Der Interim Manager als Projektleiter
Können externe Führungskräfte Projekte erfolgreich ins Ziel bringen?
Text: Dr. Karl Werdich
Projektleiter sind Fachleute, Manager und Führungskräfte in einer Person. Insbesondere bei kritischen Projekten werden diese entscheidenden Positionen gerne mit externen Fachkräften besetzt, welche Erfahrungen aus verschiedenen Projekten in einer oder mehreren Branchen mitbringen.
Während in der Auswahlphase das persönliche Auftreten und die Fachexpertise im Vordergrund stehen, zeigen sich die vielseitigen Fähigkeiten eines guten Projektleiters erst im Projekt. Gleichzeitig werden implizit vom Kunden und auch von den einzelnen Projektmitgliedern Vorbildfunktion, Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit erwartet. Diese entscheidenden Schlüsselfähigkeiten zeigen sich jedoch ebenfalls erst im Verlauf des Projekts.
Da sich diese Anforderungen mit den Eigenschaften vieler Interim Manager decken, kommen diese zunehmend auch als Projektleiter zum Einsatz. Dass ihre Fähigkeiten auch in Projekten hilfreich sein können, zeigt sich in der Betrachtung der kritischen Faktoren des Projekterfolgs.
Ursachen für das Scheitern von Projekten
Werden Projektmitarbeiter nach den Ursachen für das Scheitern von Projekten gefragt, so werden oft nichteingehaltene Termine und die mangelnde Kommunikation in den Projektteams genannt. Dementgegen nennen Manager des Kundenunternehmens oder externe Projektleiter andere Aspekte, wie beispielsweise mangelnde Priorisierung der Aufgaben oder fehlende Problemlösungskompetenz.
Anbei nenne ich Ihnen fünf Hauptursachen, die für das Scheitern von Projekten verantwortlich sind und rege Lösungsansätze zur Vermeidung an. Darüber hinaus zeige ich auf, inwiefern sich ein Interim Manager bezüglich dieser Punkte auch als Projektleiter auszeichnen kann.
1) Mangelhafte Kommunikation in den Projekten
Um Kommunikationsprobleme von Beginn an möglichst klein zu halten, wird ein guter Projektleiter für das zeitlich be-grenzte Vorhaben eine eigene Projektorganisation schaffen, in welcher die Kommunikationswege, aber auch die Strukturen und Hierarchien geregelt sind. Es sollten klare Grenzen zwischen dem Projekt und der Linie bzw. den Linienaufgaben gezogen werden, um auf beiden Gebieten effizient agieren zu können.
Erfolgreich kann hier nur derjenige sein, der den Austausch von Informationen und Wissen frühzeitig fördert und fordert, bevor sich Versäumnisse und vermeidbare Fehler aufgrund Informationsdefizite einschleichen. Daher ist es entscheidend, dass sich der Projektleiter und das Team früh genug Zeit nehmen um die Kommunikationsfähigkeit untereinander sicher zu stellen und dadurch Hindernisse beim Informationsaustausch zu vermeiden.
Kommunikationsprobleme entstehen jedoch nicht nur innerhalb der fachlichen Projektteams, sondern auch mit dem Kunden und den Nutzern. Die sogenannten speziellen Kommunikationsprobleme beginnen bereits beim Verfassen des Pflichten- und Lastenheftes. Hier muss die realitätsbezogene Sprache der Anwender mit dem Fachvokabular der Techniker wechselseitig aufeinander abgestimmt werden. Die Anforderungen müssen präzise, zusammenhängend,vollständig und widerspruchsfrei sowohl in realitätsbezogener, als auch in produkt- oder theoriebezogener Sprache verfasst sein. Bewährt haben sich hier Arbeitsgruppen zwischen Auftragnehmer und -geber zur Erarbeitung des Lastenheftes oder die Erstellung durch einen spezialisierten Dienstleister.
Um die Kommunikationsprobleme zu beseitigen ist also umfangreiche Berufserfahrung gefragt. Ob diese als klassischer Projektleiter gesammelt wurde ist nicht entscheidend. Allerdings hat der Interim Manager aufgrund seiner Erfahrung gegebenenfalls den Vorteil, sich intensiver mit dem Thema Unternehmensorganisationen und Kommunikationsstrukturen auseinander gesetzt zu haben.
