Maks Giordano im DDIM Interview: Zwischen Hype und Praxis – GenAI im Interim Management

Ein Interview mit Maks Giordano, Keynote Speaker beim DDIM.kongress // 2024

GenAI (Generative KI) ist im Interim Management angekommen: Maks Giordano, Keynote Speaker beim DDIM.kongress // 2024, spricht über konkrete Anwendungen und Chancen der Technologie. Von effizienteren Analysen und optimierter Strategieplanung bis hin zu praktischen Tools für den Arbeitsalltag – das Interview beleuchtet, wie GenAI den Arbeitsalltag von Interim Managern verändert und welche Risiken der Hype birgt. Welche Tools besonders geeignet sind und wie die Technologie den Menschen ergänzt, erfahren Sie im Gespräch mit dem Experten.

Maks, auf dem DDIM.kongress // 2023 war generative KI das nächste große Ding! Stand heute: Wo hat GenAI denn tatsächlich die Wirtschaft revolutioniert?

Generative KI hat in den letzten zwei Jahren in zahlreichen Unternehmensbereichen wie Kundenservice, Marketing, Softwareentwicklung, Datenanalyse und Wissensmanagement deutliche Fortschritte gebracht. Im Kundenservice setzen Unternehmen wie KLM und Coca-Cola KI-Chatbots ein, um Anfragen schneller und effizienter zu bearbeiten und die Kundenzufriedenheit zu steigern. Marketingteams profitieren von Tools wie Jasper AI und ChatGPT, um Content schneller zu erstellen – was strategische Freiräume schafft und den kreativen Prozess beschleunigt.

Oder die Softwareentwicklung: Hier verbessert GitHub Copilot die Produktivität, weil es in Echtzeit Codevorschläge macht und somit die Entwicklungszeiten verkürzt. Unternehmen wie Microsoft nutzen das bereits. Und auch im Bereich Datenanalyse zeigt KI ihr Potenzial: Morgan Stanley nutzt ChatGPT, um große Datenmengen zu strukturieren und schnellere und fundiertere Entscheidungen treffen zu können.

Auch gibt es Wissensmanagement-Tools wie Notion AI, was Wissen leichter zugänglich macht. Wir stehen noch am Anfang einer exponentiellen Entwicklung, die in den kommenden Jahren enorme neue Möglichkeiten schaffen wird.

Generative KI findet vermehrt Anwendung in der Cybersicherheit, aber oft scheint das mehr eine Reaktion gegen Hacker zu sein, die selbst KI einsetzen. Gibt es auch Anwendungsbeispiele, bei denen KI direkten Einfluss auf die Wertschöpfung nimmt?

Definitiv. In der Fertigung etwa nutzt Bosch KI für Predictive Maintenance, wodurch Wartungsarbeiten vorausschauend geplant werden können. So minimiert das Unternehmen ungeplante Maschinenstillstände, reduziert Produktionskosten – und steigert die Produktivität.

In der Logistik und im Lieferkettenmanagement analysiert Amazon mit KI seine Verkaufsdaten, um die Lagerbestände dynamisch anzupassen. Das senkt Lagerkosten, verbessert die Lieferketteneffizienz und ermöglicht eine schnellere Reaktion auf Nachfrageänderungen.

Oder Siemens: Der Konzern setzt KI in der Qualitätskontrolle ein, um Produktionsfehler in Echtzeit zu erkennen. So werden Fehler schneller und präziser erkannt, die Produktqualität erhöht – und Kosten reduziert.

Im Einzelhandel nutzt beispielsweise Walmart KI, um die Verfügbarkeit von Waren zu optimieren und die Bestandsverwaltung zu verbessern. So werden Verkaufschancen maximiert und Lagerkosten gesenkt, während die Nachfrageprognosen die Effizienz der Bestandsverwaltung steigern.

Wie wird GenAI in deinem Kundenumfeld angewandt: eher experimentell oder schon ganz konkret?

Sowohl als auch. Viele Unternehmen, wie z. B. PepsiCo, testen GenAI zunächst in Pilotprojekten, etwa zur Entwicklung kreativer Marketingideen. Diese Experimente sind risikofrei und ermöglichen Einblicke in das Potenzial der Technologie, bevor größere Investitionen erfolgen. Es gibt aber auch produktive Anwendungen: Unternehmen setzen KI-gestützte Chatbots ein, die rund um die Uhr Kundenanfragen bearbeiten, etwa bei Fluglinien für Umbuchungen und Gepäckverfolgung.

Meine Kunden aus dem Banken- und Versicherungssektor sind da etwas zurückhaltender. Sie setzen GenAI meist noch experimentell ein. Andere Unternehmen kombinieren auch experimentelle und konkrete Anwendungen: GenAI übernimmt Routinefragen, während komplexere Anliegen beim Menschen bleiben. Das zeigt auch: KI ergänzt und verbessert die Arbeit des Menschen – sie ersetzt den Menschen aber nicht. Darum rate ich Unternehmen, frühzeitig in GenAI zu investieren und die Technologie schrittweise zu integrieren.

Stichwort „Technologieerwartung“: Welche gesellschaftlichen Auswirkungen hat es, wenn Technologien wie GenAI derart gehypt werden? Fördert das eine gesunde Innovationskultur, oder läuft die Gesellschaft Gefahr, unrealistische Erwartungen zu entwickeln – und langfristig das Vertrauen in Technologie zu verlieren?

