Independent Business Review (IBR): Klarheit in der Krise und darüber hinaus
Ein Beitrag der DDIM Interim Manager Harald Kimmerle, Petra Lüschen-Peters und Suzanne Wahab aus der Beitragsreihe „Unternehmen im Wandel“ der DDIM.fachgruppe // Prozessmanagement
In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit oder operativer Schieflagen fordern Stakeholder, insbesondere Banken, Investoren oder Gesellschafter zunehmend eine unabhängige Bewertung der geplanten Maßnahmen. Der sogenannte Independent Business Review (IBR) hat sich dabei als zentrales Instrument etabliert, um Transparenz zu schaffen, Vertrauen aufzubauen und fundierte Entscheidungen zu ermöglichen.
Ein IBR liefert eine objektive und unabhängige Bewertung der wirtschaftlichen Gesamtsituation eines Unternehmens, frei von internen Interessen oder Betriebsblindheit. Dabei geht es nicht nur darum, bestehende Herausforderungen zu analysieren, sondern auch darum, frühzeitig Potenziale und Risiken zu erkennen, bevor sie zur akuten Bedrohung werden.
Diese neutrale Außensicht schafft eine belastbare Grundlage für alle Beteiligten, von der Unternehmensleitung über Investoren bis hin zu Finanzierungspartnern. Das gewonnene Vertrauen führt oft direkt zu einer verbesserten Finanzierungsbasis, weil die Zukunftsfähigkeit nachvollziehbar begründet und transparent gemacht wird.
Doch ein IBR ist weit mehr als ein reines Krisenwerkzeug. Richtig eingesetzt, bietet er Unternehmen frühzeitig die Chance innezuhalten, den Status quo kritisch zu beleuchten und neue Perspektiven zu gewinnen. Er wird zum Impulsgeber für Veränderung und sollte als Ausgangspunkt für eine Transformation gesehen werden, die über die Krise hinausweist. So wird der IBR nicht nur zur Analyse, sondern zum strategischen Signal: für Handlungsfähigkeit, für Ernsthaftigkeit und für den Willen zur nachhaltigen Transformation.
Um den besonderen strategischen Mehrwert des IBR einzuordnen, lohnt sich ein Blick auf die Unterschiede zum etablierten IDW S6-Gutachten, das mit hoher rechtlicher Relevanz behaftet ist.
Independent Business Review (IBR) vs. Sanierungsgutachten (IDW S6): Zwei Instrumente mit unterschiedlicher Zielsetzung
Independent Business Review (IBR) | Sanierungsgutachten nach IDW S6 | |
Zielsetzung | Analyse der wirtschaftlichen Lage und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens, einschließlich der Identifikation von Schwachstellen und Potenzialen sowie, je nach Umfang, der Erstellung einer positiven Fortführungsprognose. | Beurteilung der Sanierungsfähigkeit und Erarbeitung eines tragfähigen Sanierungskonzepts mit Fokus auf Wettbewerbsfähigkeit und Kapitaldienstfähigkeit. |
Methodik | Scope und Tiefe des IBR variieren je nach Anlass und Zielgruppe und reichen von der Plausibilitätsprüfung bis zur umfassenden Sanierungsanalyse. | Detaillierte betriebswirtschaftliche Analyse mit Szenarienplanung und Maßnahmenentwicklung, unter strikter Beachtung der anerkannten IDW-Standards. |
Anlass | Akuter Handlungsbedarf und Unsicherheiten hinsichtlich Bonität und Geschäftsmodell, häufig initiiert durch Banken oder Investoren. | Drohende oder bestehende Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung. |
Prüfungsschwer-punkte | Maßnahmen zur Sicherung der kurzfristigen Zahlungsfähigkeit und mittelfristigen Rentabilität. | Prüfung der Fortführungsfähigkeit durch Marktanalyse, strategische Maßnahmen und einen dreijährigen integrierten Finanzplan. |
Rechtliche Relevanz | Dient der Entscheidungsvorbereitung, besitzt keine formelle rechtliche Bindung, kann jedoch Haftungsrisiken der Geschäftsführung mindern. | Hohe rechtliche Bedeutung und Unterstützung bei der Vermeidung von Insolvenzen. |
Ergebnisziel | Handlungsempfehlungen zur kurz- und mittelfristigen Stabilisierung, ohne Erstellung einer umfassenden Sanierungsprognose. | Vollständiges Sanierungskonzept mit Umsetzungsfahrplan sowie Darstellung der Sanierungsfähigkeit und positiven Fortführungsprognose gemäß IDW-Standards. |
Fünf Voraussetzungen für einen IBR, der wirklich etwas bewegt
Ein Independent Business Review ist kein reines Analyseinstrument, er ist eine Chance zum Aufbruch.
