Fokus Healthcare: Interim Management in der Pharmakovigilanz
Eine flexible Lösung für anspruchsvolle Herausforderungen in der Arzneimittelsicherheit | Ein Beitrag von Dr. Monika Boos für die DDIM.fachgruppe // Healthcare
1. Pharmakovigilanz – Was ist das?
Die Pharmakovigilanz – ein zusammengesetzter Begriff aus dem griechischen pharmakon (Heilmittel) und dem lateinischen vigilantia (Wachsamkeit) – ist ein zentrales Element im Gesundheitswesen, das die Überwachung und Bewertung von bekannten sowie potentiellen Arzneimittelrisiken umfasst. Ziel ist es, die Patientensicherheit zu gewährleisten und Risiken durch Neben- oder Wechselwirkungen frühzeitig zu erkennen bzw. zu minimieren.
Die rechtlichen Vorgaben auf deutscher und europäischer Ebene sind in diesem Fachgebiet komplex und unterliegen zudem kontinuierlichen Veränderungen, was erfahrene Fachexperten erfordert, die zugleich schnell auf aktuelle Entwicklungen reagieren können. Interim Manager bieten hier eine flexible und effiziente Lösung für Unternehmen, die temporäre Unterstützung bei der Umsetzung und Aufrechterhaltung essentieller Prozesse benötigen.
2. Was sind typische Einsatzgebiete von Interim Managern in der Pharmakovigilanz?
Im Pharmakovigilanz Interim Management kommt es meist vor allem darauf an, dass die verschiedenen regulatorischen Anforderungen reibungslos mit hoher Qualität weitergeführt bzw. sichergestellt sowie die oft engen behördlichen Fristen zuverlässig eingehalten werden (z.B. bis ein neuer Mitarbeiter gefunden und eingearbeitet ist). Eine rasche Einarbeitung und Übernahme der Verantwortung für das Pharmakovigilanz-System (auch während interner Audits oder behördlicher Inspektionen) sind ebenso wesentlich.
Zu den klassischen zentralen Rollen, für die erfahrene Interim Manager in der Pharmakovigilanz (PV) – für wenigen Wochen bis viele Monate – zum Einsatz kommen, gehören vor allem:
- Der deutsche Stufenplanbeauftragte (nach §63a Arzneimittelgesetz), der u.a. die Sammlung und Bewertung von PV-relevanten Information (einschl. Produktbeanstandungen) auf nationaler Ebene koordiniert und für das deutsche PV-System nicht nur verantwortlich, sondern auch persönlich haftbar ist
- Die Qualifizierte Person für Pharmakovigilanz in der EU (QPPV), die u.a. für die Einhaltung der europäischen Rechtsvorschriften zuständig ist und eine 24/7-Verfügbarkeit für die europäischen Behörden gewährleisten muss
- Team-/Abteilungsleitungen auf nationaler, europäischer oder globaler Ebene (z.B. als Head of Pharmacovigilance), die insbesondere in Zeiten von Umstrukturierungen oder temporären personellen Vakanzen neben der Führung des Teams häufig auch die Optimierung von Prozessen übernehmen.
Hinzu kommen fachliche Expertenfunktionen ad interim, bei denen es v.a. darum geht, temporär spezifische Kompetenzen für bestimmte praktische Tätigkeiten zur Verfügung zu stellen (z.B. das Erstellen eines Risikomanagementplans (RMP), eines regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichts (PSUR) oder einer Pharmakovigilanz-Stammdokumentation (PSMF)).
3. Welche Kriterien helfen bei der Auswahl eines geeigneten Interim Managers in der Pharmakovigilanz?
Während es in einer beratenden Tätigkeit in der Pharmakovigilanz meist darum geht, interne Prozesse so umzugestalten, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt bzw. in die individuelle Firmenstruktur integriert werden, die Entscheidungsverantwortung und Implementierung jedoch dem Auftraggeber überlassen bleibt, setzen Interim Manager die strategischen und operativen Aufgaben üblicherweise selbst aktiv im Unternehmen um. Die Auswahl des richtigen Interim Managers ist somit entscheidend für den Erfolg des Projekts oder der Rolle, die besetzt werden soll. Zu den wichtigsten Kriterien zählen hierbei Ausbildung und Erfahrungsschatz:
- Fachliche Vorkenntnisse: Eine passende Grundausbildung, z.B. in Humanmedizin oder Pharmazie ist essenziell, zusätzliche Qualifizierungen und ggf. individuelle Qualitätsmerkmale vorteilhaft. Der Interim Manager sollte zudem über tiefgehende Kenntnisse der arzneimittelsicherheitsrelevanten Regelungen und spezifischen Herausforderungen der Pharmakovigilanz in der jeweiligen Region gut verstehen. Wie relevant die Frage der Ausbildung schnell werden kann, zeigt sich beispielsweise dann, wenn die interim EU QPPV selbst kein Mediziner ist und daher rund um die Uhr Zugang zu einem solchen beim Auftraggeber benötigt (was insbesondere kleinere Firmen häufig nicht sicherstellen können).
