HANSE Interim recherchiert: Tourismus, Hotellerie und die Spuren der Pandemie

Ein Beitrag von Andreas Lau und Christian Heuermann, Geschäftsführung HANSE Interim Management

Der Zustand

„Die Situation in der Reisewirtschaft ist existenzbedrohend“, so der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV). Shutdowns, Corona-Risikogebiete und permanente Reisewarnungen bedeuteten kaum bis gar keine Gäste und dementsprechend kaum bis gar keine Umsätze für die Hotellerie während der Pandemie. Zwischen Januar und Oktober 2020 sank der reale Umsatz im Beherbergungsgewerbe um 39,3 %. Reisebüros und Reiseveranstalter verzeichneten einen drastischen Umsatzeinbruch von 80 Prozent im Kalenderjahr 2020.

Dieser Rückgang ist die fatale Folge fast vollkommener Reise-Inaktivität, vor allem und in größtem Umfang die Folge abgesagter Geschäftsreisen durch abgesagte Messen, Kongresse, Tagungen und Seminare. Die Hotelbranche ist eine der am stärksten betroffenen Branchen der Pandemie. Die Rede ist von einer Insolvenzwelle in der Hotellerie, die durch unzureichende staatliche Maßnahmen kaum aufgefangen werden kann – wie hoch die tatsächliche Zahl sanierungsbedürftiger Hotels jedoch am Ende sein wird, wird wohl erst im Laufe der nächsten Monate, wenn die Insolvenzantragspflichten wieder vollumfänglich gelten, zu erkennen sein.

Wahrnehmbar und zu erahnen war die Katastrophe bereits anhand der deutschen Übernachtungszahlen im April letzten Jahres: der Rückgang der Übernachtungen lag hier bei knapp 90 %. Selbst im Juni, nach den ersten Lockerungen, lag die Zahl noch bei -42 %. Im zweiten Lockdown im November sanken die Übernachtungszahlen ähnlich stark um 72 %. Für das Gesamtjahr 2020 ergibt sich voraussichtlich ein Rückgang von 40 % im Vergleich zu 2019.

Betrachtet man den Juli 2020, erkennt man eine erschreckende Veränderung in der Anzahl der Arbeitslosen in der deutschen Hotellerie während der Pandemie: 34.837 Arbeitslose – ein Zuwachs von +41,0 % gegenüber dem Vorjahresmonat. Im August stieg die Zahl noch einmal auf 42,6 %. Insgesamt, im Betrachtungszeitraum April bis Oktober 2020, betrug die Arbeitslosigkeit 37,2 %.

Keine Überraschung, denn die durchschnittliche Auslastung der Gästezimmer (betrachtet sind hier Hotels mit mehr als 25 Zimmern) betrug zwischen Januar und September 2020 41,2 %. 2019 lag dieser Wert noch bei 63,2 %. Besonders betroffen sind jene Hotels, die hauptsächlich Messe- und Kongressgäste als Zielgruppe haben. In Europa wurden zeitweise 95 % der Geschäftsreisen abgesagt. Laut einer Übersicht des Geschäftsreiseverbandes VDR liegen die Reiseausgaben deutscher Geschäftsreisender bei ca. 20 Prozent des Vorjahres 2019 (Stand November 2020).

Und daran soll auch so schnell nichts geändert werden: gemäß ifo Institut werden 57 % deutscher Unternehmen ihre Geschäftsreisen dauerhaft reduzieren. So soll diese Art der Reisen künftig mit längeren Aufenthalten verbunden sein, dafür aber seltener stattfinden. Spürbar ist dies bereits jetzt durch die Rückgabe von Hotelpackages und Absagen von Business-Meetings, die lieber virtuell statt in persona durchgeführt werden.

Große internationale Unternehmen planen Home-Office Lösungen bis Mitte 2021. Prognosegemäß wird auch ab diesem Zeitpunkt mit einer Erholung des Marktes gerechnet. Jedoch soll das Vorkrisenniveau auch mittelfristig nicht erreicht werden können. Gerechnet wird mit der Erreichung der Hotelumsätze auf Vorkrisenniveau erst nach 2024.

