Mittelstand und Automobilindustrie: Interim Management ungleicher Partner

Mittelständische Unternehmen in der Automobilindustrie sind als Zulieferer hoch dynamische und sehr leistungsfähige Partner der Fahrzeughersteller (OEM), tier 1 Systemlieferanten und tier 2 bis tier n Zulieferer. Trotz ungleicher Größenordnung sind sie als Komponenten-Entwickler, Produzenten und in den nachgelagerten Wertschöpfungsstufen Handel, After Sales sowie wachsender Mehrwertdienste erfolgreich. Dennoch sind die Geschäftsmodelle zwischen großen Konzernen auf OEM und tier 1 Stufe mit mittelständischen Unternehmen nicht ohne Probleme und in naher Zukunft disruptiven Veränderungen unterworfen. Kein Zufall, daß hoch qualifizierte Interim Manager in diesem spannenden Automotive Umfeld überzeugende Problemlösungen bieten, strukturelle Defizite und Vakanzen überbrücken und Familienbetriebe, Start-ups und andere KMU neu ausrichten.

Text: Dietmar von Polenz

Die Erfindung und Entwicklung zur Serienreife des Automobils wurde nicht von großen Konzernen geleistet, sondern von Einzel-Unternehmern mit ihren Familien. Auch wenn heute immer weniger große Konzerne das Bild der Automotive Industrie weltweit prägen und beherrschen, hat der Mittelstand die Veränderungen vorangetrieben, mitgemacht und sich behauptet. Noch hat ein start-up wie Tesla mittel-ständische Strukturen und eine singuläre Stellung als kleiner OEM, trotz der Internet-Milliarden von Elon Musk im Hintergrund.

Keine andere Industrie ist auf allen Wertschöpfungsstufen weltweit so stark vertreten, vernetzt, integriert, standardisiert, konzentriert und trotzdem einem globalen knallharten Wettbewerb mit gnadenlosem Innovations- und Kostendruck ausgesetzt wie die Automotive Industrie. Die großen Veränderungen in naher Zukunft durch neue elektrifizierte Antriebskonzepte, Vernetzung mit Mehrwertdiensten, autonomem Fahren, Leichtbau mit neuen Werkstoffen und neuen Wettbewerbern aus allen Regionen der Welt werden mittelständische Betriebe stark verändern. Manche werden die Herausforderungen der Zukunft bei Automotive und Industrie 4.0 nicht bestehen und aus dem Markt gedrängt; doch gleichzeitig entstehen neu aufgestellte mittelständische Betriebe. Sie müssen den großen Kunden weltweit mit Produktion und Entwicklung nach Übersee zu folgen. Sie können ihrerseits Ziele für den Aufkauf durch chinesisches und indisches Kapital werden, das bei kleinen Margen pro Fahrzeug und sehr hohen schnell wachsenden Stückzahlen verdient wird und Begehrlichkeit nach Technologie und Geldanlage weckt und erfüllt.

Vom Zulieferer zum Systemlieferanten

Komplexere Inhalte und Funktionen, steigende Variantenvielfalt, neue Technologien und Antriebsformen, Integration und Vernetzung der Systeme und Vormarsch von Elektronik und Software verändern die Entwicklungs- und Fertigungstiefe von OEM, großen Systemlieferanten, Zulieferern und Dienstleistern. Daraus ergeben sich Chancen und Risiken für den Mittelstand der Automotive Industrie.

Zum einen erwarten die OEM den Rollenwechsel zum global aufgestellten Systemlieferanten, der präzise seine Prozesse und seine tier 2 Zulieferer steuert. Viele Mittelständler können dies nicht erfüllen oder verdrängen die Anforderungen, bis es zu spät ist. Zum anderen geraten mittelständische Firmen in neue Abhängigkeiten und Konkurrenzsituationen in immer komplexeren – und damit verwundbaren – Lieferketten. Nur wenige Lieferanten verlassen die leicht austauschbare Rolle des Commodity-Lieferanten und können die Position des „hidden champion“ und des Innovationsführers erreichen, durchhalten, ausbauen und Angriffe disruptiver neuer Entwicklungen kontern.

Der Konzentrationsprozess der Branche bedeutet für den Mittelstand die Behauptung gegenüber immer größeren und mächtigeren Spielern auf der Nachfrageseite, die längst globale Fahrzeug- bzw. Produktplattformen entwickelt und industrialisiert haben. Daher vergeben sie weltweite Aufträge mit Lieferanforderungen aus regionaler Produktion. Alles immer unter ständig wachsendem Kostendruck und verkürzten Entwicklungs- und Serienanlauf-Zyklen.

