Interim Manager bringen Bewegung ins System
Die Interim Manager und DDIM Mitglieder Thomas Sternkopf und Dr. Shahram Faridani zeigen in einem Artikel in der Personalwirtschaft auf, wie sie agile Change-Prozesse begleitet haben.
Wenn bei Unternehmen große digitale Transformationsprojekte anstehen, greifen sie oft auf das Know-how erfahrener und IT-affiner Interim Manager zurück. Vielfach unterstützen sie dabei, agile Arbeitsweisen zu verankern. Das geht auch gut hybrid oder remote und erfordert die Bereitschaft, Prozesse immer wieder zu hinterfragen, gegebenenfalls anzupassen und dabei durch Feedback gemeinsam dazuzulernen.
Für viele Unternehmen ein herausforderndes Thema: Die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die 2018 in Kraft getreten ist und für mehr Schutz und Transparenz personenbezogener Daten sorgen soll. Insbesondere HR ist eine der Stellen mit den sensibelsten Daten und muss deshalb besonders die rechtlichen Vorgaben des Datenschutzes einhalten. Doch hier liegt der Hase im Pfeffer: die unter anderem erforderliche Massenlöschung der historischen Daten im HR-Bereich ist insbesondere für globale Konzerne nicht nur riskant, sondern auch sehr komplex und zeitaufwendig, weil die damit verbundenen Prozesse spezifisch für verschiedene Länder mit unterschiedlichen Löschfristen definiert und umgesetzt werden müssen.
Nachhaltig DSGVO-konform zu sein, war auch das Ziel eines Konzerns im Bereich Konsumgüterindustrie. Für die Geschäftsleitung war klar: Zur Steuerung und Umsetzung dieses Transformationsprojekts gab es intern nicht genügend personelle Ressourcen, die das Projekt unter enormen Zeitdruck umsetzen konnten. Der Interim Manager und Spezialist für die Entwicklung kundenspezifischer Softwarelösungen Dr. Shahram Faridani, der viel Erfahrung als Senior IT-Projektmanager bei internationalen Unternehmen mitbringt, wurde daher im Juli 2018 für dieses Mandat beauftragt.
Alle Stakeholder an einen Tisch bringen
In enger Abstimmung mit HR-Governance (verantwortlich für die globale Strategie) und IT wurden zunächst die Ziele priorisiert und festgelegt, welche technischen Lösungen für welche Prozesse (zum Beispiel Datenminimierung) in welcher Sequenz und in welchen Time-slots für die jeweiligen Länder entwickelt werden sollten. „Als externer Projektmanager dieses agilen Change-Projekts war es mir wichtig, von Anfang an das Know-how zu bündeln und alle wichtigen Stakeholder, darunter HR, IT und die Entwicklungsleiter bei der technischen Entwicklung der notwendigen Lösungen einzubinden“, sagt der Interim Manager.
Gemäß der Business-Anforderungen gehörte es in der Projektphase zu seinen Aufgaben, in enger Zusammenarbeit mit dem IT-Projektmanager, passende Software-Entwicklerteams zu installieren und zu koordinieren, die die notwendigen Lösungen für unterschiedliche Schwerpunkte systemabhängig entwickelt haben: Beispielsweise für das Thema Datenminimierung im ERP-System (Mitarbeiterdaten), das keinen Einfluss auf die Payroll-Prozesse haben darf.
Führen durch Inspiration statt durch Macht
Wie viele Interim Manager bringt auch Dr. Shahram Faridani branchenübergreifende Erfahrungen bei der Steuerung komplexer Projekte mit. Dieses externe Know-how sei wertvoll, um Unternehmen bei der Auswahl und Implementierung geeigneter Lösungen für HR-Prozesse zu unterstützen. Mit einer großen Menge von Daten umgehen zu können und zu verstehen, wo welche Risiken liegen, ist seine Kernkompetenz. Für Dr. Marei Strack, Vorstandsvorsitzende der DDIM- Dachgesellschaft Deutsches Interim Management, kommt die Qualität der Interim Manager bei komplexen und herausfordernden Projekten besonders zutage: „Die hochqualifizierten Manager sind passionierte Problemlöser und gleichzeitig auch gut darin, Mitarbeiter mit Inspiration und Überzeugung zu den bestmöglichen Leistungen zu führen.“ Wer immer wieder neue Erfahrungen in unterschiedlichen Organisationen sammelt, „ist per se neugierig, lernwillig und auch weniger statusorientiert. Interim Manager sind prädestiniert, in hierarchiearmen Organisationskulturen zu arbeiten, weil sie gelernt haben, ohne Macht zu führen.
