Restrukturierer und Sanierer erwarten für 2019 Nachfrage-Boom
Interim Manager rechnen mit steigender Zahl von Unternehmensinsolvenzen
Über die DDIM.fachgruppen
In den DDIM.fachgruppenhaben sich Mitglieder zusammengeschlossen, die in gleichen Branchen und Funktionen oder an vergleichbaren Aufgabenstellungen und Sonderthemen arbeiten. Die Mitglieder sind auf ihren Gebieten Experten, sie tauschen ihr Wissen und ihre Erfahrungen aus.
Eines ihrer Ziele ist es, das Interim Management in den einzelnen Disziplinen bekannter zu machen und eine Nähe zur Industrie, zu Verbänden und zu Fachmedien herzustellen.
INTERVIEW
Christoph Deinhard ist längjähriger und erfahrener Interim Manager. Er leitet die DDIM.fachgruppe Restrukturierung & Sanierung. Er und seine Kollegen unterstützen die Unternehmen in schwierigen Prozessen und können, bei rechtzeitigem Einsatz, durch ihre Erfahrung Unternehmen retten.
Inés Carrasco: Wie entwickelt sich der Einsatz von Interim Managern im Bereich Restrukturierung und Sanierung?
Christoph Deinhard: In den letzten zwei Jahren ist wenig los gewesen. Das liegt daran, dass es nichts zu restrukturieren gab. Im letzten Jahr gab es zum Beispiel bei Unternehmen in Deutschland mit über 20 Millionen Euro Umsatz nur fünf Insolvenzen.
Das hängt damit zusammen, dass Bankenfinanzierungen leicht zu erhalten waren, weil zu viel Geld im Markt war. Die Banken haben wegen der Liquiditätsschwemme durch die Europäische Zentralbank sehr leicht finanzieren können. Auf der anderen Seite gab es nur noch Minimargen. Das heißt, die Banken wussten nicht wirklich, was sie tun konnten, um überhaupt noch etwas zu verdienen, ausser, zu viel auszuleihen. Es sind daher viele Unternehmen durchfinanziert worden, bei denen man das besser hätte bleiben lassen. Wegen der dadurch entstandenen Verzögerung bei den ToDos werden vermutlich manche Unternehmen demnächst insolvent gehen, die – bei früher einsetzender Restrukturierung – durchaus hätten überleben können. Im Moment stauen sich nach meiner Auffassung die drohenden Insolvenzen. Ich erwarte ab Anfang 2019 fast einen ‚Tsunami‘. Es werden viele Unternehmen plötzlich in Restrukturierungs- und Sanierungssituationen kommen. Ich rechne damit, dass wir dann auch wieder verstärkt angefragt werden.
Inés Carrasco: Welche Chancen sehen Sie für den deutschen Mittelstand im Einsatz von Interim Managern im Bereich Restrukturierung und Sanierung?
Christoph Deinhard: Die Mittelständler kommen oft zu spät. Sie holen zwar immer wieder Berater, aber Berater haben in der Regel noch nie als Organ einer Gesellschaft selber eine Sanierung verantwortet. Berater entwerfen Lösungen auf dem Papier, ohne dafür haften zu müssen, dass diese richtig sind. Eine reine Analyse hilft nämlich nicht viel. Es ist schwierig, Mittelständler davon zu überzeugen, dass es keine Schande ist, uns zu holen, und das zu einem frühen Zeitpunkt. Denn dann ist eine Restrukturierung am schnellsten, günstigsten und effektivsten. Die meisten rufen erst an, wenn sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können oder kurz vor der Insolvenz stehen. Dadurch werden Restrukturierungen schwieriger und meist auch teurer.
Inés Carrasco: Welche Rolle spielt hier der „Fachkräftemangel“ auf Führungsebene?
Christoph Deinhard: Echte Restrukturierer gibt es in Deutschland ganz wenige. Das sind solche, die von Anfang bis Ende an der Spitze eines Unternehmens eine Restrukturierung durchführen. Davon gibt es in Deutschland nach meiner Auffassung vielleicht 40 bis 50.
Inés Carrasco: Wie kann Ihrer Meinung nach größeres Interesse in deutschen Unternehmen für den Einsatz von Interim Managern in Ihrem Bereich erzielt werden?
