrage und Ertragslage der Vor-Coronazeit wieder erreicht werden kann ist derzeit nicht seriös zu prognostizieren. Sicher jedoch ist, dass auch dieses Branchensegment durch die aktuelle Krise rasant und nachhaltig verändert wird.

Was also ist zu tun? Wie können Autovermieter in dieser Situation kurzfristig bestehen und langfristig die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens sicherstellen? Und wie kann Interim Management hierbei konkret unterstützen?

Staying Alive“: Kurzfristige Maßnahmen

Als Reaktion auf den abrupten Nachfrageeinbruch und die daraus resultierende geschäftliche Notlage ist kurzfristig ein Fokus auf Liquiditäts- und Kostenmanagement erforderlich. Hier gilt es umfassende Maßnahmenprogramme zu entwickeln und konsequent umzusetzen. Kernbestandteile sind aus meiner Sicht folgende Punkte:

  1. Flotte: Für Autovermieter ist die Fahrzeugflotte die größte Kostenposition. Daher ist die schnellstmögliche Anpassung der Flottengröße an die eingebrochene Nachfrage entscheidend für die Wirtschaftlichkeit. Hier gilt es eine vorzeitige Fahrzeugrückgabe mit den Automobilherstellern so zu verhandeln, dass insbesondere die in vielen Verträgen existierenden Vertragsstrafen in dieser Ausnahmesituation nicht oder zumindest reduziert angewendet werden. Ebenfalls gilt es die geplanten Volumen zu reduzieren und/oder zeitlich zu strecken. Die MDR haben als langjährige große und verlässliche Flottenkunden der Automobilhersteller hier zu Recht die Erwartungshaltung auf ein kulantes Entgegenkommen der Hersteller. Diese verfügen über die größeren Kapitalreserven und haben ein eigenes langfristiges Interesse an der Zukunftsfähigkeit ihrer großen Flottenkunden. Autovermieter mit einem hohen Eigenanteil an Fahrzeugen können die Fahrzeugflotte durch den vorzeitigen Abverkauf über existierende Gebrauchtwagenvertriebskanäle reduzieren. Das dies möglich ist zeigen die Pläne von Europcar und Sixt die jeweilige Flottengröße bis Ende Juni um mehr als 20% zu senken.
  2. Personal- und Stationskosten: Lockdown und Nachfrageeinbruch haben große Auswirkungen auf die Öffnungszeiten des Stationsnetzwerks und die vielen dort beschäftigten Mitarbeiter. So verfügen beispielweise die beiden Autovermieter Sixt und Europcar jeweils über mehr als 500 Stationen allein in Deutschland. Hier gilt es die Kapazitäten und Öffnungszeiten anzupassen. Neben der Reduzierung von Zeitarbeitskräften für Hilfsarbeiten kann auch das Instrument der Kurzarbeit genutzt werden. So hat Sixt zunächst für drei Monate bis Ende Juni Kurzarbeit für viele Mitarbeiter eingeführt. In den Führungsebenen und zentralen Bereichen kann temporär ein Gehaltsanpassung verhandelt werden. Mit den Vermietern sollte strukturiert über eine Anpassung der Mieten verhandelt werden. Dies gilt auch für die größten Stationen, an den Flughäfen. Denn wo kaum Flugverkehr stattfindet, ist die Nachfrage nach Anschlußmobilität entsprechend gering.
  3. Marketing & Vertriebskosten: Die Reduzierung von Marketingausgaben betrifft insbesondere die geplanten Werbeausgaben. In dieser Ausnahmesituation, mit einer extrem geringen Nachfrage, bringt Media-Spending nicht die gewohnte Rendite. So hatte beispielsweise das weltweit größte Online-Reiseportal, Expedia, angekündigt sein Online-Werbebudget in diesem Jahr von geplanten 5 Milliarden US Dollar auf 1 Milliarde US Dollar zu senken. Events und Messen finden aktuell und auch in der nahen Zukunft nicht statt. Die Vertriebsarbeit mit Bestands- und Neukunden wird vornehmlich aus dem Home Office per Telefon, Mail und Videokonferenz geleistet werden. All dies bringt erforderliche Kosteneinsparungen.
  4. Liquidität: Ganz nach dem Motto „Cash is King!“ gilt es für eine optimale Cash-Position zu sorgen, um flexibel, unabhängig und „auf Sicht fahrend“ zu steuern. Neben den oben ausgeführten Punkten, die sich alle positiv auf den Cashflow auswirken, gilt es mit den Eigentümern und den Banken über die Aufstockung der Cash-Position zu sprechen. Ebenfalls sollten die Möglichkeiten am Kapitalmarkt geprüft werden. Und nicht zuletzt gilt es in dieser Notsituation staatliche Hilfen zu prüfen. So sicherte sich beispielsweise Sixt im Mai eine Kreditlinie in Höhe von 1,5 Milliarden Euro von der staatlichen Förderbank KfW. Europcar hat Hilfen bei der französischen und spanischen Regierung beantragt.
  5. Chancen: Kurzfristige Geschäftsmöglichkeiten bieten sich auch in der Krise. So war Sicherheit schon immer ein kritischer Faktor für den Erfolg in der Autovermietung. Vor COVID19 bezog sich dies nahezu ausschließlich auf den Bereich der Fahrzeugsicherheit. Dies wird jetzt erweitert um die Sicherheit vor Ansteckung. Viele Reisende werden die individuelle Fahrt mit einem Mietfahrzeug vollen Zügen oder beengten Verhältnissen im Flugzeug vorziehen. So bieten sich neue Absatzchancen für die Autovermieter, wenn Sie umfangreiche Hygiene- und Reinigungsmaßnahmen sicherstellen und entsprechend vermarkten. Leichte Nutzfahrzeuge werden verstärkt nachgefragt. Aufgrund von Lockdown und den weiterhin bestehenden Einschränkungen im stationären Handel boomt der Online-Handel. Damit verbunden ist eine Steigerung der Paketzustellung. Den Zustellern bieten Autovermieter eine flexible Aufstockung der Auslieferungsflotten.

