Inclusive Leadership – Inklusive Führung im digitalen Zeitalter

Ein Beitrag von Boje Dohrn, Unternehmensberater und Präsident des IBWF e.V. – Das Netzwerk für Mittelstandsberater

Viele Führungskräfte erwarten, dass der Chef oder die Chefin das richtige entscheidet und als Kapitän das Schiff sicher lenkt. So müssen sie keine Verantwortung übernehmen und können, wenn etwas schief geht sich hinter der Entscheidung des Chefs oder der Chefin verstecken.

Aber das Spiel funktioniert so nicht mehr. Die meisten Verantwortlichen spüren das jeden Tag, nur wollen oder können sie ihre Verunsicherung nicht offen nach außen zeigen, weil das den Erwartungen widerspricht, die sie selbst und andere an sie haben. Es ist darum kein Wunder, dass sich Führungskräfte überfordert fühlen.

Kontinuierliche Überforderung führt zu negativem Stress und macht krank. Ganz klassisch suchen die überforderten Leader die Schuld derzeit noch immer bei sich, anstatt anzuerkennen, dass sich die Rahmenbedingungen für alle, die Verantwortung tragen, mit der Digitalisierung grundlegend verändert haben.

Viele internationale Standards oder auch Curricula an unseren Hochschulen basieren auf der impliziten Annahme, dass sich unsere komplexen Systeme im Prinzip weiterhin top-down bzw. hierarchisch steuern lassen. Mit diesen eingeführten Methoden und Bildungsangeboten werden Millionen verdient. Die anerkanntesten Hochschullehrer*innen und Berater*innen verkaufen diese Konzepte. Lernende oder Beratungskunden vertrauen darauf, mit diesem Wissen in der Zukunft erfolgreich sein zu können. Hier sind zumindest Zweifel angebracht.

Der Wandel vom analogen zum digitalen Zeitalter hat sich in den strategischen Schlüsselbereichen Kunden, Wettbewerb, Daten, Innovation und Wert vehement vollzogen.

Es sollte genau überprüft werden, welche Wissenselemente in unserem veränderten und komplexen Umfeld tatsächlich (noch) dazu beitragen, eine Entscheidungssituation zukunftssicher zu bewältigen. Ganz vorne dabei zu sein, bedeutet allein zu sein, da sich hier keiner auskennt. Die Bereitschaft, das eigene Wissen und alle bisherigen Erfahrungen kritisch zu hinterfragen, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Es muss erst einmal die mentale Transformation stattfinden.

Dazu erscheint es hilfreich, eine Einordnung bzw. die Abgrenzung der Begriffe Leadership und Management durchzuführen, um besser zu verstehen, was inklusive Führung im digitalen Zeitalter ausmacht. Management kann wie folgt definiert werden: „Es ist die Fähigkeit, anhand von Werten und Prinzipien eine Gruppe von Menschen zu führen, beteiligte Prozesse zu steuern und notwendige Ressourcen optimal einzusetzen, um ein vorher definiertes Ziel zu erreichen (Staudt, 2017).

Was ist dagegen Leadership? Leadership bzw. Führung erzeugt Wandel und Bewegung in einer Organisation. Es geht darum, z. B. eine neue Richtung vorzugeben oder inspirierend auf das eigene Umfeld zu wirken (Kotter 1990: 4ff.). Die Definition von Leadership lautet: „Es ist die Fähigkeit, Menschen mit Visionen eine neue Sichtweise und Sinn zu geben, sodass sie sich mit den Zielen und den Werten identifizieren“ (Staudt, 2017).

Eine scharfe Trennung der Begriffe ist nicht sinnvoll. Das eine geht nicht ohne das andere. Der INCLUDE-Ansatz ist im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Management und Leadership daher fließend. Auch bei Management-Tätigkeiten geht es z. B. darum, Teams zu führen. Man sollte auch nicht so tun, als ob Leader all die wichtigen Dinge machen und Manager sich dagegen „nur“ auf das gewöhnliche Tagesgeschäft fokussieren. Mit der Realität hat das wenig zu tun.

Beides, Management und Leadership, ist für den Erfolg von Unternehmen und Organisationen von existenzieller Bedeutung. Leadership ist nicht besser oder schlechter als Management, es hat einen anderen Fokus. Sowohl gute Leader als auch gute Manager werden dringend gebraucht. Wichtig ist, dass es bei Führungskräften ein Bewusstsein für beide Rollen gibt und sie diese je nach Situation ausfüllen können.