Damit er seine volle Wirkung entfalten kann, braucht es fünf zentrale Voraussetzungen, die den Weg in eine resiliente Zukunft ebnen:
1. Zielklarheit statt Pflichtübung:
Das Management muss klar benennen, was mit dem IBR erreicht werden soll. Ob Stabilisierung, Neuausrichtung oder ein gezielter Transformationsimpuls. Nur mit einer konkreten Zielsetzung wird der IBR zum echten Hebel.
2. Transparenz als Grundlage für Vertrauen:
Ein starker IBR braucht belastbare Daten. Finanzkennzahlen, Marktanalysen und Unternehmensinformationen müssen vollständig und offen zur Verfügung stehen. Nur so können Chancen und Risiken realistisch bewertet werden.
3. Führung durch Haltung:
Transformation beginnt an der Spitze. Es braucht ein klares Commitment des Managements und eine Kommunikation, die ehrlich, offen und hierarchieübergreifend geführt wird. Wer Vertrauen schaffen will, muss Vertrauen geben.
4. Struktur schafft Richtung:
Ein IBR kann nur wirksam genutzt werden, wenn er Teil eines strukturierten Veränderungsprozesses ist, mit klaren Analysen, konkreten Maßnahmen und einem nachvollziehbaren Pfad hin zu nachhaltiger Transformation.
5. Mindset shift – vom Muss zur Möglichkeit:
Der entscheidende Faktor ist das Mindset. Ein IBR ist keine Bedrohung, sondern eine Chance zur Erneuerung. Wer den Review als Auftakt zum Wandel begreift, legt den Grundstein für unternehmerische Resilienz und zukunftsfähiges Handeln
Vom Review zur Bewegung: Transformation beginnt mit einem klaren Commitment
Ein IBR schafft die Grundlage: Er macht sichtbar, wo ein Unternehmen steht und wo es hin will. Doch Transparenz allein reicht nicht. Die eigentliche Herausforderung beginnt danach: im konsequenten Umsetzen, im Verlassen eingetretener Pfade und im Gestalten der Zukunft unter neuen Bedingungen.
Transformation ist kein Projekt, das man „abschließen“ kann, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der Haltung, Struktur und Mut zum Handeln erfordert.
Im nächsten Teil des Reports im DDIM.reporter // Herbst 2025 zeigen wir, wie nachhaltige Transformation gelingen kann, nicht als Reaktion auf Druck, sondern als strategischer Schritt in eine resiliente, kundenorientierte und zukunftsfähige Unternehmenswelt.
Bei der Erstellung dieses Reports kam KI punktuell als digitaler Sparringspartner zum Einsatz, ein praktischer Einblick in die Möglichkeiten heutiger KI-gestützter Zusammenarbeit mit Blick auf die Zukunft.
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Als selbstständiger Interim-Manager und LEAN-Consultant übernimmt Harald Kimmerle gerne auch Verantwortung auf dem Shop-Floor. Mit 25 Jahren Erfahrung in leitenden Funktionen im Bereich Produktion, stehen dabei die Mitarbeiter im Mittelpunkt. Die Begeisterung für die gemeinsame Aufgabe, ein hohes Kunden- und Qualitätsbewusstsein und die Fokussierung auf das Prozessmanagement stehen dabei im Mittelgrund seines Handelns.
Petra Lüschen-Peters ist freiberufliche Finance und Transformation Managerin. Sie managed seit über 25 Jahren komplexe Transformationen in unterschiedlichen Rollen und Funktionen. Ihre Leidenschaft ist es, Unternehmen fit für die digitale Zukunft zu machen. Sie vernetzt Menschen über Prozesse, Systeme und Daten, so dass Zusammenarbeit und Steuerung Ende-zu-Ende einfach funktioniert. Basis ihres Erfolges ist das von ihr entwickelte Einfach.Funktionieren.® -Konzept.
Als Interim Managerin mit Fokus auf Transformation und Restrukturierung begleitet Suzanne Wahab Unternehmen im gehobenen Mittelstand dabei, sich erfolgreich für die Zukunft aufzustellen. Nach zwanzig Jahren in Geschäftsführungspositionen international ausgerichteter, mittelständischer Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie setzt sie nun ihre Erfahrungen gezielt im Interim Management ein.
In den DDIM.fachgruppen haben sich Mitglieder zusammengeschlossen, die in unterschiedlichen Branchen und Funktionen tätig sind. Wir verstehen Prozessmanagement als strategischen Rahmen, um Unternehmen in Zeiten von Digitalisierung, Komplexität und Ressourcenknappheit zukunftsfähig aufzustellen. Prozesse sind die Grundlage dafür, dass Unternehmen bereichsübergreifend effektiv funktionieren. Über Ende-zu-Ende organisierte Prozesse gelingt es, Transformation konsequent umzusetzen und Menschen mitzunehmen.
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