Mehr Rechtssicherheit für Selbstständige & freie Experten

Interview mit Carlos Frischmuth, Sprecher der Allianz für selbständige Wissensarbeit.

Guten Tag Herr Frischmuth. Die Allianz für selbständige Wissensarbeit setzt sich in ihrer Initiative Experten-Arbeit-Stärken für mehr Rechtssicherheit für selbstständige Experten ein. Was sind die Ziele Ihrer Kampagne?

Carlos Frischmuth DDIM

Carlos Frischmuth, Sprecher der Allianz für selbständige Wissensarbeit.

Ziel war und ist es sich Gehör und Aufmerksamkeit zu verschaffen, daher hat die ADESW mehrere Kampagnen initiiert. Die aktuelle ADESW-Kampagne www.experten-arbeit-stärken.de setzt bewusst auf sehr direkte und persönliche Botschaften, die unmittelbar an die politischen Entscheidungsträger, etwa an den Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises, gerichtet sind. Mit Plakataktionen im Regierungsviertel und über die sozialen Netzwerke wollen wir den Druck auf die Politik zusätzlich erhöhen. Denn wir sehen erhebliche Probleme auf die deutsche Wirtschaft zukommen. Die Bundesregierung nimmt durch ihre derzeitige Arbeitsmarktregulierung Kollateralschäden, wie der Digital-, IT-, und Kreativwirtschaft, aber auch bei Ingenieuren, freien Interimsmanagern und Honorarärzten (billigend) in Kauf. Diese Branchen werden im Koalitionsvertrag noch als besonders förderwürdig bezeichnet, statt dessen gräbt man ihnen aber das Wasser ab. Ebenso wie auf die gezielte Förderung von Existenzgründern. Denn das sind die erfolgreichen Arbeitgeber von morgen, die attraktive und gut bezahlte neue Jobs schaffen.

Welche Probleme ergeben sich besonders für selbstständige Experten und freie Wissensarbeiter durch die aktuelle Rechtsunsicherheit?

Die Arbeit von hunderttausenden Selbständigen gestaltet sich schon seit längerer Zeit schwierig. Eine unkalkulierbare und nicht mehr zeitgemäße Prüfpraxis der Deutschen Rentenversicherung durch das Statusfeststellungsverfahren der Clearingstelle verunsichert die selbständigen Spezialisten und deren Auftraggeber. Dadurch werden die freien Experten im besten Fall verspätet oder nur verkürzt eingesetzt; im schlimmsten Fall verlieren sie ganze Aufträge. In Politik und Gesellschaft fehlt leider das Verständnis für diese wichtige Gruppe innerhalb der deutschen Wirtschaft. Dabei profitieren deutsche Firmen schon lange von selbständigen, hochqualifizierten Experten. Gerade sie sind es, die über Jahre für unser Land zu einem zentralen Erfolgsfaktor geworden sind. Anstatt diesen Erfolg langfristig zu sichern, werden die Wirkmöglichkeiten dieser freiberuflichen Experten durch pauschale regulatorische Eingriffe eingeschränkt oder zumindest erschwert.

Was sind aus Ihrer Sicht notwendige Schritte, um die Rechtssicherheit für Selbstständige generell und für selbstständige Experten im Besonderen zu verbessern bzw. zu optimieren?

Das Ziel der Bundesregierung sollte es sein, den echten Missbrauch im Arbeitsmarkt zu verhindern und dazu unnötige bürokratische Hürden für Bürger(innen), Unternehmen und Selbständige abzubauen. Allerdings bewirkt die aktuelle Situation und noch mehr die Pläne aus dem Arbeitsministerium eher das Gegenteil. So werden durch die geplanten Meldepflichten an den Betriebsrat zusätzliche Hürden für unternehmerisches Engagement geschaffen, anstatt für eine rechtssichere und zukunftsfähige Dienstleistungswirtschaft in Deutschland zu sorgen. Diese Dinge waren für den Arbeitsmarkt des Industriezeitalters vielleicht noch sinnvoll, aber eine moderne, zunehmend digitale Wirtschaft braucht einen dynamischen und flexiblen Arbeitsmarkt und damit auch rechtliche Rahmenbedingungen, wodurch die enormen Potenziale der selbständigen Experten, unbürokratisch nutzbar macht.

Um Rechtssicherheit zu erreichen sind daher praxisnahe Lösungen notwendig. Etwa bei der sozialen Absicherung von Solo-Selbstständigen und beim Statusfeststellungsverfahren der Deutschen Rentenversicherung. Dieses Prüfverfahren (zur Feststellung des Erwerbsstatus) muss einfach, schnell, sicher und verlässlich sein. Wir denken hier etwa an einen Schnellbescheid zum Selbständigenstatus als Lösungsweg. In den Niederlanden wird das bereits erfolgreich praktiziert. Dort ist durch die Einführung von so genannten „Forward-Bescheiden“, ähnlich einer TÜV-Plakette, für die Betroffenen Rechtssicherheit für einen definierten Zeitraum gegeben. Hier kann man sich an die bewährte, niederländische VAR-Regelung anlehnen, die auf einem wenige Fragen umfassenden Onlineformular basiert. Es gibt in Deutschland also noch viel zu tun!

Aus Ihrer Sicht: Wie groß ist der Missbrauch – also die Scheinselbstständigkeit – in Deutschland wirklich? Und wie können sich Selbstständige davor schützen?

