Prozessmanagement meets Purpose oder: Warum scheitern 75% aller Transformationen?
Ein Beitrag von Udo Janetzki und Nico Zinndorf für die DDIM.fachgruppe // Prozessmanagement
1. Purpose ein neuer Trend?
1.1. Die neue gesellschaftliche Herausforderung
Angesichts gesellschaftlicher und geopolitischer Herausforderungen, wie z.B. dem neuen Europäische Lieferkettengesetz, rücken die Fragen nach dem tieferen Sinn von Unternehmen und deren Geschäftsmodellen und -prozessen immer mehr in den Fokus der Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten, der Stakeholder letztendlich, und spiegelt sich im sogenannten “Purpose” eines Unternehmens.
Kunden, Mitarbeiter, Geschäftspartner und Gesellschaft erwarten, dass sich ein Unternehmen positioniert und die eigenen Interessen mit gesellschaftlich relevanten Zielen abgleicht. Dabei müssen Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse untersucht und analysiert werden. Dabei reicht nicht die pure Behauptung, man sei ökologisch oder besonders sozial aufgestellt. Purpose Driven Marketing muss aufrichtig sein, zum Unternehmen und der Marke passen. Green- oder Social-washing oder halbherzige Aussagen, die nicht mit dem tatsächlichen Agieren des Unternehmens zusammenpassen, werden schnell zum Bumerang. Bevor ein Unternehmen eine bestimmte Haltung fürs Marketing nutzt, sollte es diese zunächst intern überprüfen, verankern und leben und in seinen Zielen und Werten widerspiegeln. Das Marketing muss am Ende eines Veränderungsprozesses stehen, nicht am Anfang.
1.2. Die unternehmerische Herausforderung
Von Unternehmen wird heute mehr erwartet als nur gute Produkte herzustellen. Sie sollen auch etwas zum großen Ganzen beitragen, sich mit ihrem “Purpose” – dem Zweck, zu sozialen Fragen, Nachhaltigkeit und Menschenrechten – positionieren und dabei ehrlich und authentisch sein.
Generationenübergreifend treffen wir bei unseren Mandanten auf Personal und Stakeholder, die auf der Suche sind nach einem Ausgleich zwischen anspruchsvoller Herausforderung und nach der Sinnhaftigkeit, einem nachhaltigen Mehrwert, einem vernünftigen Zweck, den sie mit ihrer Arbeit erfüllen wollen. Eine Orientierung bieten die ESG-Kriterien (Environmental, Social and Governance) der Vereinten Nationen: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung und Werte.
Jetzt sprechen Unternehmen davon, Ihre Produkte und Prozesse zu ändern und zu optimieren, sodass die Umwelt und die Ressourcen besser geschützt sind und insgesamt zu einem besseren gesellschaftlichen Umfeld führen. Neu ist das nicht, es trägt eben nur völlig andere Vorzeichen. Für dieses Vorgehen braucht es einen neuen Begriff, eben den “Purpose”. Diese Definition des Unternehmens-Purpose muss gemeinsam mit allen Stakeholdern erfolgen, um das Unternehmen auf dem richtigen Kurs zu halten bzw. zu bringen.
1.3. Differenzierung Vision – Mission – Purpose
Zur Vision und Mission des Unternehmens hat sich der Purpose gestellt. Aber warum eigentlich? Was ist nicht schon in der Vision, Mission, in der Zielsetzung enthalten? Die Antworten darauf sind so zahlreich wie widersprüchlich.
In unserer täglichen Arbeit als Berater und Interim Manager begegnen uns in unseren Gesprächen immer öfter Fragestellungen auf allen Ebenen des Unternehmens wie zum Bsp.:
- Wie unterscheiden sich Purpose, Mission und Vision?
- Was tun, wenn Produkte und Geschäftsprozesse aus Sicht der Mitarbeiter dem Purpose eines Unternehmens widersprechen?
- Wie wichtig ist das Thema bei der Positionierung des Unternehmens und der Gewinnung von Führungskräften? „War for Talents“. Employer Branding
- Purpose Statement formuliert? Was jetzt?
- Purpose-Profit Dilemma. Was soll an erster Stelle stehen?
