Die Königsdisziplin im Interim Management: Mit Kostendruck und Personalengpass jonglieren

Ein Beitrag von DDIM Partner Tobias vor der Brüggen, Managing Consultant // von Rundstedt & Partner GmbH

Die Optimierung und Neuausrichtung von Unternehmen stellen eine zentrale Aufgabe im Interim Management dar. Dabei sind Kosten, Zeit, Qualität und Quantität stets maßgebliche Parameter, mit dem Ziel eines Turnarounds und einer zukunftsfähigen Unternehmensorganisation. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, sich stetig zu verändern und anzupassen. Dabei sind Banken, Kunden, Lieferanten, Versicherer und die betriebliche Mitbestimmung zentrale Anspruchsgruppen. Inmitten dieses Wandels entsteht die Frage: Wer setzt die neue Unternehmensstrategie um?

Komplexe Herausforderungen

Die große Herausforderung für Interim Manager stellt das Risiko eines „Brain Drains“ während oder nach einem Projekt dar. Dieser Verlust von Fach- und Führungskräften kann den Erfolg eines Turnarounds gefährden, insbesondere wenn gleichzeitig Personal abgebaut wird. Denn die Mega-Trends Demographie und Digitalisierung erzeugen chronische Personalengpässe. Wie lässt sich dieses Risiko minimieren? Und was bedeutet dies für aktuelle und zukünftige Projekte?

Umdenken gefragt

Das Humankapital hat sich von einer simplen Ressource zu einem strategischen Faktor gewandelt. Wo früher Personalabbau gefolgt von einem einfachen Wiederaufbau das Standardrezept war, gilt es heute neue Wege und vernetzte Lösungen finden. Es reicht nicht, Mitarbeitende nach betriebswirtschaftlichen Kennzahlen zu bewerten, sondern sie im Kontext der aktuellen und zukünftigen Unternehmensstrategie zu sehen.

Das (Interim) Management bewertet Produktionsabläufe, Beschaffungsprozesse und Vertriebsstrukturen mit betriebswirtschaftlicher Expertise und HR zählt und kümmert sich um FTEs und in der Folge auch um einen etwaigen Personalabbau? Diese traditionelle Aufgabenteilung bringt nicht mehr den gewünschten Erfolg.

Denn für eine Antwort auf die Frage, wie die neue Unternehmensstrategie im operativen Doing umgesetzt wird, reichen standardisierte Daten, wie Bildungshintergrund, etwaige Weiterbildungen, Familienstand und ggfs. subjektiv gefärbte Bewertungen von Führungskräften, nicht aus.  Denn sie helfen nur marginal bei der Bewertung weiter, wie die einzelnen Mitarbeitenden mit ihren individuellen Fähigkeiten einen Beitrag zur Unternehmensstrategie leisten können. Quo vadis?

Der Weg zu vernetzen Lösungen

Ein in der Praxis bereits bewährtes Vorgehen ist die Vernetzung unterschiedlicher Denkansätze. Auch wenn diese im Interim Projekt-Kontext keinen Anspruch auf Vollkommenheit haben können, lohnt die Schaffung eines Ökosystems aus relevanten Stakeholdern, Arbeitsrecht, Personalwirtschaft und Qualifizierung.

Die entscheidende Frage ist dann nicht wie bisher: wie viele FTE braucht das Unternehmen, sondern:

  • Welche Beschäftigten haben Fähigkeiten, die das Unternehmen zur erfolgreichen Umsetzung der neuen Strategie benötigt?
  • In welchen Unternehmensbereichen und Abteilungen arbeiten sie?
  • Was ist heute ihre Aufgabe?
  • Was können sie heute und was können und wollen sie morgen noch leisten?

Drei Schritte sind hierbei entscheidend:

Ein Beispiel: Eine Produktlinie eines Unternehmens liefert Verbrennerkomponenten, eine andere  Querverstrebungen. Nur letztere wird in der Mobilität der Zukunft einen Platz haben und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sicherstellen. Mit Blick auf das notwendige Wachstum stellt sich nun die Frage, welche Köpfe aus den Verbrennerkomponenten einen Beitrag zum Wachstum der Querverstrebungen leisten können.

