wissen - international china ist eine kollektivistische gesellschaft im umbruch einer aktuellen reis-theorie zufolge werden die kollektivistische orientierung von asiaten im unterschied zur individu- alistischen westlichen kultur und auch die unterschiede von nord- und südchi- nesen auf verschiedene anforderungen beim anbau von weizen und reis zu- rückgeführt. reisanbau ist aufwendig und erfordert gemeinschaftsarbeit – vom bewässern bis hin zum beschwerlichen pflücken. „der anbau vom reis fordere mehr kooperation und gemeinschafts- sinn, daher tendieren südchinesen zu kollektivistischen verhaltensweisen. wei- zenbauern hingegen seien mehr auf den regen als auf die nachbarn angewiesen“ (www.21china.de). im modernen china leben chinesische philosophien weiter. der konfuzianismus erlebt ein revival auch wenn in china zunehmend westli- che kulturelemente vorzufinden sind, ist das konfuzianische denken in der chine- sischen mentalität erhalten geblieben. die fünf beziehungen („wu lun“) regeln das miteinander hierarchisch. verbunden sind rollen und pflichten wie das beispiel der beziehung eltern-kind oben zeigt oder zwischen vorgesetzten und mitar- beitern. in einer harmonischen gesell- schaft ist jeder einzelne um harmonie bemüht, das gesicht des anderen zu wahren und zu achten, ist wichtig. priva- te interessen treten vor denen der ge- meinschaft zurück. es leuchtet ein, dass unterschiede zu uns, wie entscheidun- gen getroffen werden, wer welchen re- debeitrag zu welchem zeitpunkt leistet, wie mit kritik umgegangen wird, die fol- ge sind. streit- bzw. konfliktkultur trifft auf harmoniekultur. die einhaltung die- ser ordnung ist die grundlage für stabi- lität und harmonie. das gegenteil, also chaos und unordnung („luan“), werden gefürchtet. über den heutigen einfluss der fünf klas- sischen tugenden – gerechtigkeit, güte, menschlichkeit, weisheit und ethisches verhalten – gibt es unterschiedliche auf- fassungen. die realität, die sie vor ort erleben, sieht häufig anders aus. der si- nologe professor wolfgang kubin be- schreibt: "es hält sich in china niemand an gesetze. es ist ja nicht nur so, dass wir oben die korruption beobachten, sondern wir beobachten auch unten, dass es für jeden normal ist, keine steuern zu zah- len, die steuern zu hinterziehen. es ist für jeden im straßenverkehr normal, obwohl es regeln gibt, auf der völlig falschen seite zu fahren und eigentlich alle zu gefährden. da schreitet auch niemand ein. es ist gang und gäbe, sich nicht an verkehrsampeln zu halten. jeder geht bei rot rüber. so kann aber ein gemeinschaftswesen auf dauer nicht funktionieren." revival des konfuzianis- mus: seit 2006 proklamiert chinas füh- rung die „harmonische gesellschaft“, jetzt im mai legte sie sogar einen index zur "sozialen harmonie" im ländlichen raum vor. das chinesische weltbild besteht aus insidern und outsidern chinesen erlebe ich als große individua- listen. dennoch fühlen sie sich der eige- nen sozialen bezugsgruppe zugehörig, die gekennzeichnet ist von einem ver- zweigten beziehungsnetz mit gegensei- tigen verpflichtungen („guanxi“). die familie ist das zentrum – danach kom- men der klan, freunde, firma oder ab- teilung und die nation. sie wird gebildet aus den schriftzeichen für „land“ und „familie“ („guo jia“). alles was nicht zur „in group“ gehört ist „out group“. für die insider gelten die oben be- schriebenen prinzipien (kooperation), für den umgang mit den outsidern und fremden gibt es keine regeln oder etikette zu beachten (konkurrenz). ihnen begegnet man indifferent, abweisend und häufig misstrauisch. wie auch das beispiel des rücksichtslosen umgangs miteinander auf der straße zeigt. oder das uns befremdlich erscheinende phä- nomen, sich bei autounfällen nicht um verletzte zu kümmern und einfach wei- terzufahren. von asiaten und europäern – laisser faire trifft auf regel- und prinzipientreue mein eindruck ist – auch vor meinem bi- kulturellen deutsch-französischem hin- tergrund –, dass chinesen mit franzosen mehr gemein haben und deutsche tendenziell mit japanern. es wird viel flexibler agiert und weniger regelkon- form flexibler agiert und weniger regel- konform. sie werden selten einen chi- nesen erleben, der an einer roten ampel bei wenig verkehr stehen bleibt. noch weniger, dass man sie – einen fremden – beim überqueren diesbezüglich be- lehrt. einzige ausnahme bislang war die sich gerade gejährte studentenbewe- gung vor 25 jahren, bei der ich eine beeindruckende disziplin, den verkehr zu regeln, erleben durfte. ein beispiel belegt die verschiedenen kulturellen dimensionen (meyer, the culture map, s. 245): eine französische führungskraft und expatriate in china erwartete die größten differenzen in der zusammenarbeit zwischen „asiaten“ und „europäern“. die „asiaten“ störten sich grundsätzlich an der art und weise wie in frankreich und deutschland mei- nungen geäußert und negatives feed- back zum ausdruck gebracht wird. die größten reibereien im team fand er jedoch zwischen japanern und chine- sen. die chinesen empfanden die ent- scheidungsfähigkeit der japaner als zu langsam, unflexibel und unveränderbar starr. nach ansicht der japaner trafen chinesen entscheidungen zu schnell, wenig durchdacht und chaotisch. chinesen werden häufig als sehr direkt von den japanern empfunden – wie franzosen ebenfalls die deutschen sehen. ähnlich wie die deutschen wir- ken japaner für chinesen und franzosen eher organisiert, strukturiert, pünktlich, planen sorgfältig – konsensorientiert – und halten ihre pläne ein. chinesen hingegen tendieren dazu entscheidun- gen schnell – top-down – zu treffen und pläne zu modifizieren. dieses ad-hoc management war für mich in einem medien joint-venture in beijing alltäg- lich. verabschiedete budgets und pläne wurden zur verwunderung im head- quarter laufend angepasst und die chi- nesische cfo freute sich über die ihre einhaltung. wenn sich eine neue situa- tion ergibt, wird neu überlegt und ent- schieden. flexibilität und anpassungsfä- higkeit sind entscheidend in einem sich schnell wandelnden umfeld. chancen sind flexibel zu nutzen. kommunikation folgt einer anderen logik chinesisches denken ist holistisch. von 72 | interim management magazin