- Relevante Erfahrung: Eine breite, langjährige Berufserfahrung in der Pharmakovigilanz, idealerweise auch in leitender Funktion, ist empfehlenswert, um Implikationen der eigenen Handlung auf das Pharmakovigilanz-System insgesamt entsprechen abschätzen zu können. Kandidaten, die in ihrer bisherigen Pharmakovigilanz-Karriere (z.B. in Festanstellungen) nur eine einzige Art von Tätigkeit ausführt oder nur rein national gearbeitet haben, nun aber ein breites Portfolio an Leistungen oder globale Funktionen anbieten, werfen zumindest Fragen auf. Ähnliches gilt für Interim Manager in verantwortlichen Positionen, die diese lediglich aus einem Halbtagesseminar kennen, aber keinerlei praktischer Erfahrung mitbringen. Und der PV IM, der eine bestimmte, sachbezogene Expertise zur Verfügung stellen soll, sollte einschlägige praktische Erfahrung mit der betreffenden Aufgabe aufweisen, d.h. die Tätigkeit, für die er zum Einsatz kommt, selbst schon ausgeführt haben und sie nicht z.B. zur aus der Vogelperspektive kennen (weil er sie bisher z.B. lediglich delegiert hat). Es lohnt sich also, genau hinzuschauen.
4. Wie finden Auftraggeber und PV IM zusammen?
Je besser der Auftraggeber vorbereitet ist und je besser er die anstehende Aufgabe definieren kann, desto gezielter lässt sich der optimalste Interim Manager identifizieren. Dies erfordert möglicherweise etwas Zeit, lohnt sich letztendlich aber. Denn die gewünschte Grundausbildung, den Pharmakovigilanz-Schwerpunkt und die relevante praktische Arbeitserfahrung (auch in Bezug auf die zu besetzende Ebene) sowie ggf. besondere Anliegen an die Position möglichst genau zu beschreiben, helfen anschließend, mit wenigen Klicks über entsprechende Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder Branchenverbände erste passende Kandidaten zu identifizieren.
Die Einschaltung einer Personalagentur mag hierbei zwar attraktiv und bequem erscheinen, ist jedoch nur teilweise sinnvoll, zumal dies häufig höhere Kosten (Vermittlungsgebühren / Provisionen) verursacht und (durch zusätzliche Abstimmungsrunden) den Prozess verlangsamt, was insbesondere in dringenden Fällen hinderlich sein kann. Und niemand kennt die spezifischen Bedürfnisse und Umstände besser, als das Unternehmen selbst.
Bei der direkten Suche können Unternehmen gezielt nach Fachkräften suchen, die exakt den Anforderungen des Projekts oder der Position entsprechen. Sie haben die volle Kontrolle über den Auswahlprozess und können sicherstellen, dass der ausgewählte Kandidat über die notwendige Fachkompetenz und Erfahrung verfügt sowie gut zum Unternehmen und zum bestehenden Team passt. Dies erhöht die Chancen auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit und minimiert das Risiko von Fehlbesetzungen.
5. Was ändert sich durch den Einsatz neuer Technologien in der Pharmakovigilanz?
Ebenso wie andere Branchen, steht auch die Pharmakovigilanz vor großen Veränderungen, da neue Technologien zunehmend Einzug in diesen Bereich halten.
Neue Therapieansätze (wie z.B. Zell- und Gentherapie) stellen neue Erfordernisse an Risikoüberwachung und -minimierung. Und KI-Modelle, die potenzielle Nebenwirkungen auf der Grundlage von Patientenprofilen, Anamnese und genetischen Faktoren vorhersagen können oder große Datenmengen schneller analysieren und somit potenzielle Risiken frühzeitig identifizieren, entlasten Pharmakovigilanz-Teams und ermöglichen ggf. eine präzisere Risikoabschätzung oder frühzeitigere Identifikation möglicher Arzneimittelrisiken.
Auch das Pharmakovigilanz Interim Management wird – wie andere Branchen – somit einen Wandel erleben, für Pharma- und Biotechunternehmen jedoch auch zukünftig eine wichtige Rolle spielen.
6. Fazit
Interim Management in der Pharmakovigilanz bietet Unternehmen eine flexible und kompetente Lösung, um anspruchsvolle regulatorische Anforderungen zu bewältigen und temporäre Engpässe zu überbrücken. Eine gezielte Auswahl des Interim Managers kann dazu beitragen, Kosten zu sparen und die passende Expertise direkt an Bord zu holen. Die Integration neuer Technologien wie KI wird die Pharmakovigilanz in den kommenden Jahren weiter transformieren und bietet sowohl Chancen als auch Herausforderungen für Interim Manager und ihre Auftraggeber.
Dr. Monika Boos LL.M. ist approbierte Humanmedizinerin mit einem Masterabschluss in Pharmarecht. Nach langjährigen Tätigkeiten in der deutschen, europäischen und globalen Arzneimittelsicherheit internationaler Pharmaunternehmen, die sowohl „Hands-on Experience“ als auch mehrjährige Positionen mit in Führungsverantwortung, u. a. als Stufenplanbeauftragte, stellv. EU QPPV und Leitung der globalen Pharmakovigilanz (mit weltweiter Verantwortung für etablierte Produkte und Entwicklungspräparate) umfasste, hat sie sich inzwischen mit ihrem eigenen, 2014 gegründeten Unternehmen »BoosConsulting – Pharmacovigilance by Passion!« im Interimsmanagement sowie in der Beratung und Unterstützung von Pharma- und Biotechfirmen bei der Umsetzung regulatorischer Anforderungen in der Pharmakovigilanz und anderen Bereichen des Pharmarechts etabliert. Weitere Informationen unter: www.BoosConsulting.de
In den DDIM.fachgruppen haben sich Mitglieder zusammengeschlossen, die in gleichen Branchen und Funktionen oder an vergleichbaren Aufgabenstellungen und Sonderthemen arbeiten. Die Mitglieder sind auf ihren Gebieten Experten, sie tauschen ihr Wissen und ihre Erfahrungen aus. Eines ihrer Ziele ist es, das Interim Management in den einzelnen Disziplinen bekannter zu machen sowie mehr Nähe zur Industrie, zu Verbänden und zu Fachmedien herzustellen.
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