2) Unklare Anforderungen und Ziele
Durch unklare Anforderungen und Ziele entstehen in Projekten Zielkonflikte und -ausschlüsse die den Projekterfolg gefährden. Unabhängig davon welche Vorgehensweise zur Zielfindung angewandt werden (u. a. SMART, AROMA, K-A-R-T-E®) ist es wichtig, dass das Erreichen eines Teilzieles den Erfolg eines anderen nicht ausschließt. Idealerweise fördert die Erreichung eines Zieles zugleich die Verwirklichung einer anderen Aufgabe – wir sprechen hier von Zielharmonie.
Beim Zielkonflikt hingegen verringert bzw. behindert das Erreichen des einen Zieles die Erreichung des anderen Zieles und beim Zielausschluss wird die Realisierung sogar verhindert.
Konkurrierende Ziele an sich lassen sich jedoch nicht immer vermeiden und insbesondere Sparmaßnahmen haben dabei auf andere Bereiche Auswirkung. So ist es wichtig diese divergierenden Ziele zu identifizieren und Gegenmaßnahmen oder Kompromisse frühzeitig einzuleiten. Besondere Sorgfalt bei der Zielfindung sollte auf die Realisierbarkeit der definierten Ziele gelegt werden, da diese letztlich zu messbaren und raschen Erfolge der Gruppe führen. Zudem fördert eine klare Zieldefinition die Fähigkeit, wesentliche Details zu erkennen und die Rollenverteilung im Projekt für die einzelnen Teammitglieder wird greifbarer.
Die Anforderung an den Projektleiter liegt somit eindeutig auf seiner Methodenkompetenz. Ob er diese in Schulungen oder durch Praxiserfahrung gesammelt hat steht dabei nicht im Mittelpunkt. Sofern ein Interim Manager, welcher möglicherweise wenig Erfahrung als klassischer Projektmanager sammeln konnte nicht über die entsprechende Erfahrung verfügt, ist es überaus notwendig, dass er sich die notwendige Methodenkompetenz in entsprechenden Projektmanagement-Schulungen aneignen konnte.
3) Unaufmerksames bzw. desinteressiertes Top-Management
Fehlende Managementunterstützung des Projektsponsors (Auftraggeber) wird schnell mit knappen Ressourcen im Projekt gleichgesetzt und das Konkurrieren um Mitarbeiter und Budget wird zumeist als lästig oder ungerecht wahrgenommen. Zu den wichtigsten Aufgaben des Managements gehört es, dem Team vor dem Projektstart die Vision und Ziele des Projekts zu vermitteln und damit die Arbeitsgrundlage für die Projektmitarbeiter zu schaffen.
In einer Vielzahl der Projekte erfüllt das Management diese Aufgabe nicht und ständige Änderungen des Projektumfanges sind die Folge. Aus diesem Grunde fühlen sich viele Projektleiter und -mitglieder bereits am Anfang im Stich gelassen und beklagen die mangelnde Unterstützung. Eine verbindliche schriftliche Einforderung der Projektziele auf oberster Ebene vor dem Projektstart und die Festlegung der Unterstützungsmaßnahmen während der Projektlaufzeit schafft hier Abhilfe. Im Einzelnen kann hier die persönliche Verpflichtung und Mitwirkung des Sponsors im Vorfeld definiert werden, damit beide Seiten sich auf den Grad seiner aktiven Rolle einstellen können. In erfolgreichen Projekten agiert der Sponsor aufmerksam, gibt eine klare Richtung für das Projekt vor und unterstützt das Projekt zuverlässig und angemessen.
Hier punktet der externe Projektleiter gegenüber einem internen, da durch die Beauftragung zusätzliche Aufmerksamkeit des Managements (‘management attention‘) erzeugt wird. Der Interim Manager kann hier zusätzlich punkten, da er mit der Unternehmensleitung eher auf Augenhöhe kommunizieren kann und dieser die nötige Unterstützung eindringlicher nahelegen kann.