  1. Einen harmonisierten und standardisierten Bezugsrahmens schaffen
  2. Die vorhandenen Fähigkeiten und Kompetenzen erheben und analysieren.
  3. Evaluierung von zukunftsfähigen Weiterbildungsmöglichkeiten und der dazugehörigen Fördermittel.

Diese drei personalwirtschaftlichen Schritte sind die Basis für ein Konzept, das es ermöglicht, die Unternehmensstrategie mit den vorhandenen Ressourcen umzusetzen. Dabei ist die richtige Kommunikation mit den Mitarbeitenden sowie die Erhöhung ihrer Veränderungsbereitschaft essentiell. Um die Motivation und das Engagement von Führungskräften und Mitarbeitenden durch diesen Prozess aufrechtzuerhalten ist eine kluge Analyse, Moderation sowie ein professionelles Projekt- und Stakeholdermanagement notwendig. Sicher erfasst die Veränderungsdynamik nicht alle Beteiligten. Aber mit der skizzierten Vorgehensweise steigt die Quote der Mitarbeitenden signifikant, die den neuen Weg mitgehen.

Einige der zentralen Fragen sind:

  • Welche Mitarbeiter-Profile sind für die nächsten 18 Monate der Optimierungsphase unverzichtbar? Wo ist das Risiko ungewollter Abgänge besonders hoch?
  • Welche Leistungs- und Knowhow-Träger bzw welche Fähigkeiten und Kompetenzen benötigen Sie ab Monat 19 für neues Wachstum?
  • Welche kostenintensiven oder schwer zu rekrutierenden Personalressourcen lassen sich mittelfristig über regionale Kooperationen und Joint-Ventures integrieren?
  • Lassen sich Aufgaben in heutigen Aufgabenbeschreibungen über Plattformlösungen digitalisieren? Lässt sich Mitarbeiter-Knowhow durch Tech-Potential verstärken, viceversa?
  • Wie stabilisieren Sie die Arbeitgebermarke in der schwierigen Phase der Optimierung? Thematisieren Sie Retention und zukünftige Rekrutierung

Fazit

Das vernetzte Denken erfordert ständigen Austausch mit Experten aus verschiedenen Bereichen, von Restrukturierungsberatern bis hin zu Fachanwälten. Auch wenn Budgets oft begrenzt sind, können durch ein interdisziplinäres Ökosystem mit flexiblen Beratungsangeboten die Kosten für den Unternehmensumbau signifikant gesenkt werden.

Zur Vertiefung:

Crone, A./Werner, H. (Hrsg.): Modernes Sanierungsmanagement: Sanierung als ganzheitliche Aufgabe: Strategische Neuausrichtung, operative Verbesserung und finanzielle Stabilisierung, 6. Aufl. 2021

Michailov, G./Stange, J.: Geschäftsmodell-Redesign: Dimensionen bewerten, Werthebel identifizieren, Transformation gestalten – Ein Praxisbuch, 2022

Weitere Beiträge der von Rundstedt & Partner GmbH finden Sie hier.

Seit rund 20 Jahren unterstützt Tobias vor der Brüggen branchenübergreifend Menschen und Organisationen in Veränderungsprozessen. Die praxisorientierte Begleitung unternehmerischen Wandels und den daraus resultierenden Anforderungen an Mitarbeitende und Führungskräfte stehen im Mittelpunkt seiner Arbeit. Als Managing Consultant für die Region Nordrhein-Westfalen ist er Ihr Ansprechpartner zum Thema Workforce Transformation.

von Rundstedt ist einer der führenden Experten für Personalveränderungen im Rahmen umfangreicher Transformations-Prozesse sowie der deutsche Marktführer im Outplacement. Bereits seit über 35 Jahren hält das Familienunternehmen, das in zweiter Generation von Sophia von Rundstedt geführt wird und rund 390 Mitarbeiter beschäftigt, seine Stellung am Markt. Die Workforce Transformation-Experten befähigen Organisationen, ihre Personalveränderungen smart, verantwortungsvoll und zukunftssicher zu gestalten. Das Full-Service-Angebot erstreckt sich auf die Bereiche Workforce Planning, Mobilisierung, Qualifizierung, Beschäftigtentransfer sowie die Karriereberatung im Rahmen der beruflichen Neuorientierung.