Der perfekten Lösung auf der Spur
Zurück zu Faridanis Projekt: Mit dem HR-IT-Manager hat er ein Project-Management-Office-Team (PMO) ins Leben gerufen, das die Ergebnisse entwickelter Lösungen für unterschiedliche Systeme zeitnah evaluiert und bei Bedarf angepasst hat, „um den Anspruch an eine technisch und prozessbezogen hundertprozentig sichere und ausgereifte Lösung zu erfüllen.“ Dieses für agile Projekte typische iterative Vorgehen hatte den Effekt, „dass zum Beispiel die Entwicklungsleiter in der Testphase auf Probleme bei einer Lösung aufmerksam machen konnten, woraufhin wir gemeinsam über notwendige Korrekturen entschieden haben.“
Auch wenn das Involvement vieler Beteiligter zu Beginn des Change-Prozesses aufwendiger war, habe die Zusammenarbeit unter Einsatz verschiedener Projektmanagement-Methoden, zum Beispiel Kanban oder Lean, dazu geführt, dass „wir kontinuierlich schneller geworden sind und schließlich die Projektziele unter Einhaltung von engen Zeitvorgaben und Budget nach 20 Monaten erfolgreich abschließen konnten.“ Ein Learning bei diesem Projekt war: Die Zusammenarbeit des interdisziplinären Teams, bei dem Managementerfahrung, Domain Knowledge und technisches HR-Wissen von Anfang an bestmöglich kombiniert wurden, war ein wichtiger Erfolgsfaktor und konnte hybrid und remote sehr gut gesteuert werden“. Faridani: „Viele Führungskräfte tun sich schwer, Verantwortung abzugeben. Ich bin überzeugt, dass fachlich kompetente Mitarbeiter, die von Anfang an in die wichtigen Prozesse und Entscheidungen involviert werden, sehr gut selbstorganisiert und ergebnisorientiert arbeiten können.“ Mit rund 90 Prozent war der Remote-Anteil dieses Projekts sehr hoch. Wichtig war, im ständigen Austausch via gängiger Kommunikationstools zu sein: „zu welchen Themen wir uns vor Ort getroffen haben, zum Beispiel für Core-Team-Meetings, haben wir im Team entschieden“.
Unternehmerisches Denken fördern
Auch Interim Manager Thomas Sternkopf hat in seinem aktuellen Projekt die Erfahrung gemacht, dass sich komplexe Change-Projekte gut remote steuern lassen, vorausgesetzt es gibt ein hohes Commitment unter den Mitarbeitern für die festlegte Strategie und einen guten Informationsfluss. Für eine große Krankenkasse hat der auf agile Transformation spezialisierte Interim Manger im November 2018 den Auftrag erhalten, agile Arbeits- und Denkweisen zu verankern, was für das Unternehmen mit zuvor hierarchischen Strukturen einen massiven Veränderungsprozess bedeutete. Am Anfang stand die Strategieentwicklung gemeinsam mit dem Vorstand und dem HR-Chef: Welches Mind-set brauchen wir, um dezentrale Entscheidungswege auf der zweiten Führungsebene und weiteren Ebenen zuzulassen, mit dem Ziel, unternehmerisches Denken und gleichzeitig die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit zu fördern?