„Winning the Future“: Transformation zur Sicherung des Geschäftsmodells

Nach den Sofortmaßnahmen zur Existenzsicherung benötigt es einer strategischen Ausrichtung zur Sicherung eines nachhaltig erfolgreichen Geschäftsmodells. Die Herausforderung für die Autovermieter besteht zum einen darin, Kosten schnell an die reduzierte Nachfrage anzupassen. Gleichzeitig gilt es, die Kundenorientierung zu erhöhen, um die Mieterfahrung zu verbessern und sich erfolgreich im Mobilitätsmarkt der Zukunft zu positionieren.

Der Schlüssel für die Zukunft: Digitalisierung von „Customer Journey“ und Fahrzeugzugang

Der Schlüssel, um dies sicherzustellen, ist die konsequente Digitalisierung der „Customer Journey“. Viele Kunden, insbesondere Vielreisende und Geschäftskunden, erwarten einen kundenfreundlichen komplett digitalisierten Vermietprozess. Dies beinhaltet die Auswahl des Mietwagens, die Buchung, Fahrzeugübernahme und Bedienung während der Miete sowie die Rückgabe, inklusive Schadenmanagement. All dies sollte über die App des jeweiligen Vermieters per Smartphone möglich sein. Kunden wollen unabhängig von Öffnungszeiten der Vermietstationen und Verfügbarkeit von Personal Zugang zum Mietwagen. Dies spart Zeit und – nach der Pandemie zunehmend bedeutsam – reduziert nicht zwingend benötigte Kontakte.

Natürlich ist dies keine neue Anforderung an die MDR. Die Apps der Vermieter bilden bereits heute zumindest Bestandteile der „Customer Journey“ ab. Allerdings fehlen oftmals Kernfunktionalitäten, um einen komplett digitalen Vermietprozess umzusetzen. Insbesondere der digitale Fahrzeugzugang, also die Fähigkeit das Fahrzeug per App zu öffnen und zu verschließen, ist bei vielen Anbietern entweder gar nicht oder nur sehr eingeschränkt verfügbar. Dies ist jedoch eine zwingende Voraussetzung, um den Kunden die Möglichkeit zu geben das Smartphone als Autoschlüssel einzusetzen und losgelöst von Stationen Fahrzeuge auszuleihen. Dabei verschmelzen die Vermieter das Angebot der klassischen Vermietung mit dem des Car Sharing. So können sie insbesondere in den Ballungsräumen zusätzlich Kunden gewinnen. Neben der verbesserten Kundenerfahrung lassen sich hiermit Kosten signifikant senken. So wird die beschleunigte digitale Transformation im Vermietprozess durch die aktuelle Situation zwingend zur Notwendigkeit, um die Autovermieter wieder in die Erfolgsspur zurückzubringen und die geschäftliche Zukunft nachhaltig zu sichern!

Ich stimme meinem geschätzten Kollegen Dietmar von Polenz zu, der in seinem Erstbeitrag zu unserer Serie zu folgender Einschätzung kommt: „COVID-19 wird dadurch zum „Game Changer“ von Märkten und Wertschöpfungsketten, an deren Neuausrichtung Interim Manager aktiv und gestaltend mitarbeiten werden.“

Um Transformation schnell und erfolgreich mit Ihrem Team für Ihr Unternehmen umzusetzen, kann eine zeitlich befristete externe Hilfestellung durch erfahrene DDIM Interim Manager hilfreich sein.  Nutzen Sie unsere Fähigkeiten, um Digitalisierung von Prozessen, Transformation und Neustart zu beschleunigen !

Über den Autor

Rafael Apélian verfügt über langjährige Senior-Managementerfahrung in der internationalen Automobil- und Mobilitätsindustrie. Seine Expertise im Bereich Autovermietung erwarb er sich in der Position des Chief Operating Officer bei der Europcar Autovermietung GmbH. Als Interim Manager leitete er die Sales & Marketing Aktivitäten für den digitalen Fahrzeugzugang bei der Huf Secure Mobile GmbH. Er ist in der DDIM.fachgruppe // Automotive aktiv und seit November 2018 DDIM Vorstand. Darüber hinaus doziert er an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Bratzel im Studiengang M. A. Automotive Management.

Rafael Apélian [Interim Manager & Executive Consultant]

Über die Fachgruppe

Die 30 Mitglieder der DDIM.fachgruppe Automotive wenden sich an Automobil­zuliefer­unternehmen, Automobilhersteller und -importeure, Automobilhändler und -handels­­gruppen, an die Anbieter im Aftermarket und alle weiteren Mobilitäts­anbieter. Wir werden Ihnen dabei helfen, aus der Corona Krise wieder schnell, gestärkt und zukunfts-sicher ausgerichtet in die Erfolgsspur zurückzukehren. Nutzen Sie in Ihrem Unternehmen temporär und flexibel die langjährige Erfahrung, die Umsetzungsstärke und gestandene internationale Führungs-Erfahrung unserer Interim Managerinnen und Manager!

Wir freuen uns auf den Kontakt mit Ihnen.

DDIM.fachgruppe // Automotive
Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e. V.