4) Unterschätze Fristen, Aufwände und Widerstände
Weitere ausschlaggebende Ursachen für scheiternde Projekte sind die falsche Einschätzung von Fristen und Aufwänden, Politik, Bereichsegoismen und auch interne Kompetenzstreitigkeiten. Die Bewältigung dieser Aufgaben fordert die Fach- und Sozialkompetenzen des Projektleiters gleichermaßen. Dabei sind sowohl seine Erfahrung als auch die unbewusste Abwicklung zwischenmenschlicher Transaktionen gefragt. Ein Projektleiter sollte folglich sowohl über eine technische, als auch über eine nichttechnische ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit verfügen. Die Fertigkeit rationale Entscheidungen treffen zu können wird somit durch seine Wahrnehmung von Körpersprache und unbewussten Signalen ergänzt.
Die Anforderungen an die notwendigen fachlichen Kompetenzen wird am ehesten ein Projektleiter erfüllen, welcher sozusagen aus der Technik kommt und diese nie ganz verlassen hat. Dies wird bei einem Interim Manager in den seltensten Fällen gegeben sein. Dafür sollte er bei den Sozialkompetenzen punkten können, da es ihm ohne diese nicht möglich sein dürfte, in Management-Positionen erfolgreich gewesen zu sein.
5) „Einfach mal draufloslegen
Mentalität“ – Mangelnde Vorbereitung und Erfahrung
Ohne die notwendige Methodenkompetenz Projekte zu planen und zu bearbeiten stellt die fünfte Hauptursache für das Scheitern von Projekten dar. Die Fähigkeit zur Anwendung von bestehenden Fachkenntnissen wird zumeist durch langjährige Praxiserfahrung erworben und qualifiziert zusammen mit den bereits erwähn-ten Kompetenzen für die Position eines Projektleiters. Die Projekterfahrung (Lessons Learned aus anderen Projekten) bietet hierzu eine gute Ausgangsposition und führt mit der Integration eines präventiven Risikomanagements bereits in der Phase des Projektaufsatzes zu erkennbar zielorientierten Prozessabläufen. Von einem wahllosen Zusammenwürfeln von Mitarbeitern mit freien Ressourcen wird hier eindringlich abgeraten.
Auch die Anwendung ausschließlich einer Projektmanagementphilosophie für alle etwaigen Fälle führt nicht unbedingt zum Erfolg. Fallweise gewählte und geeignete Projektmanagement-Methodiken unterstützen hierbei die Branchen- und Fachgebietserfahrungen.
Bei dieser Anforderung punktet auf den ersten Blick eindeutig der erfahrene Projektmanager. Doch auf den zweiten Blick zeigt sich, dass es oftmals nicht an Methodenkompetenz mangelt, sondern meist an der Fähigkeit, dem Top-Management die Notwendigkeit einer sauberen Projektplanung zu vermitteln. Hierdurch werden viele Projekte auf Druck von oben mit der Erwartung schneller Ergebnisse unprofessionell gestartet. Hier zeigt sich also (wie bei Punkt 3) der Vorteil des Interim Managers, der mit dem Top-Management auf Augenhöhe kommuni-zieren kann. Kundenvorteil: Interim Manager
Die Grenzen zwischen herkömmlichen Managementpositionen, klassischem Beratungssupport und interimistischen Mandaten sind im Geschäftsleben oft fließend. Insbesondere die Abgrenzung zwischen Interim Management und Unternehmensberatung ist nicht immer trennscharf.
Die Fähigkeiten und Anforderungen an Glaubwürdigkeit, Führungsverantwortlichkeit und Problemlösungs-kompetenz vereinigt jedoch nur der Interim Manager, da langjährige Führungserfahrung bei klassischen Beratern kein Musskriterium darstellt. Die Richtlinien des DDIM für fachliche Kompetenzen sind hier eindeutig und fordern von ihren Mitgliedern langjährige Führungserfahrung, eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung sowie Projekterfahrung.
Alles in allem bietet die Kombination dieser Kriterien neben der Flexibilität und Effizienz dem Kunden größtmögliche Sicherheit seine Projekte erfolgreich ins Ziel zu bringen.
Dr. Karl Werdich
Dr. Karl Werdich ist DDIM-Mitglied. Mit Erfahrung in der Industrie (Automobil, Luft- und Raumfahrt) und in Managementpositionen innerhalb KMUs unterstützt er seit mehreren Jahren mittelständische Unternehmen auf Bereichs- und Geschäftsführungsebene. Methodisches Wissen und Praxiserfahrungen im Lean Management sowie als zertifizierter Projektmanagement-Trainer lässt er dabei zur Erarbeitung fassbarer Ergebnisse in seine Projekte einfließen.
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