Es wurde der Entschluss gefasst, agile Arbeitsweisen top-down einzuführen und dem neugegründetem PPM (Portfolio und Prozess-Management) Team die Verantwortung für das Portfolio-Management zu übertragen. Das bedeutet: In monatlich rollierenden Workshops, die von Sternkopf initiiert und begleitet wurden, haben Mitarbeiter in abteilungsübergreifenden Gremien daran gearbeitet, ihre Projekte im Hinblick auf den Kundennutzen zu priorisieren: Es galt, „die Fürstentümer und das Silodenken aufzubrechen“ und zugunsten einer Haltung zu verändern, die sich an den Aktivitäten des Kunden ausrichtet und den Mehrwert für diesen in den Blick nimmt: „Eine agile Haltung zu entwickeln, ist ein intensiver Prozess, der aber notwendig für eine erfolgreiche Transformation ist.“ Der Interim Manager hat den Vorteil, dass er aufgrund seiner strategischen und operativen Erfahrungen mit ähnlichen Transformationsprojekten in unterschiedlichen Unternehmenskulturen schnell wichtige Stellschrauben identifizieren kann, um Probleme zu lösen und den Prozess voranzubringen. Für den Erfolg des Change-Prozesses war es wichtig, bei der Kommunikation über alle Level hinweg Transparenz zu schaffen, was warum zu tun ist und sowohl die Führungsmannschaft als auch die Mitarbeiter von Anfang an einzubeziehen. Teil seines Auftrags war auch, rund 150 Mitarbeiter zum agilen Portfolio-Management und speziell Führungskräfte darin zu schulen, mehr Selbstverantwortung in die Teams zu geben.
Das iterative Vorgehen zahlt auf den Change-Prozess ein
Wie so oft, bringen tiefgreifende Change-Prozesse auch Widerstände mit sich. „Konfliktstärke und die Fähigkeit, schnell Vertrauen aufzubauen, sind Qualitäten, die der Interim Manager mitbringen muss“, sagt Dr. Strack. Sternkopf ist überzeugt, dass sich Widerstände für den iterativen Prozess konstruktiv nutzen lassen: „Bei der Zusammenarbeit in den Gremien haben wir Feedback-Zyklen eingebaut, um Mitarbeiter daran zu beteiligen, Projekte und Maßnahmen immer wieder aufs Neue zu analysieren, zu überplanen und anzupassen.“ Auch die 14-tägige strategische Runde mit dem Vorstand und den Top-Führungskräften aus unterschiedlichen Bereichen soll auf die Entwicklung des agilen, iterativen Change-Prozesses einzahlen. Nach rund zweieinhalb Jahren ist Sternkopfs Mandat erfüllt. Als Manager auf Zeit muss er sich überflüssig machen und das erfolgreich etablierte agile Portfolio-Management an ein Team weitergeben, das er für diese Aufgabe trainiert hat.
[Autor: Annette Neumann]
Dr. Shahram Faridani
Interim Management kurz gefasst
Einsatz
Interim Manager werden mitunter als Leiter großer Change-Projekte, für Prozessoptimierungen oder Restrukturierungen eingesetzt. Interim-Einsätze reichen von kleineren kurzfristigen Projekten von drei bis sechs Monaten bis hin zu langfristigen Aufträgen, die 12 bis 24 Monate dauern können.
Change-Projekte machen mit rund 14 Prozent den größten Anteil aller Einsätze aus, gefolgt von Restrukturierungsprojekten, Prozessoptimierung und Projektmanagement. Waren Projekteinsätze vor Ort in der Vergangenheit die Regel, gestalten sie sich zunehmend hybrid (zirka 50 Prozent) und remote (zirka 25 Prozent) – das sind Ergebnisse der aktuellen Prognoseumfrage 2021 unter den zirka 550 DDIM-Mitgliedern.
Vermittlung
Interim Management-Provider haben sich als Bindeglied zwischen den Managern und ihren Kunden im Markt etabliert. Deren wesentlichen Leistungen bestehen in der Vorhaltung der Profile von bewährten Interim Managern aus dem Pool, der genauen Erfassung der Anforderungen im Kundenprojekt und der schnellen Nominierung und Auswahl geeigneter Kandidaten.
Verträge
Verträge werden üblicherweise als Dienstverträge individuell vereinbart. Kurze bis keine Kündigungszeiten sind üblich, eine tägliche Kündigung auch möglich.
„Konfliktstärke und die Fähigkeit, schnell Vertrauen aufzubauen, sind Qualitäten, die der Interim Manager mitbringen muss.“