So wird von Organisationen und deren Geschäftsprozessen zunehmend erwartet das sie Mehrwert schaffen. Sozialen, ökonomischen und ökologischen Nutzen stiften angelehnt an diese ESG-Aspekte – Umwelt, Soziales und Compliance -. Insbesondere Mitarbeiter und auch zunehmend die Kunden stellen die Sinnfrage, weil sie nicht mehr nur arbeiten bzw. konsumieren, sondern einen sinnstiftenden Beitrag leisten wollen.
1.4 Was ist also der Purpose und wie ist die Abgrenzung zu Mission und Vision?
Die Vision ist stärker nach innen gerichtet und dient den Stakeholdern als langfristige Orientierung, wo das Unternehmen nach einem bestimmten Zeitraum stehen will. Sie geht über das operative Tages Geschäft hinaus und betont was erreicht werden soll.
Die Mission ist dagegen kurzfristig und stark auf das operative Geschäft ausgelegt. Sie legt fest, wie das Unternehmen seine Ziele erreichen will. Sie ist stark kundenorientiert und nach außen gerichtet.
Der Purpose als grundlegendes Ziel eines Unternehmens spiegelt die Daseinsberechtigung wider und verdeutlicht was das Unternehmen für die Gesellschaft und alle Stakeholder tut. Dabei soll ein erfolgreicher Purpose Sinn in der operativen Arbeit in den Geschäftsprozessen als auch ein Treiber sein und für Motivation bei den Beschäftigen sorgen. Dazu gehören zum Bsp. Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Integrität und eine offene transparente Kommunikation.
2. Analyse der Geschäftsmodelle und -prozesse initiiert Fragen nach dem großen Ganzen – dem Unternehmens Purpose.
Bei der Formulierung des Purpose stellen die Beschäftigten oft fest das Ihre Geschäftsprozesse, Dienstleistungen und Produkte nicht mit dem Purpose des Unternehmens übereinstimmen. In einem ersten Schritt ist dann abzuklären, worin diese Abweichungen beruhen. Dies kann eine gründliche Analyse erfordern, um festzustellen ob die Abweichungen auf interne Prozesse, fehlende Ressourcen, unklare Richtlinien oder andere Faktoren wie zum Bsp. auf das neue Lieferkettengesetz zurückzuführen sind. Anschließend müssen nach sorgfältiger Abwägung und Beratung mit den entscheidenden Stakeholdern Änderungen vorgenommen werden.
Eine andere Möglichkeit ist es Produkte und Geschäftsprozesse mit dem Purpose in Einklang zu bringen. Das kann bedeuten das Produktlinien und Geschäftsprozesse überarbeitet werden müssen.
Klare Kommunikation und Workshops können dazu beitragen, dass das Verständnis und die Akzeptanz des Purpose für Mitarbeiter verbessert wird. Die Ausrichtung auf den Purpose ist ein dynamischer Prozess, der regelmäßig überprüft werden muss, um sicher zu stellen, dass das Unternehmen auf dem richtigen Kurs bleibt.
3. Verständnis des Unternehmens Purpose erleichtert Transformationsprozesse
75% aller Transformationen scheitern am fehlenden Unternehmens Purpose. Die Umsetzung von Transformationen wird durch ein gemeinsames Verständnis des Unternehmenspurpose gefördert und unterstützt die Veränderungen, Motivation und Loyalität aller Beteiligten.
Studien1 zeigen, dass Unternehmen, die einen klaren Purpose implementiert haben, positive Veränderungen in der Gesamtperformance, Produktivität und Effektivität der Geschäftsprozesse, verzeichnen können. Alle Stakeholder sind auf diese Reise mitzunehmen. Der richtige Purpose sorgt dafür, dass nicht nur alle wissen, wohin es geht, sondern auch warum.
3.1. Wie kann der Purpose kommuniziert werden?
Wer sein Unternehmen in ein verständliches Purpose Papier gefasst hat, kann sicher gehen, dass jetzt die Arbeit erst losgeht.
- Purpose muss vom Topmanagement gelebt werden. CEO sollten daher Purpose zur Basis Ihrer Kommunikation nehmen. Die jährliche Rede bei der Betriebsversammlung und ein paar Pressestatements sind da zu wenig. Besonders wichtig ist es die mittlere Managementebene als Bindeglied zu den operativen Mitarbeitern und Prozess-Ownern immer wieder in die Pflicht zu nehmen und als aktive Purpose Botschafter zu positionieren. Hier sind auch wir Interim Manager mit unseren Erfahrungen aus unzähligen Change-Management Projekten als Wissensvermittler ständig gefragt.