Kritisch bewerten wir die künstliche überhöhte Vorstellung von Missbrauch. Natürlich gibt es diesen, das verurteilen wir, aber wir müssen doch realistsich bleiben. Deutschland ist doch keine Bananenrepublik. Wir sind unter den Top 10 der stärksten regulierten Wirtschafts- und Arbeitsmärkten weltweit. Der Zoll arbeitet sehr wirksam. Auch in der Kontrolle von Arbeitsmarktmissbrauch. Fazit: Missbrauch ist die Ausnahme und darf nicht pauschal als Begründung verwendet werden. Selbständige können sich ganz einfach schützen, indem sie sich bei der Übernahme von Aufträgen nicht in eine arbeitnehmernahe Beschäftigungssituation drängen lassen. Einfache Regeln sind z.B.:

  • eigenes Unternehmerisches Auftreten (Website, Buisnesskarten)
  • im Auftragsbetrieb als Externer erkenntlich bleiben
  • eigene Buchhaltung und kaufmännisches Auftreten
  • ggf. Eigene Beschäftigte, und sei es in Teilzeit
  • Arbeitszeiten, Urlaub selbst bestimmen
  • Eigene Arbeitsmittel einsetzen

Die klare Abgrenzung als selbständiger Experte und somit als freier Externer ist für die Gruppe der freien Interimsmanager von besonderer Bedeutung, da Sie naturgemäß intensiver mit den Weisungungsketten des Auftraggebers involviert werden. Für die Abgrenzungsbewertung scheint ein gewisser Anteil an ”Change-Aufgaben” (beispiels explizit im Auftrag beschriebene Restruktierungsausgaben) von Vorteil zu sein. Insofern könnten Interim-Manager diesen Aufgabenanteil stärker mit den Auftraggebern in das Aufgabenpaket reinverhandeln. Aber das sind nur persönliche Erfahrungswerte, am Ende zählt wie wir alle wissen das Wort der Juristen!

Das Thema Scheinselbstständigkeit verunsichert viele Selbstständige sehr. Welche Auswirkungen hat die aktuelle Rechtsunsicherheit auf die Arbeitssituation von Selbstständigen in Deutschland?

Sowohl für Unternehmen als auch für Selbständige heißt das: Wir müssen weiterhin gemeinsam für die Akzeptanz beim Gesetzgeber und innerhalb der Gesellschaft kämpfen. Wir konnten in Zusammenarbeit mit weiteren Verbänden den verantwortlichen Politikern aufzeigen, wie wichtig diese Gruppe der hochqualifizierten Selbständigen für die deutsche Wirtschaft ist. Deswegen wurde der ungenügende Entwurf aus dem November 2015 gekippt, der die Beauftragung von Selbständigen erschwert hätte.

Eine gute Botschaft gibt es dann aber auch für selbständige Experten und deren Auftraggebern: der aktuell dem Bundestag vorliegende Gesetzesentwurf wird eine Zusammenarbeit, unter Beachtung bestimmter Grundregeln für den Einsatz von Subunternehmern, weiterhin ermöglichen. Darüber hinaus geben wir nicht auf, der Politik aufzuzeigen, dass weiterhin großer Handlungsbedarf besteht, wenn es um die Entbürokratisierung bzw. Vereinfachung und Schaffung von mehr Rechtssicherheit geht. Wir setzen uns für eine Überwindung der Verunsicherung im Markt und für deutlich verbesserte Arbeitsbedingungen für selbständige Experten ein. Daher kann ich nur alle Selbständigen auffordern, sich an der Aktion experten-arbeit-stärken.de zu beteiligen und den Politikern die eigene Meinung/Situation zu schildern! Dazu werden wir die Plattform von Seiten der ADESW zusammen mit unseren Partnerverbänden langfristig aufrechterhalten!

Der neue Paragraph § 611a BGB soll die Rechtslage von Selbstständigen nun verbessern. Welche Kritikpunkte üben Sie an dem geplanten Gesetzestext?

Am 16. November 2015 legte dann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einen Entwurf zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vor. Dieser sah unter anderem die Einführung eines neuen Paragrafen 611a BGB mit einem altertümlichen und praxisfremden Kriterienkatalog zur Abgrenzung von selbständig tätigen Personen zu festangestellten Arbeitnehmern vor.

Viele Kunden und Freiberufler interpretierten den Referentenentwurf so, dass die bisher gewohnte und seit Jahrzehnten praktizierte Beauftragung freiberuflicher Experten zukünftig nicht mehr möglich beziehungsweise künftig illegal sein sollte. Alles in allem konnte man den Eindruck gewinnen, dass das BMAS Unternehmen bzw. Auftraggebern die Zusammenarbeit mit freiberuflichen Experten beziehungsweise Soloselbständigen massiv erschweren wollte. Werkverträge wurden – ganz im Gegensatz zum ursprünglichen Ansinnen und Wortlaut im Koalitionsvertrag – gar nicht mehr tangiert, stattdessen hatte man sich nun plötzlich auf den selbständigen Dienstvertrag konzentriert. Damit hatte sich das BMAS deutlich über das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel hinweggesetzt.)

Geplant ist neben dem Wegfall der Vorrats-Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis das Einfügen eines Paragrafen 611a in das BGB. Er definiert den Arbeitnehmerbegriff anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das ist die Gesamtheit rechtskräftiger Entscheidungen der obersten gerichtlichen Instanzen wie des Bundesgerichtshofs, des Bundesarbeitsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundessozialgerichts und des Bundesfinanzhofs. In der Praxis wird der Paragraf kaum zu anderen Ergebnissen bei der Beurteilung des Arbeitnehmerstatus führen. Im Grunde bleibt der Status Quo erhalten, doch der Gesetzgeber hat durch dieses „Placebogesetz“ die Wirtschaft einfach nur verunsichert und damit einen Milliardenschaden durch nicht-beauftrage oder verzögerte Beauftragungen hervorgerufen.