Die Schlussfolgerung

Der Regelbetrieb ist somit für den Tourismus und die Hotellerie aktuell noch ein Fremdwort. Trotzdem – und als kleiner Lichtblick – soll sich der deutsche Binnentourismus Prognosen zufolge ab Mitte 2021 schneller erholen, sodass 2021 bereits 50 – 60 % der Umsatzhöhe des organisierten Reisemarktes von 2019 erreicht werden könnte. Zurückzuführen ist dies vorwiegend auf die dynamischere Zunahme an Ankünften inländischer Reisender. Eine solche Tendenz ließ sich bereits in dieser Sommersaison mitten in der Corona-Krise feststellen: Urlaub im eigenen Land, dafür warb auch der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn. Wer in diesen Zeiten Urlaub buchte, hatte weniger die Fernreise im Visier, sondern suchte eher nach einer Unterkunft im Bayerischen Wald. Einen regelrechten Bayern-Boom verzeichnete die Buchungsplattform Airbnb im vergangenen Jahr: die Juli-Buchungen für Cham und Kitzingen lagen im Vergleich zum Vorjahr um 52 % und 77 % deutlich höher als noch 2019. Es wird erwartet, dass sich die Buchungsplattformen schneller erholen als Hotelkonzerne – jedoch soll bald auch langsam das Eventgeschäft für erste kleine Veranstaltungen wieder hochgefahren werden und bietet damit einen, wenn auch kleinen, positiven Ausblick für die betroffenen Tagungs- und Messehotels.

Inwieweit der anhaltende Lockdown und die Reisebeschränkungen die Prognosen verändern werden, ist nun noch nicht sicher abzusehen.

Die Autoren

Christian Heuermann ist Geschäftsführer der HANSE Interim Management GmbH und Interim Manager. Er ist als Interim Manager speziell in den Bereichen CRO/CFO und CPO tätig, seine Branchenerfahrung beinhaltet die produzierende Industrie (insbesondere Kabel und Leitungen), Maschinen- und Anlagenbau sowie Handel. Seine berufliche Karriere hat er im Firmenkundengeschäft einer deutschen Großbank gestartet, bevor er zu einer Big Four Beratungsgesellschaft wechselte. Nach einer ersten Zeit bei HANSE Consulting wechselte Herr Heuermann in die Industrie und verantwortete mittelständisch geprägte Konzernbereiche – national und international. Christian Heuermann verfügt über rund 15 Jahre Erfahrung in Beratung und Interim Management. Sein Fokus liegt dabei auf eigentümergeführten Unternehmen. Seine operative Managementerfahrung als Geschäftsführer/CFO und CPO in mehr als 10 Jahren ist die Grundlage für seine Tätigkeit bei HANSE Interim. Christian Heuermann übernimmt Projekte als operativ verantwortlicher Interim Manager. Er ist zuständig für die Vermittlung von Interim Managern, insbes. CROs und CFOs. Er betreut die Interim Management Projekte von der Vertragserstellung bis zum erfolgreichen Abschluss und begleitet Mandanten und Interim Manager während der gesamten Laufzeit.

Andreas Lau ist langjähriger geschäftsführender Partner in der HANSE Consulting Gruppe. Er ist seit Gründung standortübergreifend für die HANSE Interim Management GmbH zuständig und darüber hinaus für den Standort Düsseldorf der HANSE Management Consulting GmbH verantwortlich. Andreas Lau ist als Projektleiter in den Bereichen Restrukturierung, Ertragssteigerung, Interim Management und M&A tätig und verfügt über rund 20 Jahre Erfahrung in der Beratung und 7-jährige Erfahrung im Linienmanagement überwiegend mittelständischer Unternehmen. Er ist zuständig für die Vermittlung von Interim Managern, insbes. CROs, CEOs und CFOs. Er betreut die Interim Management Projekte von der Auswahl über die Vertragsgestaltung bis zum erfolgreichen Abschluss und Begleitung der Mandanten und Interim Manager während der gesamten Projektlaufzeit. Er verfügt über mehrjährige Erfahrung als interimistischer CRO.