- Der Purpose muss fest in die Strategie integriert werden. Purpose lässt sich nicht losgelöst von der Vision, der Mission und den Werten eines Unternehmens entwickeln. Er muss kaskadenhaft über alle Ebenen des Unternehmens entwickelt und verstanden werden. Hier hilft in vielen internationalen Unternehmen die Balance Score Card (BSC) für ein besseres Verständnis und eine erfolgreiche Messung von Unternehmenskennzahlen. Die internationale Personalberatung Odgers Berndtson hat ermittelt, das Purpose auf Rang 3 der wichtigsten Parameter von wechselwilligen Führungskräften liegt. Der Purpose hat sich als Differenzierungsmerkmal beim Employer Branding herausgestellt und schafft Mehrwert bei der Rekrutierung von Führungskräften. Laut Umfragen ist nur noch 14 % der Arbeitnehmer das Gehalt bei der Wahl des Arbeitgebers am wichtigsten. 41 % wollen im Job fachlich und persönlich wachsen. Zudem wünschen sich ca. 41 % der Befragten Vorgesetzte und Unternehmen, die sie trainieren und fördern.
- Veränderungsprozesse im Unternehmen sind mit Purpose schneller voranzutreiben2. In Zeiten des Wandels und Umbruches entfaltet er sein strategisches Potenzial, weil er Orientierung gibt und transparent und klar aufzeigt, warum und mit welchem Ziel das Unternehmen seine Geschäftsprozesse ändern muss. Da Transformationen in Branchen wie Automobil, Chemie oder Energie viele Jahre dauern können, ist Purpose als Treiber und Anker insbesondere in schmerzhaften Transaktionen von großem Wert.
- Purpose schafft eine starke Unternehmenskultur. Die Kultur eines Unternehmens beschreibt wie sich die Organisation, ihre Führungskräfte und ihre Mitarbeiter im Arbeitsalltag verhalten und kommunizieren. Ohne eine gesunde Unternehmenskultur lässt sich die beste Strategie und Purpose Definition nicht umsetzen. Sie ist die treibende Kraft in einer Organisation und lässt sich nicht so einfach von oben verordnen. Sie muss wachsen top-down wie bottom-up. Werte, die sich Organisationen selbst geben stehen in engem Bezug zu Purpose. Werte wie, Nachhaltigkeit, Innovationsfreude, Respekt, Fairness und Zusammenarbeit. Idealerweise sollten Purpose, Kultur und Strategie eng miteinander verknüpft sein. Leider sind sie es im Kompetenzgerangel der Abteilungen und Bereiche selten.
3.2. Gemeinwohl oder Gewinnorientierung? Was hat Priorität?
Heutzutage muss sich jedes Unternehmen fragen in welchem Verhältnis der Profit zum Unternehmenszweck, dem Purpose stehen soll. So entsteht das vermeintliche Purpose-Profit Dilemma. Verantwortliches Handeln oder ökonomischer Erfolg? Was sollte an 1. Stelle stehen?
Gewinn- und Gemeinwohl-Orientierung sollten kein Gegensatz sein, sondern müssen entsprechend ausbalanciert sein. Der Purpose braucht auf jeden Fall effiziente Geschäftsprozesse, die ein profitables Geschäfts Modell abbilden und den ökonomischen Spielraum garantieren. Dazu benötigt es den klaren Willen der Unternehmensführung. Keinesfalls ersetzt in einem Purpose-getrieben Unternehmen die Gemeinwohlorientierung die Gewinnorientierung. Im Gegenteil. Insbesondere in B to C Business wird gelebter Purpose zum Erfolgsschlüssel. Für immer mehr Kunden macht er beim Griff ins Regal den Unterschied, rechtfertigt höhere Preise und sorgt für höhere Loyalität der Kunden.
Die Kunst der Unternehmensführung liegt darin das soziale Engagement und die Business Performance in Einklang zu bringen.
4. Wie lässt sich der Unternehmens Purpose im Unternehmen definieren und kommunizieren?
Ein guter Unternehmens Purpose als Leitbild hilft Unternehmen relevant zu bleiben. Gut implementiert und kommuniziert stärkt er die Resilienz und trägt zur Differenzierung im Markt bei. Konsequent angewendet trägt er langfristig zum Unternehmenserfolg bei und führt zu neuem Wachstum. Dieses Wachstum brauchen wir um in den aktuellen volatilen Zeiten die Welt ein bisschen besser zu machen.
