Sanierung als Chance: Ein Plädoyer für einen proaktiven strategischen Umbau in Krisen
Ein Beitrag von Interim Managerin & DDIM Mitglied Susanne Krüger-Lampe
Auf den ersten Blick wirken Sanierungen oft wie plötzliche Reaktionen auf Schocks: neue Regulierungen, wegbrechende Märkte oder technologische Umbrüche. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Häufig liegen die Ursachen in jahrelangen Versäumnissen, auch im HR-Bereich.
Wenn HR beispielsweise Gehaltsanpassungen unkritisch durchwinkt, neue Stellen freigibt, ohne die Prozesse zu prüfen, oder Organisationsstrukturen nicht regelmäßig hinterfragt, wachsen Ineffizienzen langsam, bis sie zu einem echten Problem werden. Der eigentliche Zusammenbruch wirkt dann überraschend, ist aber das Ergebnis ungenutzter HR-Steuerung und fehlender Weitsicht.
Führung beginnt mit HR und Ehrlichkeit
Eine erfolgreiche Neuausrichtung braucht weit mehr als operative Kostenschnitte. Sie verlangt eine Kultur der Verantwortung. Und hier ist HR in einer Doppelrolle gefordert: Einerseits als Treiber für Veränderung, andererseits als Sparringspartner für die Führung. Wer glaubwürdig sanieren will, muss offen benennen, wo Entscheidungen zu spät getroffen oder Verantwortung abgeschoben wurde. Mitarbeiter merken sehr genau, ob Führung und HR die Realität klar ansprechen oder sich hinter Phrasen verstecken. Offenheit ist dabei kein Risiko, sondern die Voraussetzung für Vertrauen. Erst wenn HR zusammen mit dem Management klar kommuniziert, auch wenn es unbequem ist, entsteht die Basis für eine Veränderung, die wirklich mitgetragen wird.
Die Rolle derjenigen, die bleiben
Oft liegt die Aufmerksamkeit in Sanierungsphasen auf Abbauprogrammen. Dabei entscheidet der Erfolg langfristig über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Unternehmen bleiben. Sie tragen zusätzliche Verantwortung, beobachten das Verhalten der Führung und hinterfragen die Zukunftsperspektive des Unternehmens. Bleibt die Kommunikation vage oder werden Sorgen nicht ernst genommen, drohen innere Kündigung und schwindendes Engagement. Gefragt ist daher: kontinuierlicher Dialog mit den Bleibenden, klare Botschaften und konkrete Perspektiven.
Mehr als Kosten senken
Restrukturierung darf nicht mit bloßer Kostendisziplin verwechselt werden. Sie sollte als strategischer Umbau verstanden werden. Das heißt: Welche Kompetenzen braucht das Unternehmen in Zukunft? Welche Aufgaben entfallen, welche neuen entstehen? Ist es sinnvoll, ausgelagerte Leistungen zurückzuholen, weil sie heute kostspieliger oder weniger effizient sind? Sanierung bedeutet nicht „weniger“, sondern „anders“, mit Fokus auf Zukunftsfähigkeit.
Eine Untersuchung von Roland Berger zeigt das eindrucksvoll: 40 Prozent der befragten Unternehmen setzen in Krisenphasen auf Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, während reine Kostensenkung nur für ein Drittel im Mittelpunkt steht. Wachstum, Marktpositionierung und die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells werden als entscheidende Hebel erkannt.
Praxisbeispiel: Transformation in der Automobilindustrie
Ein Zulieferer, spezialisiert auf Komponenten für Verbrennungsmotoren, stand mit der Umstellung auf Elektromobilität vor einer existenziellen Herausforderung. Anstatt reflexartig Stellen zu streichen, entschied sich die Unternehmensführung für einen strukturierten Umbau: Qualifizierung von Fachkräften in den Bereichen Batterie- und Leichtbau, klare Perspektiven für Mitarbeitende mit neuen Rollen sowie transparente Prozesse für unvermeidbare Trennungen. Meine externe HR-Expertise brachte Tempo und Struktur in den Prozess, half beim Aufbau eines Kompetenzmodells und unterstützte Führungskräfte in der Kommunikation. Entscheidend war: Der Fokus lag nicht nur auf Abschied, sondern auch auf Zukunft.
Ohne Zielbild keine Richtung
Eine Sanierung ohne klares Zukunftsbild bleibt reaktive Schadensbegrenzung. Unternehmen, die ausschließlich sparen, ohne ihre künftige Ausrichtung zu definieren, riskieren Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft. Deshalb braucht es ein fundiertes Szenario: Soll ein Standort geschlossen oder verlagert werden? Steht ein Technologiesprung bevor? Erschließen sich neue Märkte, die einen Richtungswechsel erfordern?
Je nachdem, welches Zukunftsbild gewählt wird, verändern sich die Anforderungen an die Organisation massiv. HR spielt dabei eine Schlüsselrolle: von Weiterbildungsinitiativen über die Bindung zentraler Talente bis hin zu sozialverträglichen Trennungen oder dem Aufbau völlig neuer Rollenprofile. Ein faktenbasierter Vergleich verschiedener Szenarien, eng abgestimmt mit der Finanzseite, stellt sicher, dass Entscheidungen nicht nur strategisch sinnvoll, sondern auch tragfähig sind.
Fazit: Sanierung als Führungsaufgabe
Restrukturierung ist keine reine Verwaltung von Krise, sondern eine Form aktiver Unternehmensgestaltung. Sie erfordert Mut, Konsequenz und strategische Klarheit. Wer nur reagiert, verliert Vertrauen, Zeit und Handlungsspielraum. Wer aber aktiv steuert, offen kommuniziert und Zukunftsbilder schafft, kann aus einer schwierigen Phase neue Stärke entwickeln und das Unternehmen nachhaltig neu ausrichten.
Susanne Krüger-Lampe ist Expertin für die Neuausrichtung administrativer HR-Abteilungen. Ihr Schwerpunkt liegt auf Restrukturierung, Transformation und Change – besonders in herausfordernden Führungssituationen. Ihre Erfahrung zeigt: Veränderungen müssen nicht weichgespült, sondern klar gestaltet werden. Ihr Ansatz lautet: unangenehme Entscheidungen verständlich machen und wirksam umsetzen.
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