Zukunft der Arbeit – Interim Management, Crowdworking und demografischer Wandel

Prof. Dr. Peter Hartz im Interview mit Dr. Marei Strack

Im Rahmen des Jahresforums des AIMP (Arbeitskreis Interim Management Provider) traf DDIM Vorsitzende Dr. Marei Strack auf den diesjährigen Key-Note Speaker Prof. Peter Hartz. Seine Ausführungen zu „Arbeit der Zukunft“ und die wachsende Bedeutung von Interim Management bestätigten die positive Entwicklung in den letzten Jahren. Trotzdem sieht der Sozialreformer auch Veränderungen auf die Branche zukommen.

Dr. Marei Strack: Interim Management gab es ja schon zu Ihren Zeiten bei VW. Da hieß es noch Management auf Zeit und hat sicher eine andere Rolle gespielt, oder?

Prof. Peter Hartz: Es hat schon eine Rolle gespielt. Allerdings kamen diese Manager nicht aus dem freien Markt, waren also nicht selbständig. Sie stammten aus einer eigenen Consulting Gesellschaft. Wir haben damals eine Coaching- und Consulting Gesellschaft aufgebaut, in der wir dann einen Pool mit Interim Managern hatten. Das Instrument Interim Management aber wurde innerhalb des Konzerns voll angewandt.

Im freiberuflichen Bereich haben auch selbstständige Coaches Aufträge übernommen. Sie haben z. B. das Coaching für Gesundheit, berufliche und mentale Themen gemacht. Für mich interessant war dabei, dass nicht Coaching für berufliche Entwicklung am meisten nachgefragt wurde, sondern mentales Coaching, z. B. für Führungsprobleme und alle Probleme mentaler Art.

Dr. Marei Strack: Wie sehen Sie die Einsatzmöglichkeiten für Interim Manager in einer Arbeitswelt die schneller, agiler und digitaler wird?

Prof. Peter Hartz: Es sind vor allem die Mittelständler, die sich mit Interim Managern verstärken müssen, weil sie oft Innovation, Produktion und Tagesgeschäft nicht unter einen Hut kriegen. Weil sie nicht groß genug dafür sind, um eine eigene Abteilung dafür zu haben wie damals VW.

Dr. Marei Strack: Wie sieht für Sie die Zukunft des Interim Managements in der Arbeitswelt der hochqualifizierten Führungskräfte von morgen aus?

Prof. Peter Hartz: Ich glaube, dass es ein wachsender Markt ist, der sich weiterentwickelt und in dem auch hochqualifizierte Interim Manager über Crowdworking-Plattformen ihre Aufträge kriegen. Diese Entwicklung sollten Interim Manager im Auge behalten und beobachten, wie sich die Qualität der ausgeschriebenen Crowdworking Tätigkeiten entwickelt.

Dr. Marei Strack: Können Sie sich denn vorstellen, dass Sie heute eine Führungskraft auf zweiter oder dritter Ebene über eine Crowdworking-Plattform suchen würden?

Prof. Peter Hartz: Heute noch nicht, aber Sie werden sehen, wie stürmisch sich das Crowdworking entwickeln wird.

Dr. Marei Strack: Aber wie können denn auf einer Crowdworking -Plattform die „Soft Skills“, also z. B. die Führungseigenschaften, eines Interim Managers dargestellt werden? In Ihrem Vortrag haben Sie die zunehmende Bedeutung von Diagnostiktools hervorgehoben. Ist das ein Ansatz?

Prof. Peter Hartz:  Ja, durchaus auch als Bestandteil der eigenen Bewerbungsunterlagen. Interim Manager können anhand von Diagnostiktools ihre Talente und zusätzliche Fähigkeiten ausarbeiten lassen und diese in ihren CV einbauen. Das wird im HR-Bereich schon zunehmend gemacht.

Dr. Marei Strack: Im Zusammenhang mit dem Thema „Zukunft der Arbeit“ und Work-Life Balance haben Sie vorhin auch Ihr Projekt LONGINOS erwähnt. Was verbirgt sich dahinter?

Prof. Peter Hartz: Es handelt sich um ein Projekt zur Entwicklung von Arbeitszeitmodellen für Ältere und Hochaltrige in verschiedenen Altersklassen von 65 bis 90 Jahren. Es geht zurück auf eine 2011 im Saarland gegründete Vereinigung von älteren Menschen, die einen Beitrag dazu leisten wollen, die Herausforderungen des demografischen Wandels zu bewältigen und das Gerechtigkeitsproblem zwischen den Generationen zu lösen. Sie wollen keine passive Ruhestandsmentalität, sondern als mündige Bürger selbst entscheiden, wie lange und wie viel sie arbeiten, ob gegen Bezahlung oder ehrenamtlich.

Dr. Marei Strack: Es geht dabei also nicht nur um sinnstiftende Teilhabe, also ehrenamtliche, soziale oder karitative Arbeit, sondern um marktfähige Tätigkeiten?

Prof. Peter Hartz: Genau, das muss auch wertschöpfend sein und einen Marktwert haben. Wo Sie gutes Geld dafür bekommen.

Dr. Marei Strack: Wie sieht es mit gesellschaftlichen Themen aus, beispielsweise mit politischem und sozialem Engagement? Das hat ja so gesehen keinen Marktwert.

Prof. Peter Hartz: Gerade das Ehrenamt hat einen Wert, einen sehr hohen sogar. Auch wenn man ihn nicht bepreisen kann und er eher ideell ist. Dieses Ehrenamt ist ja eine unglaubliche Leistung. Das gehört übrigens auch zu den zehn Geboten, sich um Ihre Nächsten kümmern, für die Gesellschaft etwas zu tun.

Zu Prof. Dr. Peter Hartz: Bis Juli 2005 war er Personalvorstand und Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG. Nach ihm wurden die als Hartz-Konzept bekannten Arbeitsmarktreformen der frühen 2000er Jahre benannt. Er ist Stifter und Kuratoriumsmitglied der „SHS Foundation“, einer Stiftung mit dem Ziel, das Saarland als Wirtschafts-, Wissenschafts-, Forschungs- und Kulturregion international bekannt zu machen. Initiator von LONGINOS.