Die Mitglieder der DDIM Fachgruppe Prozessmanagement beschäftigen sich auch mit diesen Fragen der Purpose-getriebenen Organisation, neben den klassischen traditionellen Zielen einer Prozessoptimierung und deren Tools und Ergebnissen. Die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von Purpose im Unternehmen sensibilisiert alle Beteiligten und führt zu einer schrittweisen Auflösung von Zielkonflikten.
Ausgerüstet mit Flip-Chart, Brown Paper oder Meta Plan Koffer und Stift analysieren wir bei unseren täglichen Diskussionen mit den Geschäftsprozess Ownern nicht nur das „Wie, „Was“ der Prozesse, sondern vermehrt auch das „Warum“. Alle Unternehmen wissen, was sie tun. Manche wissen, wie sie es tun. Aber nur sehr wenige wissen, warum sie es tun. Gewinnstreben ist dabei keinesfalls die Antwort mehr auf das „Warum“. Das ist nur das Resultat.
5. Die 5 Aspekte eines gelungenen Purpose Statement
Folgende Aspekte sollte ein gelungenes Purpose Statement in heutigen Zeiten enthalten3:
- Es sollte ein drängendes menschliches, gesellschaftliches oder ökologisches Problem ansprechen.
- Das Statement sollte authentisch sein und zu den wahren Zielen des Unternehmens passen.
- Das Unternehmen muss glaubwürdig vermitteln können das es in der Lage ist seinen Purpose zu erfüllen.
- Das Statement sollte klar definieren, wer oder was davon profitieren würde.
- Der Purpose sollte gleichermaßen Verstand und Herz inspirieren.
Gerne helfen wir Ihnen dabei. Nutzen Sie in Ihrem Unternehmen temporär und flexibel die langjährige Erfahrung, die Umsetzungsstärke und gestandene internationale Führungs-Erfahrung unserer Interim Managerinnen und Manager!
Wir freuen uns auf den Kontakt mit Ihnen!
Quellen:
- Verlagsspezial der FAZ, November 2023
- Havard Business Review, Professor Catherine Balley, Professorin am King’s College London
- Fabian Kienbaum, Geschäftsführer Kienbaum Consultants International
DDIM Interim Manager Udo Janetzki ist seit über 40 Jahren im Management von produzierenden Unternehmen in der Gebrauchs- und Konsumgüterindustrie tätig. Davon 30 Jahre als angestellter Manager und seit 2010 als Interim Manager. Seit dieser Zeit ist er auch DDIM Mitglied. In seinen Mandaten hat er den Schwerpunkt Supply Chain Management, General Management und Change Management. Seine häufigsten Einsatzbranchen sind der Maschinenbau und die Metall- und Elektroindustrie. Als Interim CEO, CRO, CTO und VP Supply Chain versteht er es, durch nachhaltige Verbesserung der Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle seine Auftraggeber zurück in die Erfolgsspur zu bringen.
Nico Zinndorf ist seit fast 30 Jahren im Supply Chain Management beheimatet. Er ist Chemie-Ingenieur und Diplom-Kaufmann. Nach unterschiedlichen Stationen bei großen Konzernen mit europaweiter und internationaler Verantwortung in der Konsumgüterindustrie, im Retail- und Onlinehandel und in der Geschäftsprozessoptimierung ist er seit 11 Jahren als freiberuflicher Berater und Interim Manager unterwegs. Er ist spezialisiert auf Produktion, Logistik und Supply Chain Prozesse in den Industrien FMCG, Spezialmaschinenbau, Kunststoff und Chemie.
In den DDIM.fachgruppen haben sich Mitglieder zusammengeschlossen, die in gleichen Branchen und Funktionen oder an vergleichbaren Aufgabenstellungen und Sonderthemen arbeiten. Die Mitglieder sind auf ihren Gebieten Experten, sie tauschen ihr Wissen und ihre Erfahrungen aus. Eines ihrer Ziele ist es, das Interim Management in den einzelnen Disziplinen bekannter zu machen sowie mehr Nähe zur Industrie, zu Verbänden und zu Fachmedien herzustellen.
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