Ich glaube, der KI-Hype hat unterschiedliche Auswirkungen auf die Innovationskultur. Auf der positiven Seite zieht er hohe Investitionen an, beschleunigt die Entwicklung neuer Produkte und gibt Unternehmen wie Microsoft und Salesforce einen Wettbewerbsvorteil, da sie frühzeitig auf GenAI gesetzt haben. Das wiederum ermutigt auch andere Firmen, in innovative Technologien zu investieren, was den technologischen Fortschritt weiter antreibt.

Andererseits birgt der Hype die Gefahr unrealistischer Erwartungen. Wenn GenAI nicht die erhofften Ergebnisse liefert, kann es zu Enttäuschungen und einem Vertrauensverlust kommen, ähnlich wie bei der Blockchain. Solche Enttäuschungen könnten langfristig Innovationsmüdigkeit auslösen. Darum sind realistische Erwartungen, schrittweise Implementierungen und eine transparente Kommunikation entscheidend. Bildung und Aufklärung spielen eine zentrale Rolle, wenn es darum geht,  den Hype in gesunde Innovationsimpulse zu lenken, die auf nachhaltigen Fortschritten basieren statt auf übertriebenem Enthusiasmus.

Kennst du Beispiele aus dem Interim Management, bei denen GenAI Anwendung findet?

Da gibt es einige. Zum Beispiel helfen GenAI-Tools wie ChatGPT und Notion AI bei Due-Diligence-Projekten, große Datenmengen zu analysieren, indem sie Finanzberichte zusammenfassen und Risiken sowie Chancen identifizieren. Oder bei der Strategieplanung: Hier unterstützt GenAI die Szenario-Planung und Simulationen, sodass strategische Optionen fundierter geprüft und Entscheidungen besser vorbereitet werden können. Außerdem erleichtert GenAI bei der automatisierten Erstellung von Protokollen, Angeboten oder Reportings. Im HR-Bereich gibt es Tools wie HireVue, die KI-gestützte Interviews einsetzen, um passende Talente effizient zu identifizieren und so die Teamzusammenstellung beschleunigt.

Welche KI-Tools kannst du Interim Managern für ihre Arbeit empfehlen – und wo können sie sich über die neuesten und relevantesten KI-Tools informieren?

Ich habe hier mal eine kleine Liste für Interim Manager zusammengestellt:

  1. KI-Tools für Analyse und Berichtserstellung
  • ChatGPT (OpenAI): Unterstützung bei der Datenanalyse und Berichterstellung.
  • Power BI und Tableau: Datenvisualisierung und KPI-Monitoring.
  • MonkeyLearn: Sentiment-Analysen und Textklassifikation.
  1. KI-Tools für Kommunikation und Dokumentation
  • Jasper AI: Textgenerierung für interne und externe Kommunikation.
  • Notion AI: Wissensmanagement und automatische Inhaltszusammenfassung.
  • Otter.ai: Automatische Erstellung von Meeting-Protokollen.
  1. KI-Tools für Talent Management und Teamaufbau
  • HireVue: KI-gestützte Video-Interviews zur Bewerberanalyse.
  • Recruitee: Automatisierung des Rekrutierungsprozesses.
  • Gloat: Optimierung der internen Talentnutzung.
  1. Tools zur strategischen Planung
  • Crystal Knows: Verbesserung der Stakeholder-Kommunikation.
  • Scenario Planning AI: Szenarioplanung und Simulation strategischer Optionen.
  • Lucidchart: Visualisierung von strategischen Plänen und Prozessabläufen.
  1. Persönliche Produktivitätstools
  • Grammarly: Erstellung sprachlich präziser und professioneller Texte.
  • Trello + Butler AI: Automatisierung von Aufgaben und Workflows.
  • Zapier: Automatisierung von Routineprozessen durch Integration verschiedener Tools.
  1. Informationsquellen
  • Harvard Business Review und MIT Technology Review: Fundierte Artikel zur KI-Anwendung in Unternehmen.
  • Product Hunt und Futurepedia: Plattformen zur Entdeckung neuer und innovativer Tools.
  • LinkedIn Gruppen und Webinare: Austausch mit Experten und Entdeckung von Best Practices.

Maks Giordano ist kreativer Digitalstratege und arbeitet seit mehr als 25 Jahren mit der kompletten Bandbreite an Unternehmen, vom Familienunternehmen und Mittelstand bis hin zu Apple, Lego, Red Bull und Mercedes. Er begann seine Karriere bei der ID Media AG in der Digitalen Steinzeit der 90er Jahre und wurde mehrfach international für seine Projekte ausgezeichnet. 2000 wurde Maks Mitglied der Geschäftsleitung der MetaDesign AG, bevor er 2003 Iconmobile mitgründete, eine der ersten mobilzentrierten Agenturen weltweit. Nach Stationen in Sydney, New York, London und Tokyo und dem Verkauf an WPP war Maks Head of Innovation, Games & Mobile bei ProSiebenSat.1. Seit dieser Zeit ist die nachhaltige Transformation und „Corporate Innovation“ seine große Passion. Maks unterrichtet u. a. Innovation Management, gab zwei Bücher heraus und verzweifelt an diversen Yoga-Posen.