Christoph Deinhard: Wir sind in einem Beruf tätig, wo die Kunden oft Angst haben, uns zu holen, weil sie dann weniger zu sagen haben. Wenn man eine Sanierung rechtzeitig und sauber macht, dann bekommt der Gesellschafter sein Unternehmen gesund zurück. Wenn er wartet, bis sein Unternehmen insolvent geht und ohne Anteilsabgabe nichts mehr gemacht werden kann, dann wird es leider manchmal weniger angenehm.
Inés Carrasco: Welche Rolle spielt die Digitalisierung und die digitale Transformation aktuell für das Interim Management für die Mitglieder Ihrer Fachgruppe?
Christoph Deinhard: Wer versucht, Unternehmen produktiv zu machen, der muss immer Prozesse verbessern und möglichst viel automatisieren. Das Werkzeug zur Automatisierung von Prozessen lautet IT und Digitalisierung. Man muss sich zunächst einen Überblick über die Prozesse in einem Unternehmen verschaffen. Wenn man z.B. einen Produktionsbetrieb hat, der zehn Stufen der Wertschöpfung hat, und man stellt bei der Qualitätskontrolle erst in der achten Stufe der Wertschöpfung fest, dass in der 4 Stufe ein Fehler war, dann waren 4 Wertschöpfungsstufen umsonst, haben aber Geld gekostet. Das heißt, wir müssen jeden Schritt der Wertschöpfung prüfen, Qualität sichern, und erst dann darf weitergereicht werden an die nächste Bearbeitungsstufe. Oft ist das leider anders. Sie erhalten eine grosse Steigerung an Produktivität, wenn Sie die Prozesse optimieren. Sehr wichtig ist auch die Mensch – Maschine Schnittstelle. Hier gilt es, diese so menschlich wie möglich zu gestalten und mit IT zu unterstützen. Es gibt natürlich einige Bereiche, wo dies schlecht möglich ist, z.B. im Personalwesen und Teilen der Buchhaltung.
Inés Carrasco: Welche Themen stehen aktuell bei Ihrer Fachgruppe auf der Agenda?
Christoph Deinhard: Optimierung. Das Erste einer Restrukturierung / Sanierung besteht darin , dass man kurzfristig dafür sorgt, dass die Rechnungen wieder bezahlt werden können. Das wichtigste Ziel aber, welches häufig übersehen wird, besteht darin, dass wieder ein langfristig erfolgreiches Unternehmen entsteht. Dazu müssen all die Dinge eingeführt werden, die es ermöglichen, den Wertschöpfungsprozess zu optimieren. Also das Praktische, bestehend aus Strategie und Operative. Auch der professionelle Umgang und die Kommunikation mit Inhabern, Geschäftsführern, Banken und anderen Stakeholdern während einer Restrukturierung ist entscheidend. Unser Ziel in der Fachgruppe ist es, das aus der Praxis kommende Know How methodisch sauber aufzubereiten und es den DDIM Mitgliedern zur Verfügung zu stellen. Wir freuen uns natürlich auch über Anfragen von ausserhalb der DDIM, die die Kompetenz der DDIM in diesem Zusammenhang nutzen wollen.
Christoph Deinhard hat jahrelange Erfahrung als Interim Manager. Er hatte unter anderem Mandate im Anlagenbau, in der Luft/Raumfahrt und in der Pharmaindustrie. International er schon auf fünf Kontinenten im Einsatz. Seine Aufgabenschwerpunkte sind Post Merger Integration, Restrukturierung und Aufbau. Zum Managerprofil
Über die DDIM
Die Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e.V. (DDIM) ist die führende Branchenvertretung für professionelles Interim Management in Deutschland. Die Hauptaufgaben des Berufs- und Wirtschaftsverbandes sind die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder und die nachhaltige Förderung des Interim Managements in Deutschland.
Die DDIM definiert die Berufsstandards, fördert die Qualitätssicherung und unterstützt den Wissenstransfer ihrer Mitglieder. Die Mitgliedschaft in der Dachgesellschaft gilt als Ausweis für hohe Qualität und Kompetenz im Interim Management. Die Dachgesellschaft widmet sich der öffentlichen Anerkennung und dem beständigen Wachstum der Branche. Als ihre international vernetzte Stimme versorgt sie Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit mit relevanten Informationen und ist Ansprechpartner für alle Fragen zum Interim Management. Die legitimen Interessen ihrer Mitglieder vertritt sie unabhängig und überparteilich.
Autorin: Inés Carrasco