Der INCLUDE-Ansatz zielt einerseits darauf ab, das Management zu verbessern. Es werden Werkzeuge und Methoden zur Verfügung gestellt, die Führungskräfte dabei unterstützen, Dinge (noch) besser zu machen. Darüber hinaus geht es darum, die richtigen Dinge zu tun, um in Zukunft erfolgreich sein zu können. Leadership im Sinne von INCLUDE zielt darauf, das Neue zu wollen und zu ermöglichen. Das ist nicht der gewöhnliche Unternehmensalltag. Die digitale Transformation ist aber auch keine gewöhnliche Veränderung.

Der Leadership-Ansatz von INCLUDE ist eine Anleitung für die Praxis, damit das Neue anders und auch besser gestaltet werden kann als bisher. Er berücksichtigt die revolutionären Veränderungen des digitalen Zeitalters, in dem ein Mensch allein fast immer überfordert ist, wenn er oder sie Entscheidungen für die Zukunft treffen muss.

Leadership (und auch Management) sollte daher auf möglichst viele Köpfe verteilt werden. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass sich Unternehmen und Organisationen für das Thema „Selbstorganisation“ öffnen. Leadership und Management kann zur Aufgabe von möglichst vielen unterschiedlichen Akteuren in einer Organisation werden. Fremdsteuerung und die klassischen top-down Hierarchien funktionieren nicht mehr in einer digitalen und stark vernetzten Welt. Die Realität komplexer Märkte und Gesellschaften ist heute vollkommen anders als im 20. Jahrhundert und kann am besten bewältigt werden, wenn Verantwortung geteilt wird. Führung muss inklusiver werden.

Ausgangspunkt und Grundlage des „Inclusive Leadership“-Konzepts war eine einfache Frage: Können alle Personen in unserer Organisation Führungskräfte sein? Die Antwort ist ein eindeutiges Ja. „Inclusive Leadership“ dehnt den Führungsbegriff aus und fördert bzw. fordert (!) den Beitrag aller in einer Organisation.

Führung im Sinne von “Inclusive Leadership“ bedeutet: „doing things with people rather than to people“ (Hollander 2012: 9). Damit wird die starre Rollenverteilung zwischen Leadern und Followern durchbrochen. Ein Wechsel der Rollen ist möglich und sinnvoll. Das „Inclusive Leadership“-Konzept hat das Ziel, diese Herangehensweise im Mindset aller Beteiligten zu etablieren.

Wie sieht ein Mindset aus, dass zur Realität unserer Unternehmen und Organisationen im digitalen Zeitalter passt?

Die folgenden 12 Prinzipien bieten Orientierung

(vgl. Hermann/Pfläging 2020: 111ff. und Sassenrath 2017 39ff.).

  1. Mehr Autonomie zulassen
  2. Föderalisierung fördern
  3. Selbstorganisation ermöglichen
  4. Alternative Erfolgsmessung etablieren
  5. Transparenz schaffen und Informationen teilen
  6. Sinnvolle langfristige Ziele finden
  7. Eine andere Teilhabe am Erfolg ermöglichen
  8. Weniger Planung, um agiler und schneller zu sein
  9. Keine Orientierung am Fiskaljahr
  10. Bürokratie abschaffen und Könner machen lassen
  11. Ressourcen anders verteilen
  12. Die Realität mitspielen lassen

INCLUDE bietet in einem Zwei-Phasenmodell eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, in der Werkzeuge für fünf Entwicklungsbereiche vorgestellt werden.

  • Führungskraft – Werkzeuge zur Selbstreflexion und Selbsterkenntnis;
  • Menschen – Werkzeuge für das Beziehungsmanagement;
  • Struktur – Werkzeuge für mich, mein Team und meine Organisation;
  • Prozess – Werkzeuge, um eine gemeinsame Vision zu leben und Veränderungen zu schaffen und
  • Technologie – Werkzeuge für die treibenden Kräfte, die die Welt verändern.

In der ersten Phase geht es um die Führungskraft selbst.

In der zweiten Phase ist die gesamte Organisation beteiligt.

Ein E-Mail-Kurs unterstützt den Weg zum neuen Führungsansatz INCLUDE.

Die Produkte von INCLUDE stehen online kostenlos ab Mitte September 2022 zur Verfügung: https://www.mittelstandsberater.de/de/ueber-uns/projekt/include/

Boje Dohrn, Unternehmensberater und Präsident des IBWF e.V. – Das Netzwerk für Mittelstandsberater – Berlin, Mitarbeit in den EU-Projekten „Digital Transformation“ und INCLUDE, im Rahmen der Projektpartnerschaft des IBWF e. V. Maxime seiner Arbeit sind kooperative Beratung, denn keiner kann alles allein und die Erfüllung einer Lotsenfunktion als Verantwortung gegenüber dem Mandanten.