Dies soll nicht Angst machen, sondern das Bewusstsein dafür schärfen, daß die Zukunft des Automotive-Mittelstands kein sorgenfreier Spaziergang wird und viele tradierte Geschäftsmodelle nicht mehr umsetzbar sein werden in sich verändernden Anforderungen und Kraftfeldern. VW mit €149 Mrd. Einkaufsvolumen p.a. (65% des Umsatzes) hat im August 2016 in der Auseinandersetzung mit der Prevent Gruppe Marktveränderungen erkennen müssen, daß nach Prof. Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Research Institut Essen „die Zeit der netten Familienunternehmen zu Ende geht [und immer mehr] den Einkäufern Private-Equity Manager und ausgefuchste internationale Kanzleien gegenüberstehen“ (Handelsblatt vom 23.8.16).

Die Gewichte auf den Weltmärkten haben sich verschoben. Die Big Three der OEM sind heute nicht mehr alle in Detroit ansässig, die weltgrößten 3 der Zulieferer haben heute ihren Sitz in Deutschland. Trotz des VW-Abgasskandals haben die deutschen Automotive Unternehmen ihre Wettbewerbsposition ausbauen können. Der Schlüssel dafür sind Technologie-Vorsprung und die Globalisierung nach Osteuropa, Asien und Amerika. Diese Position gilt es auszubauen, um nicht zurückzufallen.

Herausforderung Digitalisierung und Industrie 4.0

In der absehbaren Welt der Industrie 4.0 – im nicht deutschen Sprachgebrauch gleichbedeutend mit dem Internet der Dinge (IoT) und den Cyber-Physical Systems – muß der Mittelstand seine Position finden. Der Familien-Unternehmer und VDA-Vizepräsident Arndt G. Kirchhoff sieht in der in der Automobilwoche vom 18.8.16 den Mittelstand bei Industrie 4.0 als „Vorreiter mit vielen Werkzeugen von Industrie 4.0 bereits im Einsatz, denn keine Branche ist bereits jetzt so vernetzt wie wir und zwar auf globaler Ebene“.

Weniger optimistisch sieht es die Umfrage und Studie „Industrie 4.0 – Entwicklungsfelder für den Mittelstand“ vom Fraunhofer IPA Institut in Stuttgart im Juli 2016. Auf Basis der Befragung von über 200 Unternehmen und von Experten haben über 45 % der mittelständischen Unternehmen noch keine Schritte zur Digitalisierung der Wertschöpfungskette unternommen, weil sie noch keine Vorstellungen vom Nutzen und der Vorgehensweise haben. Nur 5,6% sehen sich hier als Pioniere und 17,6% als Einsteiger mit ersten Konzepten zur Verknüpfung zwischen realer und digitaler Welt mit dem Ziel der Produktion personalisierter Produkte (Losgröße bis zu Null) und autonomen Produktionssteuerungs-Elementen.

Mittelstand und Interim Management

Den Kunden vorausdenkend, sehen 55% der vom DDIM Anfang 2016 befragten Interim Manager hohe bis sehr hohe Relevanz von Digitalisierung und Industrie 4.0 für ihre Mandate. Der Automobilbereich bietet 22% der Interim Management Mandate. 33% aller Mandate finden in Unternehmen zwischen 500 und 1.000 Mitarbeitern statt. Nach der AIMP Marktstudie werden 60% der Interim Management Provider-Umsätze in Unter­nehmen mit 100 bis 999 Mitarbeitern erzielt, jedoch dort mit einem Automotive Anteil von nur 13%. Von laut DDIM und AIMP Studien ermittelten ca. 15.000 Interim Managern auf den deutsch-sprachigen DACH Märkten stehen über 3.000 Interim Manager mit Automotive-Profil nach VDA-Angaben knapp 750.000 Beschäftigten in der Automobil-Industrie zur Seite. Die Marktposition des Problemlösungs-Instruments Interim Management ist also noch ausbaufähig – anteilig und absolut. Voraussetzung ist eine Zukunfts-fähige Weiterbildung der Interim Manager, um die Transformation des Mittelstands zu den Automotive Zukunftsthemen mit voranzutreiben.


Dietmar von Polenz
, DDIM-Mitglied, ist Interim Manager seit 2009. Als Inhaber der INTERIM[4]AUTOMOTIVE sind seine Schwerpunkte Entwicklung, Produktion und Serienanlauf-Management im In- und Ausland. Zu aktuell 50 Monaten Mandatserfahrung in Familienunternehmen kommen 19 Monate in Konzernunternehmen hinzu. Entsprechend der Vernetzung der Branche hatten 75% der Mandatsaufgaben direkten Lieferbezug zu OEM, 55% Auslandsbezug und 18% Elektromobilität als Auftrag.

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